p1c_108.001 "Die unbedingte Nothwendigkeit, die wir als den letzten p1c_108.002 Träger aller Dinge so unentbehrlich bedürfen, ist der wahre p1c_108.003 Abgrund für die menschliche Vernunft. Selbst die Ewigkeit, p1c_108.004 so schauderhaft erhaben sie auch ein Haller schildern p1c_108.005 mag, macht lange den schwindelichten Eindruck nicht auf p1c_108.006 das Gemüth. Denn sie mißt nur die Dauer der Dinge, p1c_108.007 aber sie trägt sie nicht. Man kann sich des Gedankens p1c_108.008 nicht erwehren, man kann ihn aber auch nicht ertragen, p1c_108.009 daß ein Wesen, welches wir uns auch als das höchste unter p1c_108.010 allen möglichen vorstellen, gleichsam zu sich selbst sage: p1c_108.011 Jch bin von Ewigkeit zu Ewigkeit, außer mir ist nichts, p1c_108.012 ohne das, was blos durch meinen Willen etwas ist, aber p1c_108.013 woher bin ich denn? Hier sinkt alles unter uns, und die p1c_108.014 größte Vollkommenheit, wie die kleinste, schwebt ohne Haltung p1c_108.015 blos vor der spekulativen Vernunft, der es nichts kostet, p1c_108.016 die eine so wie die andere ohne die mindeste Hinderniß verschwinden p1c_108.017 zu lassen." (Hier wird das Urnothwendige, die p1c_108.018 Kraft erst gesetzt und durch eine starke Frage plötzlich aufgehoben. p1c_108.019 Dynamisch größer und für das Gefühl stärker dagegen p1c_108.020 ist die andere berühmte Stelle des großen Philosophen:) p1c_108.021 "Zwey Dinge erfüllen das Gemüth mit immer neuer und p1c_108.022 zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und p1c_108.023 anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: Der p1c_108.024 bestirnte Himmel über mir, und das moralische Gesetz in p1c_108.025 mir. - - Der erste Anblick einer zahllosen Weltenmenge p1c_108.026 vernichtet gleichsam meine Wichtigkeit, als eines thierischen p1c_108.027 Geschöpfs, das die Materie, daraus es ward, dem Planeten p1c_108.028 (einem bloßen Punkte im Weltall) wieder zurück geben
p1c_108.001 „Die unbedingte Nothwendigkeit, die wir als den letzten p1c_108.002 Träger aller Dinge so unentbehrlich bedürfen, ist der wahre p1c_108.003 Abgrund für die menschliche Vernunft. Selbst die Ewigkeit, p1c_108.004 so schauderhaft erhaben sie auch ein Haller schildern p1c_108.005 mag, macht lange den schwindelichten Eindruck nicht auf p1c_108.006 das Gemüth. Denn sie mißt nur die Dauer der Dinge, p1c_108.007 aber sie trägt sie nicht. Man kann sich des Gedankens p1c_108.008 nicht erwehren, man kann ihn aber auch nicht ertragen, p1c_108.009 daß ein Wesen, welches wir uns auch als das höchste unter p1c_108.010 allen möglichen vorstellen, gleichsam zu sich selbst sage: p1c_108.011 Jch bin von Ewigkeit zu Ewigkeit, außer mir ist nichts, p1c_108.012 ohne das, was blos durch meinen Willen etwas ist, aber p1c_108.013 woher bin ich denn? Hier sinkt alles unter uns, und die p1c_108.014 größte Vollkommenheit, wie die kleinste, schwebt ohne Haltung p1c_108.015 blos vor der spekulativen Vernunft, der es nichts kostet, p1c_108.016 die eine so wie die andere ohne die mindeste Hinderniß verschwinden p1c_108.017 zu lassen.“ (Hier wird das Urnothwendige, die p1c_108.018 Kraft erst gesetzt und durch eine starke Frage plötzlich aufgehoben. p1c_108.019 Dynamisch größer und für das Gefühl stärker dagegen p1c_108.020 ist die andere berühmte Stelle des großen Philosophen:) p1c_108.021 „Zwey Dinge erfüllen das Gemüth mit immer neuer und p1c_108.022 zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und p1c_108.023 anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: Der p1c_108.024 bestirnte Himmel über mir, und das moralische Gesetz in p1c_108.025 mir. ─ ─ Der erste Anblick einer zahllosen Weltenmenge p1c_108.026 vernichtet gleichsam meine Wichtigkeit, als eines thierischen p1c_108.027 Geschöpfs, das die Materie, daraus es ward, dem Planeten p1c_108.028 (einem bloßen Punkte im Weltall) wieder zurück geben
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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/166>, abgerufen am 23.11.2024.
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