Unter Diversion versteht der Sprachgebrauch einen solchen Anfall des feindlichen Landes, wodurch Kräfte von dem Hauptpunkt abgezogen werden. Nur wenn dies die Hauptabsicht ist und nicht der Gegenstand welchen man bei der Gelegenheit angreift und erobert, ist es eine Unter- nehmung eigenthümlicher Art, sonst bleibt es ein gewöhn- licher Angriff.
Natürlich muß die Diversion darum doch immer ein Angriffsobjekt haben, denn nur der Werth dieses Objekts kann den Feind veranlassen Truppen dahin zu schicken; außerdem sind diese Objekte, im Fall die Unternehmung als Diversion nicht wirkt, eine Entschädigung für die dar- auf gewandten Kräfte.
Diese Angriffsobjekte können nun Festungen sein oder bedeutende Magazine oder reiche und große Städte, be- sonders Hauptstädte, Kontributionen aller Art, endlich Beistand unzufriedener Unterthanen des Feindes.
Daß Diversionen nützlich sein können ist leicht zu be- greifen, aber gewiß sind sie es nicht immer, sondern oft sogar schädlich. Die Hauptbedingung ist: daß sie mehr Streitkräfte des Feindes vom Hauptkriegstheater abziehen als wir auf die Diversion verwenden, denn wenn sie nur eben so viel abziehen, so hört die Wirksamkeit als eigent- liche Diversion auf und das Unternehmen wird ein unter- geordneter Angriff. Selbst da wo man einen Nebenangriff anordnet weil man der Umstände wegen die Aussicht hat mit
Zwanzigſtes Kapitel. Diverſion.
Unter Diverſion verſteht der Sprachgebrauch einen ſolchen Anfall des feindlichen Landes, wodurch Kraͤfte von dem Hauptpunkt abgezogen werden. Nur wenn dies die Hauptabſicht iſt und nicht der Gegenſtand welchen man bei der Gelegenheit angreift und erobert, iſt es eine Unter- nehmung eigenthuͤmlicher Art, ſonſt bleibt es ein gewoͤhn- licher Angriff.
Natuͤrlich muß die Diverſion darum doch immer ein Angriffsobjekt haben, denn nur der Werth dieſes Objekts kann den Feind veranlaſſen Truppen dahin zu ſchicken; außerdem ſind dieſe Objekte, im Fall die Unternehmung als Diverſion nicht wirkt, eine Entſchaͤdigung fuͤr die dar- auf gewandten Kraͤfte.
Dieſe Angriffsobjekte koͤnnen nun Feſtungen ſein oder bedeutende Magazine oder reiche und große Staͤdte, be- ſonders Hauptſtaͤdte, Kontributionen aller Art, endlich Beiſtand unzufriedener Unterthanen des Feindes.
Daß Diverſionen nuͤtzlich ſein koͤnnen iſt leicht zu be- greifen, aber gewiß ſind ſie es nicht immer, ſondern oft ſogar ſchaͤdlich. Die Hauptbedingung iſt: daß ſie mehr Streitkraͤfte des Feindes vom Hauptkriegstheater abziehen als wir auf die Diverſion verwenden, denn wenn ſie nur eben ſo viel abziehen, ſo hoͤrt die Wirkſamkeit als eigent- liche Diverſion auf und das Unternehmen wird ein unter- geordneter Angriff. Selbſt da wo man einen Nebenangriff anordnet weil man der Umſtaͤnde wegen die Ausſicht hat mit
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Zwanzigſtes Kapitel.
Diverſion.
Unter Diverſion verſteht der Sprachgebrauch einen
ſolchen Anfall des feindlichen Landes, wodurch Kraͤfte von
dem Hauptpunkt abgezogen werden. Nur wenn dies die
Hauptabſicht iſt und nicht der Gegenſtand welchen man
bei der Gelegenheit angreift und erobert, iſt es eine Unter-
nehmung eigenthuͤmlicher Art, ſonſt bleibt es ein gewoͤhn-
licher Angriff.
Natuͤrlich muß die Diverſion darum doch immer ein
Angriffsobjekt haben, denn nur der Werth dieſes Objekts
kann den Feind veranlaſſen Truppen dahin zu ſchicken;
außerdem ſind dieſe Objekte, im Fall die Unternehmung
als Diverſion nicht wirkt, eine Entſchaͤdigung fuͤr die dar-
auf gewandten Kraͤfte.
Dieſe Angriffsobjekte koͤnnen nun Feſtungen ſein oder
bedeutende Magazine oder reiche und große Staͤdte, be-
ſonders Hauptſtaͤdte, Kontributionen aller Art, endlich
Beiſtand unzufriedener Unterthanen des Feindes.
Daß Diverſionen nuͤtzlich ſein koͤnnen iſt leicht zu be-
greifen, aber gewiß ſind ſie es nicht immer, ſondern oft
ſogar ſchaͤdlich. Die Hauptbedingung iſt: daß ſie mehr
Streitkraͤfte des Feindes vom Hauptkriegstheater abziehen
als wir auf die Diverſion verwenden, denn wenn ſie nur
eben ſo viel abziehen, ſo hoͤrt die Wirkſamkeit als eigent-
liche Diverſion auf und das Unternehmen wird ein unter-
geordneter Angriff. Selbſt da wo man einen Nebenangriff
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten des Autors nicht als selbstständige Publikation. Es wurde posthum, zwischen 1832 und 1834, als Bde. 1-3 der "Hinterlassenen Werke des Generals Carl von Clausewitz" von dessen Witwe Marie von Clausewitz herausgegeben.
Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/80>, abgerufen am 23.11.2024.
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