Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

entgegentreten. Wie weit sie das können oder nicht ist
darum nicht die Frage weil es beim Gegner ebenso aus-
sieht; unsere Fehler und Mißgriffe also in der Allgemein-
heit der Fälle durch die seinigen ausgeglichen werden. Aber
worauf es sehr ankommen muß, das ist dem Gegner in
Muth und Intelligenz, vor Allem aber in dem Ersten
nicht nachzustehen.

602. Aber es giebt noch Eins was hier von großer
Wichtigkeit ist, es ist der Takt des Urtheils. Dies
gehört, außer dem angebornen Talent, hauptsächlich der
Übung an, welche mit den Erscheinungen vertraut und das
Auffinden der Wahrheit, also das richtige Urtheil fast
zur Gewohnheit macht
. Hierin liegt der Hauptwerth
der Kriegserfahrung und das große Übergewicht welches
sie dem Heere geben kann.

603. Endlich haben wir noch zu sagen daß wenn
die Umstände in der Gefechtsführung immer dem Näheren
eine überwiegende Wichtigkeit über das Höherstehende oder
Entfernte geben, dieser Fehler in der Ansicht der Dinge
nur dadurch gut gemacht werden kann daß der Handelnde,
in der Ungewißheit ob er das Rechte getroffen hat, seine
Handlung zum Bestimmenden zu machen sucht. Dies
geschieht indem er alle mögliche Erfolge die daraus zu
ziehen sind, wirklich erstrebt. Auf diese Weise wird das
Ganze welches immer von einem hohen Standpunkte aus
geleitet werden sollte, da wo dieser nicht zu gewinnen war
von einem untergeordneten aus in einer gewissen Richtung
mit fortgerissen.

Wir wollen mit einem Beispiel verständlicher zu wer-
den suchen. Wenn ein Divisionsgeneral in dem Wirrwarr
einer großen Schlacht außer den Zusammenhang des

III 25

entgegentreten. Wie weit ſie das koͤnnen oder nicht iſt
darum nicht die Frage weil es beim Gegner ebenſo aus-
ſieht; unſere Fehler und Mißgriffe alſo in der Allgemein-
heit der Faͤlle durch die ſeinigen ausgeglichen werden. Aber
worauf es ſehr ankommen muß, das iſt dem Gegner in
Muth und Intelligenz, vor Allem aber in dem Erſten
nicht nachzuſtehen.

602. Aber es giebt noch Eins was hier von großer
Wichtigkeit iſt, es iſt der Takt des Urtheils. Dies
gehoͤrt, außer dem angebornen Talent, hauptſaͤchlich der
Übung an, welche mit den Erſcheinungen vertraut und das
Auffinden der Wahrheit, alſo das richtige Urtheil faſt
zur Gewohnheit macht
. Hierin liegt der Hauptwerth
der Kriegserfahrung und das große Übergewicht welches
ſie dem Heere geben kann.

603. Endlich haben wir noch zu ſagen daß wenn
die Umſtaͤnde in der Gefechtsfuͤhrung immer dem Naͤheren
eine uͤberwiegende Wichtigkeit uͤber das Hoͤherſtehende oder
Entfernte geben, dieſer Fehler in der Anſicht der Dinge
nur dadurch gut gemacht werden kann daß der Handelnde,
in der Ungewißheit ob er das Rechte getroffen hat, ſeine
Handlung zum Beſtimmenden zu machen ſucht. Dies
geſchieht indem er alle moͤgliche Erfolge die daraus zu
ziehen ſind, wirklich erſtrebt. Auf dieſe Weiſe wird das
Ganze welches immer von einem hohen Standpunkte aus
geleitet werden ſollte, da wo dieſer nicht zu gewinnen war
von einem untergeordneten aus in einer gewiſſen Richtung
mit fortgeriſſen.

Wir wollen mit einem Beiſpiel verſtaͤndlicher zu wer-
den ſuchen. Wenn ein Diviſionsgeneral in dem Wirrwarr
einer großen Schlacht außer den Zuſammenhang des

III 25
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0399" n="385"/>
entgegentreten. Wie weit &#x017F;ie das ko&#x0364;nnen oder nicht i&#x017F;t<lb/><hi rendition="#g">darum</hi> nicht die Frage weil es beim Gegner eben&#x017F;o aus-<lb/>
&#x017F;ieht; un&#x017F;ere Fehler und Mißgriffe al&#x017F;o in der Allgemein-<lb/>
heit der Fa&#x0364;lle durch die &#x017F;einigen ausgeglichen werden. Aber<lb/>
worauf es &#x017F;ehr ankommen muß, das i&#x017F;t dem Gegner in<lb/>
Muth und Intelligenz, vor Allem aber in dem Er&#x017F;ten<lb/><hi rendition="#g">nicht nachzu&#x017F;tehen</hi>.</p><lb/>
                <p>602. Aber es giebt noch Eins was hier von großer<lb/>
Wichtigkeit i&#x017F;t, <hi rendition="#g">es i&#x017F;t der Takt des Urtheils</hi>. Dies<lb/>
geho&#x0364;rt, außer dem angebornen Talent, haupt&#x017F;a&#x0364;chlich der<lb/>
Übung an, welche mit den Er&#x017F;cheinungen vertraut und das<lb/>
Auffinden der Wahrheit, al&#x017F;o das richtige Urtheil <hi rendition="#g">fa&#x017F;t<lb/>
zur Gewohnheit macht</hi>. Hierin liegt der Hauptwerth<lb/>
der Kriegserfahrung und das große Übergewicht welches<lb/>
&#x017F;ie dem Heere geben kann.</p><lb/>
                <p>603. Endlich haben wir noch zu &#x017F;agen daß wenn<lb/>
die Um&#x017F;ta&#x0364;nde in der Gefechtsfu&#x0364;hrung immer dem Na&#x0364;heren<lb/>
eine u&#x0364;berwiegende Wichtigkeit u&#x0364;ber das Ho&#x0364;her&#x017F;tehende oder<lb/>
Entfernte geben, die&#x017F;er Fehler in der An&#x017F;icht der Dinge<lb/>
nur dadurch gut gemacht werden kann daß der Handelnde,<lb/>
in der Ungewißheit ob er das Rechte getroffen hat, &#x017F;eine<lb/>
Handlung zum <hi rendition="#g">Be&#x017F;timmenden</hi> zu machen &#x017F;ucht. Dies<lb/>
ge&#x017F;chieht indem er alle mo&#x0364;gliche Erfolge die daraus zu<lb/>
ziehen &#x017F;ind, wirklich er&#x017F;trebt. Auf die&#x017F;e Wei&#x017F;e wird das<lb/>
Ganze welches immer von einem hohen Standpunkte aus<lb/>
geleitet werden &#x017F;ollte, da wo die&#x017F;er nicht zu gewinnen war<lb/>
von einem untergeordneten aus in einer gewi&#x017F;&#x017F;en Richtung<lb/>
mit fortgeri&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
                <p>Wir wollen mit einem Bei&#x017F;piel ver&#x017F;ta&#x0364;ndlicher zu wer-<lb/>
den &#x017F;uchen. Wenn ein Divi&#x017F;ionsgeneral in dem Wirrwarr<lb/>
einer großen Schlacht außer den Zu&#x017F;ammenhang des<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">III</hi> 25</fw><lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[385/0399] entgegentreten. Wie weit ſie das koͤnnen oder nicht iſt darum nicht die Frage weil es beim Gegner ebenſo aus- ſieht; unſere Fehler und Mißgriffe alſo in der Allgemein- heit der Faͤlle durch die ſeinigen ausgeglichen werden. Aber worauf es ſehr ankommen muß, das iſt dem Gegner in Muth und Intelligenz, vor Allem aber in dem Erſten nicht nachzuſtehen. 602. Aber es giebt noch Eins was hier von großer Wichtigkeit iſt, es iſt der Takt des Urtheils. Dies gehoͤrt, außer dem angebornen Talent, hauptſaͤchlich der Übung an, welche mit den Erſcheinungen vertraut und das Auffinden der Wahrheit, alſo das richtige Urtheil faſt zur Gewohnheit macht. Hierin liegt der Hauptwerth der Kriegserfahrung und das große Übergewicht welches ſie dem Heere geben kann. 603. Endlich haben wir noch zu ſagen daß wenn die Umſtaͤnde in der Gefechtsfuͤhrung immer dem Naͤheren eine uͤberwiegende Wichtigkeit uͤber das Hoͤherſtehende oder Entfernte geben, dieſer Fehler in der Anſicht der Dinge nur dadurch gut gemacht werden kann daß der Handelnde, in der Ungewißheit ob er das Rechte getroffen hat, ſeine Handlung zum Beſtimmenden zu machen ſucht. Dies geſchieht indem er alle moͤgliche Erfolge die daraus zu ziehen ſind, wirklich erſtrebt. Auf dieſe Weiſe wird das Ganze welches immer von einem hohen Standpunkte aus geleitet werden ſollte, da wo dieſer nicht zu gewinnen war von einem untergeordneten aus in einer gewiſſen Richtung mit fortgeriſſen. Wir wollen mit einem Beiſpiel verſtaͤndlicher zu wer- den ſuchen. Wenn ein Diviſionsgeneral in dem Wirrwarr einer großen Schlacht außer den Zuſammenhang des III 25

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/399
Zitationshilfe: Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/399>, abgerufen am 22.11.2024.