das natürliche Ziel aller einzelnen Feldzugspläne der Wen- depunkt des Angriffs zur Vertheidigung.
Nun ist aber das Überschreiten dieses Zieles nicht etwa bloß eine unnütze Kraftanstrengung die keinen Erfolg mehr giebt, sondern eine verderbliche welche Rückschläge verursacht, und diese Rückschläge sind nach einer ganz allgemeinen Erfahrung immer von unverhältniß- mäßiger Wirkung. Diese letztere Erscheinung ist so allge- mein, scheint so naturgemäß und dem inneren Menschen verständlich, daß wir uns überheben können die Ursachen davon umständlich anzugeben. Mangel an Einrichtung in dem eben eroberten Lande, und der starke Gegensatz, welchen ein bedeutender Verlust gegen den erwarteten neuen Erfolg in den Gemüthern bildet, sind in jedem Fall die haupt- sächlichsten. Die moralischen Kräfte, Ermuthigung auf der einen Seite, die oft bis zum Übermuth steigt, Nieder- geschlagenheit auf der andern bekommen hier gewöhnlich ein ungewöhnlich lebhaftes Spiel. Die Verluste beim Rückzug werden dadurch größer, und man dankt in der Regel dem Himmel, wenn man mit der Rückgabe des Eroberten davon kommt ohne Einbuße vom eigenen Lande zu leiden.
Hier müssen wir einen anscheinenden Widerspruch beseitigen, welcher sich zu ergeben scheint.
Man sollte nämlich glauben, daß so lange das Vor- schreiten im Angriff seinen Fortgang hat, auch noch Über- legenheit vorhanden sei, und da die Vertheidigung welche am Ende der Siegeslaufbahn eintritt, eine stärkere Form des Krieges ist als der Angriff, so sei um so weniger Gefahr daß man unversehens der Schwächere werde. Und doch ist dem also, und wir müssen, wenn wir die Geschichte im Auge
III 6
das natuͤrliche Ziel aller einzelnen Feldzugsplaͤne der Wen- depunkt des Angriffs zur Vertheidigung.
Nun iſt aber das Überſchreiten dieſes Zieles nicht etwa bloß eine unnuͤtze Kraftanſtrengung die keinen Erfolg mehr giebt, ſondern eine verderbliche welche Ruͤckſchlaͤge verurſacht, und dieſe Ruͤckſchlaͤge ſind nach einer ganz allgemeinen Erfahrung immer von unverhaͤltniß- maͤßiger Wirkung. Dieſe letztere Erſcheinung iſt ſo allge- mein, ſcheint ſo naturgemaͤß und dem inneren Menſchen verſtaͤndlich, daß wir uns uͤberheben koͤnnen die Urſachen davon umſtaͤndlich anzugeben. Mangel an Einrichtung in dem eben eroberten Lande, und der ſtarke Gegenſatz, welchen ein bedeutender Verluſt gegen den erwarteten neuen Erfolg in den Gemuͤthern bildet, ſind in jedem Fall die haupt- ſaͤchlichſten. Die moraliſchen Kraͤfte, Ermuthigung auf der einen Seite, die oft bis zum Übermuth ſteigt, Nieder- geſchlagenheit auf der andern bekommen hier gewoͤhnlich ein ungewoͤhnlich lebhaftes Spiel. Die Verluſte beim Ruͤckzug werden dadurch groͤßer, und man dankt in der Regel dem Himmel, wenn man mit der Ruͤckgabe des Eroberten davon kommt ohne Einbuße vom eigenen Lande zu leiden.
Hier muͤſſen wir einen anſcheinenden Widerſpruch beſeitigen, welcher ſich zu ergeben ſcheint.
Man ſollte naͤmlich glauben, daß ſo lange das Vor- ſchreiten im Angriff ſeinen Fortgang hat, auch noch Über- legenheit vorhanden ſei, und da die Vertheidigung welche am Ende der Siegeslaufbahn eintritt, eine ſtaͤrkere Form des Krieges iſt als der Angriff, ſo ſei um ſo weniger Gefahr daß man unverſehens der Schwaͤchere werde. Und doch iſt dem alſo, und wir muͤſſen, wenn wir die Geſchichte im Auge
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das natuͤrliche Ziel aller einzelnen Feldzugsplaͤne der Wen-
depunkt des Angriffs zur Vertheidigung.
Nun iſt aber das Überſchreiten dieſes Zieles nicht
etwa bloß eine unnuͤtze Kraftanſtrengung die keinen
Erfolg mehr giebt, ſondern eine verderbliche welche
Ruͤckſchlaͤge verurſacht, und dieſe Ruͤckſchlaͤge ſind nach
einer ganz allgemeinen Erfahrung immer von unverhaͤltniß-
maͤßiger Wirkung. Dieſe letztere Erſcheinung iſt ſo allge-
mein, ſcheint ſo naturgemaͤß und dem inneren Menſchen
verſtaͤndlich, daß wir uns uͤberheben koͤnnen die Urſachen
davon umſtaͤndlich anzugeben. Mangel an Einrichtung in
dem eben eroberten Lande, und der ſtarke Gegenſatz, welchen
ein bedeutender Verluſt gegen den erwarteten neuen Erfolg
in den Gemuͤthern bildet, ſind in jedem Fall die haupt-
ſaͤchlichſten. Die moraliſchen Kraͤfte, Ermuthigung auf
der einen Seite, die oft bis zum Übermuth ſteigt, Nieder-
geſchlagenheit auf der andern bekommen hier gewoͤhnlich
ein ungewoͤhnlich lebhaftes Spiel. Die Verluſte beim
Ruͤckzug werden dadurch groͤßer, und man dankt in der
Regel dem Himmel, wenn man mit der Ruͤckgabe des
Eroberten davon kommt ohne Einbuße vom eigenen Lande
zu leiden.
Hier muͤſſen wir einen anſcheinenden Widerſpruch
beſeitigen, welcher ſich zu ergeben ſcheint.
Man ſollte naͤmlich glauben, daß ſo lange das Vor-
ſchreiten im Angriff ſeinen Fortgang hat, auch noch Über-
legenheit vorhanden ſei, und da die Vertheidigung welche
am Ende der Siegeslaufbahn eintritt, eine ſtaͤrkere Form
des Krieges iſt als der Angriff, ſo ſei um ſo weniger
Gefahr daß man unverſehens der Schwaͤchere werde. Und doch
iſt dem alſo, und wir muͤſſen, wenn wir die Geſchichte im Auge
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten des Autors nicht als selbstständige Publikation. Es wurde posthum, zwischen 1832 und 1834, als Bde. 1-3 der "Hinterlassenen Werke des Generals Carl von Clausewitz" von dessen Witwe Marie von Clausewitz herausgegeben.
Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/95>, abgerufen am 23.11.2024.
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