Sind wir also der feindlichen Streitkraft nicht so überlegen daß der Sieg unzweifelhaft ist, so müssen wir sie, d. h. ihre Hauptmacht, wo möglich aufsuchen. Wir sagen wo möglich, denn wenn dieses Aufsuchen zu großen Umwegen, falschen Richtungen und Zeitverlust für uns führte, so könnte es leicht ein Fehler werden. Findet sich die feindliche Hauptmacht nicht auf unserem Wege und können wir, weil es sonst gegen unser Interesse ist, sie nicht aufsuchen, so dürfen wir sicher sein sie später zu fin- den, denn sie wird nicht säumen sich uns entgegen zu werfen. Wir werden dann, wie wir eben gesagt haben, unter weniger vortheilhaften Umständen schlagen; ein Übel dem wir uns unterziehen müssen. Gewinnen wir die Schlacht dennoch, so wird sie um so entscheidender sein.
Hieraus folgt, daß, in dem angenommenen Fall, ein absichtliches Vorbeigehen der feindlichen Hauptmacht, wenn sie sich schon auf unserem Wege befindet, ein Fehler sein würde, wenigstens in sofern man dabei eine Erleichterung des Sieges beabsichtigte.
Dagegen folgt aus dem Obigen: daß man, bei einer sehr entschiedenen Überlegenheit, der feindlichen Hauptmacht absichtlich vorbeigehen könne, um späterhin eine entscheiden- dere Schlacht zu liefern.
Wir haben von einem vollständigen Siege, also von einer Niederlage des Feindes und nicht von einer bloßen gewonnenen Schlacht gesprochen. Zu einem solchen Siege aber gehört ein umfassender Angriff oder eine Schlacht mit verwandter Fronte, denn beide geben dem Ausgang jedesmal einen entscheidenden Charakter. Es gehört also zum Wesentlichen des Kriegsplanes daß wir uns darauf einrichten, sowohl was die Masse der Streitkräfte betrifft die nöthig, als die Richtungen welche ihnen zu geben sind,
III 12
Sind wir alſo der feindlichen Streitkraft nicht ſo uͤberlegen daß der Sieg unzweifelhaft iſt, ſo muͤſſen wir ſie, d. h. ihre Hauptmacht, wo moͤglich aufſuchen. Wir ſagen wo moͤglich, denn wenn dieſes Aufſuchen zu großen Umwegen, falſchen Richtungen und Zeitverluſt fuͤr uns fuͤhrte, ſo koͤnnte es leicht ein Fehler werden. Findet ſich die feindliche Hauptmacht nicht auf unſerem Wege und koͤnnen wir, weil es ſonſt gegen unſer Intereſſe iſt, ſie nicht aufſuchen, ſo duͤrfen wir ſicher ſein ſie ſpaͤter zu fin- den, denn ſie wird nicht ſaͤumen ſich uns entgegen zu werfen. Wir werden dann, wie wir eben geſagt haben, unter weniger vortheilhaften Umſtaͤnden ſchlagen; ein Übel dem wir uns unterziehen muͤſſen. Gewinnen wir die Schlacht dennoch, ſo wird ſie um ſo entſcheidender ſein.
Hieraus folgt, daß, in dem angenommenen Fall, ein abſichtliches Vorbeigehen der feindlichen Hauptmacht, wenn ſie ſich ſchon auf unſerem Wege befindet, ein Fehler ſein wuͤrde, wenigſtens in ſofern man dabei eine Erleichterung des Sieges beabſichtigte.
Dagegen folgt aus dem Obigen: daß man, bei einer ſehr entſchiedenen Überlegenheit, der feindlichen Hauptmacht abſichtlich vorbeigehen koͤnne, um ſpaͤterhin eine entſcheiden- dere Schlacht zu liefern.
Wir haben von einem vollſtaͤndigen Siege, alſo von einer Niederlage des Feindes und nicht von einer bloßen gewonnenen Schlacht geſprochen. Zu einem ſolchen Siege aber gehoͤrt ein umfaſſender Angriff oder eine Schlacht mit verwandter Fronte, denn beide geben dem Ausgang jedesmal einen entſcheidenden Charakter. Es gehoͤrt alſo zum Weſentlichen des Kriegsplanes daß wir uns darauf einrichten, ſowohl was die Maſſe der Streitkraͤfte betrifft die noͤthig, als die Richtungen welche ihnen zu geben ſind,
III 12
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Sind wir alſo der feindlichen Streitkraft nicht ſo
uͤberlegen daß der Sieg unzweifelhaft iſt, ſo muͤſſen wir
ſie, d. h. ihre Hauptmacht, wo moͤglich aufſuchen. Wir
ſagen wo moͤglich, denn wenn dieſes Aufſuchen zu großen
Umwegen, falſchen Richtungen und Zeitverluſt fuͤr uns
fuͤhrte, ſo koͤnnte es leicht ein Fehler werden. Findet ſich
die feindliche Hauptmacht nicht auf unſerem Wege und
koͤnnen wir, weil es ſonſt gegen unſer Intereſſe iſt, ſie
nicht aufſuchen, ſo duͤrfen wir ſicher ſein ſie ſpaͤter zu fin-
den, denn ſie wird nicht ſaͤumen ſich uns entgegen zu
werfen. Wir werden dann, wie wir eben geſagt haben,
unter weniger vortheilhaften Umſtaͤnden ſchlagen; ein Übel
dem wir uns unterziehen muͤſſen. Gewinnen wir die
Schlacht dennoch, ſo wird ſie um ſo entſcheidender ſein.
Hieraus folgt, daß, in dem angenommenen Fall, ein
abſichtliches Vorbeigehen der feindlichen Hauptmacht, wenn
ſie ſich ſchon auf unſerem Wege befindet, ein Fehler ſein
wuͤrde, wenigſtens in ſofern man dabei eine Erleichterung
des Sieges beabſichtigte.
Dagegen folgt aus dem Obigen: daß man, bei einer
ſehr entſchiedenen Überlegenheit, der feindlichen Hauptmacht
abſichtlich vorbeigehen koͤnne, um ſpaͤterhin eine entſcheiden-
dere Schlacht zu liefern.
Wir haben von einem vollſtaͤndigen Siege, alſo von
einer Niederlage des Feindes und nicht von einer bloßen
gewonnenen Schlacht geſprochen. Zu einem ſolchen Siege
aber gehoͤrt ein umfaſſender Angriff oder eine Schlacht
mit verwandter Fronte, denn beide geben dem Ausgang
jedesmal einen entſcheidenden Charakter. Es gehoͤrt alſo
zum Weſentlichen des Kriegsplanes daß wir uns darauf
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten des Autors nicht als selbstständige Publikation. Es wurde posthum, zwischen 1832 und 1834, als Bde. 1-3 der "Hinterlassenen Werke des Generals Carl von Clausewitz" von dessen Witwe Marie von Clausewitz herausgegeben.
Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/191>, abgerufen am 28.11.2024.
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