584. Es kann also der Muth bei Mangel an Ver- stand und Einsicht oft zu sehr falschen Schritten führen.
585. Ganz andern Ursprungs ist der Muth welchen man Muth des Verstandes genannt hat. Er entspringt aus der Überzeugung von der Nothwendigkeit des Wagens, oder auch von einer höhern Einsicht welcher das Wagen nicht so groß als den Übrigen erscheint.
586. Diese Überzeugung kann auch in solchen Menschen entstehen die keinen persönlichen Muth haben, aber sie wird erst Muth, d. h. sie wird erst eine Kraft die den Menschen im Drange des Augenblicks und der Gefahr aufrecht und im Gleichgewichte erhält, wenn sie auf das Gemüth zu- rückwirkt, die edlern Kräfte desselben weckt und steigert, und darum ist der Ausdruck Muth des Verstandes nicht ganz richtig, denn aus dem Verstande selbst ent- springt er nie. Daß Gedanken Gefühle hervorbringen können und daß diese Gefühle durch fortdauernde Einwir- kung des Denkvermögens gesteigert werden können, weiß Jeder aus der Erfahrung.
587. Indem auf der einen Seite der persönliche Muth die Verstandeskräfte unterstützt und dadurch erhöht, auf der andern die Verstandesüberzeugung die Gemüths- kräfte weckt und belebt, nähern sich beide einander und können zusammen fallen, d. h. dasselbe Resultat in der Führung geben. Aber dies ist doch selten. Gewöhnlich haben die Handlungen des Muthes etwas von dem Cha- rakter seines Ursprungs.
588. Wo großer persönlicher Muth und großer Ver- stand sich vereinigt finden, da muß natürlich die Führung die vollkommenste sein.
589. Daß der von der Verstandesüberzeugung aus-
584. Es kann alſo der Muth bei Mangel an Ver- ſtand und Einſicht oft zu ſehr falſchen Schritten fuͤhren.
585. Ganz andern Urſprungs iſt der Muth welchen man Muth des Verſtandes genannt hat. Er entſpringt aus der Überzeugung von der Nothwendigkeit des Wagens, oder auch von einer hoͤhern Einſicht welcher das Wagen nicht ſo groß als den Übrigen erſcheint.
586. Dieſe Überzeugung kann auch in ſolchen Menſchen entſtehen die keinen perſoͤnlichen Muth haben, aber ſie wird erſt Muth, d. h. ſie wird erſt eine Kraft die den Menſchen im Drange des Augenblicks und der Gefahr aufrecht und im Gleichgewichte erhaͤlt, wenn ſie auf das Gemuͤth zu- ruͤckwirkt, die edlern Kraͤfte deſſelben weckt und ſteigert, und darum iſt der Ausdruck Muth des Verſtandes nicht ganz richtig, denn aus dem Verſtande ſelbſt ent- ſpringt er nie. Daß Gedanken Gefuͤhle hervorbringen koͤnnen und daß dieſe Gefuͤhle durch fortdauernde Einwir- kung des Denkvermoͤgens geſteigert werden koͤnnen, weiß Jeder aus der Erfahrung.
587. Indem auf der einen Seite der perſoͤnliche Muth die Verſtandeskraͤfte unterſtuͤtzt und dadurch erhoͤht, auf der andern die Verſtandesuͤberzeugung die Gemuͤths- kraͤfte weckt und belebt, naͤhern ſich beide einander und koͤnnen zuſammen fallen, d. h. daſſelbe Reſultat in der Fuͤhrung geben. Aber dies iſt doch ſelten. Gewoͤhnlich haben die Handlungen des Muthes etwas von dem Cha- rakter ſeines Urſprungs.
588. Wo großer perſoͤnlicher Muth und großer Ver- ſtand ſich vereinigt finden, da muß natuͤrlich die Fuͤhrung die vollkommenſte ſein.
589. Daß der von der Verſtandesuͤberzeugung aus-
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584. Es kann alſo der Muth bei Mangel an Ver-
ſtand und Einſicht oft zu ſehr falſchen Schritten fuͤhren.
585. Ganz andern Urſprungs iſt der Muth welchen
man Muth des Verſtandes genannt hat. Er entſpringt
aus der Überzeugung von der Nothwendigkeit des Wagens,
oder auch von einer hoͤhern Einſicht welcher das Wagen
nicht ſo groß als den Übrigen erſcheint.
586. Dieſe Überzeugung kann auch in ſolchen Menſchen
entſtehen die keinen perſoͤnlichen Muth haben, aber ſie wird
erſt Muth, d. h. ſie wird erſt eine Kraft die den Menſchen
im Drange des Augenblicks und der Gefahr aufrecht und
im Gleichgewichte erhaͤlt, wenn ſie auf das Gemuͤth zu-
ruͤckwirkt, die edlern Kraͤfte deſſelben weckt und ſteigert,
und darum iſt der Ausdruck Muth des Verſtandes
nicht ganz richtig, denn aus dem Verſtande ſelbſt ent-
ſpringt er nie. Daß Gedanken Gefuͤhle hervorbringen
koͤnnen und daß dieſe Gefuͤhle durch fortdauernde Einwir-
kung des Denkvermoͤgens geſteigert werden koͤnnen, weiß
Jeder aus der Erfahrung.
587. Indem auf der einen Seite der perſoͤnliche
Muth die Verſtandeskraͤfte unterſtuͤtzt und dadurch erhoͤht,
auf der andern die Verſtandesuͤberzeugung die Gemuͤths-
kraͤfte weckt und belebt, naͤhern ſich beide einander und
koͤnnen zuſammen fallen, d. h. daſſelbe Reſultat in der
Fuͤhrung geben. Aber dies iſt doch ſelten. Gewoͤhnlich
haben die Handlungen des Muthes etwas von dem Cha-
rakter ſeines Urſprungs.
588. Wo großer perſoͤnlicher Muth und großer Ver-
ſtand ſich vereinigt finden, da muß natuͤrlich die Fuͤhrung
die vollkommenſte ſein.
589. Daß der von der Verſtandesuͤberzeugung aus-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten des Autors nicht als selbstständige Publikation. Es wurde posthum, zwischen 1832 und 1834, als Bde. 1-3 der "Hinterlassenen Werke des Generals Carl von Clausewitz" von dessen Witwe Marie von Clausewitz herausgegeben.
Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/396>, abgerufen am 22.11.2024.
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