die Sicherheit in der Bedeckung sucht und sich nicht genug wundern kann wie eine so bemitleidenswerthe Verfassung, wie die einer Bedeckung ist, solche Ehrfurcht einflößen kann. Um die Wahrheit dieser Bemerkung zu fühlen, denke man an den berühmten Rückzug welchen Friedrich der Große 1758 nach der Belagerung von Olmütz durch Böhmen machte, wo die Hälfte seiner Armee in Pelotons aufgelöst war um einen aus 4000 Fuhrwerken bestehenden Train zu decken. Was hinderte Daun dieses Unding an- zufallen? Die Furcht, daß ihm Friedrich der Große mit der andern Hälfte auf den Leib rücken und ihn in eine Schlacht verwickeln würde, die Daun nicht suchte. Was hinderte Laudon in Zischbowitz den Transport, dem er immer zur Seite war, früher und dreister anzufallen als er that? Die Furcht Etwas auf die Finger zu bekommen. Zehn Meilen von seiner Hauptarmee entfernt und durch die preu- ßische Armee ganz von ihr getrennt, glaubte er sich in Gefahr einer tüchtigen Niederlage, wenn der durch Daun auf keine Weise beschäftigte König den größeren Theil seiner Kräfte gegen ihn richtete.
Nur wenn die strategische Lage eines Heeres dasselbe in die widernatürliche Nothwendigkeit verwickelt, seine Transporte ganz seitwärts oder gar von vornher zu be- ziehen: dann werden diese Transporte in wirklich großer Gefahr sein und folglich ein vortheilhaftes Objekt des Angriffs für den Gegner werden, wenn ihm seine Lage erlaubt Kräfte dazu abzusenden. Derselbe Feldzug zeigt in dem aufgehobenen Transport von Domstädtel den voll- kommensten Erfolg eines solchen Unternehmens. Die Straße nach Neiße lag in der linken Seite der preußi- schen Aufstellung, und des Königs Kräfte waren durch die Belagerung und das gegen Daun aufgestellte Korps so
die Sicherheit in der Bedeckung ſucht und ſich nicht genug wundern kann wie eine ſo bemitleidenswerthe Verfaſſung, wie die einer Bedeckung iſt, ſolche Ehrfurcht einfloͤßen kann. Um die Wahrheit dieſer Bemerkung zu fuͤhlen, denke man an den beruͤhmten Ruͤckzug welchen Friedrich der Große 1758 nach der Belagerung von Olmuͤtz durch Boͤhmen machte, wo die Haͤlfte ſeiner Armee in Pelotons aufgeloͤſt war um einen aus 4000 Fuhrwerken beſtehenden Train zu decken. Was hinderte Daun dieſes Unding an- zufallen? Die Furcht, daß ihm Friedrich der Große mit der andern Haͤlfte auf den Leib ruͤcken und ihn in eine Schlacht verwickeln wuͤrde, die Daun nicht ſuchte. Was hinderte Laudon in Ziſchbowitz den Transport, dem er immer zur Seite war, fruͤher und dreiſter anzufallen als er that? Die Furcht Etwas auf die Finger zu bekommen. Zehn Meilen von ſeiner Hauptarmee entfernt und durch die preu- ßiſche Armee ganz von ihr getrennt, glaubte er ſich in Gefahr einer tuͤchtigen Niederlage, wenn der durch Daun auf keine Weiſe beſchaͤftigte Koͤnig den groͤßeren Theil ſeiner Kraͤfte gegen ihn richtete.
Nur wenn die ſtrategiſche Lage eines Heeres daſſelbe in die widernatuͤrliche Nothwendigkeit verwickelt, ſeine Transporte ganz ſeitwaͤrts oder gar von vornher zu be- ziehen: dann werden dieſe Transporte in wirklich großer Gefahr ſein und folglich ein vortheilhaftes Objekt des Angriffs fuͤr den Gegner werden, wenn ihm ſeine Lage erlaubt Kraͤfte dazu abzuſenden. Derſelbe Feldzug zeigt in dem aufgehobenen Transport von Domſtaͤdtel den voll- kommenſten Erfolg eines ſolchen Unternehmens. Die Straße nach Neiße lag in der linken Seite der preußi- ſchen Aufſtellung, und des Koͤnigs Kraͤfte waren durch die Belagerung und das gegen Daun aufgeſtellte Korps ſo
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0070"n="56"/>
die Sicherheit in der Bedeckung ſucht und ſich nicht genug<lb/>
wundern kann wie eine ſo bemitleidenswerthe Verfaſſung,<lb/>
wie die einer Bedeckung iſt, ſolche Ehrfurcht einfloͤßen<lb/>
kann. Um die Wahrheit dieſer Bemerkung zu fuͤhlen,<lb/>
denke man an den beruͤhmten Ruͤckzug welchen Friedrich<lb/>
der Große 1758 nach der Belagerung von Olmuͤtz durch<lb/>
Boͤhmen machte, wo die Haͤlfte ſeiner Armee in Pelotons<lb/>
aufgeloͤſt war um einen aus 4000 Fuhrwerken beſtehenden<lb/>
Train zu decken. Was hinderte Daun dieſes Unding an-<lb/>
zufallen? Die Furcht, daß ihm Friedrich der Große mit der<lb/>
andern Haͤlfte auf den Leib ruͤcken und ihn in eine Schlacht<lb/>
verwickeln wuͤrde, die Daun nicht ſuchte. Was hinderte<lb/>
Laudon in Ziſchbowitz den Transport, dem er immer zur<lb/>
Seite war, fruͤher und dreiſter anzufallen als er that?<lb/>
Die Furcht Etwas auf die Finger zu bekommen. Zehn<lb/>
Meilen von ſeiner Hauptarmee entfernt und durch die preu-<lb/>
ßiſche Armee ganz von ihr getrennt, glaubte er ſich in<lb/>
Gefahr einer tuͤchtigen Niederlage, wenn der durch Daun<lb/>
auf keine Weiſe beſchaͤftigte Koͤnig den groͤßeren Theil<lb/>ſeiner Kraͤfte gegen ihn richtete.</p><lb/><p>Nur wenn die ſtrategiſche Lage eines Heeres daſſelbe<lb/>
in die widernatuͤrliche Nothwendigkeit verwickelt, ſeine<lb/>
Transporte ganz ſeitwaͤrts oder gar von vornher zu be-<lb/>
ziehen: dann werden dieſe Transporte in wirklich großer<lb/>
Gefahr ſein und folglich ein vortheilhaftes Objekt des<lb/>
Angriffs fuͤr den Gegner werden, wenn ihm ſeine Lage<lb/>
erlaubt Kraͤfte dazu abzuſenden. Derſelbe Feldzug zeigt<lb/>
in dem aufgehobenen Transport von Domſtaͤdtel den voll-<lb/>
kommenſten Erfolg eines ſolchen Unternehmens. Die<lb/>
Straße nach Neiße lag in der linken Seite der preußi-<lb/>ſchen Aufſtellung, und des Koͤnigs Kraͤfte waren durch die<lb/>
Belagerung und das gegen Daun aufgeſtellte Korps ſo<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[56/0070]
die Sicherheit in der Bedeckung ſucht und ſich nicht genug
wundern kann wie eine ſo bemitleidenswerthe Verfaſſung,
wie die einer Bedeckung iſt, ſolche Ehrfurcht einfloͤßen
kann. Um die Wahrheit dieſer Bemerkung zu fuͤhlen,
denke man an den beruͤhmten Ruͤckzug welchen Friedrich
der Große 1758 nach der Belagerung von Olmuͤtz durch
Boͤhmen machte, wo die Haͤlfte ſeiner Armee in Pelotons
aufgeloͤſt war um einen aus 4000 Fuhrwerken beſtehenden
Train zu decken. Was hinderte Daun dieſes Unding an-
zufallen? Die Furcht, daß ihm Friedrich der Große mit der
andern Haͤlfte auf den Leib ruͤcken und ihn in eine Schlacht
verwickeln wuͤrde, die Daun nicht ſuchte. Was hinderte
Laudon in Ziſchbowitz den Transport, dem er immer zur
Seite war, fruͤher und dreiſter anzufallen als er that?
Die Furcht Etwas auf die Finger zu bekommen. Zehn
Meilen von ſeiner Hauptarmee entfernt und durch die preu-
ßiſche Armee ganz von ihr getrennt, glaubte er ſich in
Gefahr einer tuͤchtigen Niederlage, wenn der durch Daun
auf keine Weiſe beſchaͤftigte Koͤnig den groͤßeren Theil
ſeiner Kraͤfte gegen ihn richtete.
Nur wenn die ſtrategiſche Lage eines Heeres daſſelbe
in die widernatuͤrliche Nothwendigkeit verwickelt, ſeine
Transporte ganz ſeitwaͤrts oder gar von vornher zu be-
ziehen: dann werden dieſe Transporte in wirklich großer
Gefahr ſein und folglich ein vortheilhaftes Objekt des
Angriffs fuͤr den Gegner werden, wenn ihm ſeine Lage
erlaubt Kraͤfte dazu abzuſenden. Derſelbe Feldzug zeigt
in dem aufgehobenen Transport von Domſtaͤdtel den voll-
kommenſten Erfolg eines ſolchen Unternehmens. Die
Straße nach Neiße lag in der linken Seite der preußi-
ſchen Aufſtellung, und des Koͤnigs Kraͤfte waren durch die
Belagerung und das gegen Daun aufgeſtellte Korps ſo
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten des Autors nicht als selbstständige Publikation. Es wurde posthum, zwischen 1832 und 1834, als Bde. 1-3 der "Hinterlassenen Werke des Generals Carl von Clausewitz" von dessen Witwe Marie von Clausewitz herausgegeben.
Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/70>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.