p1c_069.001 dergleichen grausende Mährchen mit Lust? Deswegen, p1c_069.002 weil der menschliche Geist doch auch hierbey seine Freyheit p1c_069.003 fühlt, das Entsetzliche in's Auge zu fassen, den Tod und p1c_069.004 die Vernichtung vor sich lebendig werden zu lassen. Es ist p1c_069.005 hier nicht von einem Aristotelischen Vergnügen an Nachahmung, p1c_069.006 nicht blos von einer Pythagorischen Katharsis in p1c_069.007 Absicht auf die Affekten die Rede. Man weidet sich an p1c_069.008 dem Grausenden, das man am Ende doch nur als eine leere p1c_069.009 Phantasie ansieht, weil man selbst in der Vorstellung des p1c_069.010 Nichtseyns, immer noch die Thätigkeit seiner Vorstellkraft p1c_069.011 empfindet, weil man einer gewissen Schöpfermacht sich bewußt p1c_069.012 wird, die weit über alle Schranken der Natur hervorragt. p1c_069.013 Nach den Gesetzen einer geistigen Elastizität ruft der höchste p1c_069.014 Grad des Schauderns unser ganzes Leben auf, sich demselben p1c_069.015 entgegenzusetzen, und aus den untersten Tiefen niederdrückender p1c_069.016 Verzweiflung hebt uns oft plötzlich der glühendste p1c_069.017 Glaube.
p1c_069.018 §. 7.
p1c_069.019 Das höhere Schöne hat seine Analogieen in p1c_069.020 der Sinnenwelt, so gut, wie das niedere. Diesen p1c_069.021 Analogieen zu Folge, bekommt es von sinnlichen Gegenständen p1c_069.022 besondere Nahmen, die nachher figürlich p1c_069.023 auf das geistige übergetragen werden. Wir wollen p1c_069.024 das höhere Schöne groß nennen, wenn der
p1c_069.001 dergleichen grausende Mährchen mit Lust? Deswegen, p1c_069.002 weil der menschliche Geist doch auch hierbey seine Freyheit p1c_069.003 fühlt, das Entsetzliche in's Auge zu fassen, den Tod und p1c_069.004 die Vernichtung vor sich lebendig werden zu lassen. Es ist p1c_069.005 hier nicht von einem Aristotelischen Vergnügen an Nachahmung, p1c_069.006 nicht blos von einer Pythagorischen Καθαρσις in p1c_069.007 Absicht auf die Affekten die Rede. Man weidet sich an p1c_069.008 dem Grausenden, das man am Ende doch nur als eine leere p1c_069.009 Phantasie ansieht, weil man selbst in der Vorstellung des p1c_069.010 Nichtseyns, immer noch die Thätigkeit seiner Vorstellkraft p1c_069.011 empfindet, weil man einer gewissen Schöpfermacht sich bewußt p1c_069.012 wird, die weit über alle Schranken der Natur hervorragt. p1c_069.013 Nach den Gesetzen einer geistigen Elastizität ruft der höchste p1c_069.014 Grad des Schauderns unser ganzes Leben auf, sich demselben p1c_069.015 entgegenzusetzen, und aus den untersten Tiefen niederdrückender p1c_069.016 Verzweiflung hebt uns oft plötzlich der glühendste p1c_069.017 Glaube.
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p1c_069.019 Das höhere Schöne hat seine Analogieen in p1c_069.020 der Sinnenwelt, so gut, wie das niedere. Diesen p1c_069.021 Analogieen zu Folge, bekommt es von sinnlichen Gegenständen p1c_069.022 besondere Nahmen, die nachher figürlich p1c_069.023 auf das geistige übergetragen werden. Wir wollen p1c_069.024 das höhere Schöne groß nennen, wenn der
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Das höhere Schöne hat seine Analogieen in p1c_069.020
der Sinnenwelt, so gut, wie das niedere. Diesen p1c_069.021
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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/127>, abgerufen am 23.11.2024.
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