Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite

p1c_122.001
jede Pflanze, wogt und neigt euch zum Zeichen eurer Andacht. p1c_122.002
Quellen und ihr, die ihr girrt, so wie ihr fließt, p1c_122.003
in melodischem Murmeln, tönt girrend sein Lob. Einigt p1c_122.004
eure Stimmen, all ihr lebendigen Seelen, Vögel, die ihr p1c_122.005
singend euch erhebt, zu den Pforten des Himmels, tragt p1c_122.006
empor auf euren Fittichen und in euren Silbermelodieen den p1c_122.007
Preis des Schöpfers. Jhr alle, die ihr die Wasser durchgleitet p1c_122.008
und wandelt über die Erde mit festem Tritt oder p1c_122.009
niedrigem Kriechen, bezeugts, ob je des Menschenpaares p1c_122.010
fromme Zunge schweigt. Seyd Zeugen, ihr alle, unsres p1c_122.011
Lieds, auf Hügeln, im Thal, am Quell und an frischen p1c_122.012
Schatten, wie wir segnen die Morgensterne mit unserm p1c_122.013
Gebet und die Stille des Abends, wie den Wäldern wir p1c_122.014
lehren den Feyergesang und sie lehren den Preis des Ew'gen. p1c_122.015
Heil, heil, o Herr des allgemeinen Reichs, o Herr unser p1c_122.016
aller! Sey gnädig uns zu geben noch jedes Gut, und hat p1c_122.017
die Nacht wo aufgestört ein Unheil oder ausgebrütet, zerstreu' p1c_122.018
es, wie dein Licht die Finsterniß zerstreut." - Also p1c_122.019
beteten diese Unschuldigen und zu ihren Gedanken kehrte p1c_122.020
zurück der feste Friede, die gewohnte Ruhe. Und itzt eilten p1c_122.021
sie durch Thau und Blumen zu ihrer ländlichen Morgenarbeit." p1c_122.022
- Hier ist so viel Herrlichkeit in der Beschreibung, p1c_122.023
daß es der Phantasie schwer wird, das Ganze zu fassen, p1c_122.024
aber durch die Bitte am Schluß endet das Große im Erhabenen. p1c_122.025
- Viele Psalmen Davids, z. B. der 104te, auch p1c_122.026
andere morgenländische Hymnen, sind in dieser Empfindung p1c_122.027
gedichtet. Hierher gehört auch das herrliche Gedicht Gott p1c_122.028
im Halladat oder dem rothen Buche, besonders die Stelle:

p1c_122.001
jede Pflanze, wogt und neigt euch zum Zeichen eurer Andacht. p1c_122.002
Quellen und ihr, die ihr girrt, so wie ihr fließt, p1c_122.003
in melodischem Murmeln, tönt girrend sein Lob. Einigt p1c_122.004
eure Stimmen, all ihr lebendigen Seelen, Vögel, die ihr p1c_122.005
singend euch erhebt, zu den Pforten des Himmels, tragt p1c_122.006
empor auf euren Fittichen und in euren Silbermelodieen den p1c_122.007
Preis des Schöpfers. Jhr alle, die ihr die Wasser durchgleitet p1c_122.008
und wandelt über die Erde mit festem Tritt oder p1c_122.009
niedrigem Kriechen, bezeugts, ob je des Menschenpaares p1c_122.010
fromme Zunge schweigt. Seyd Zeugen, ihr alle, unsres p1c_122.011
Lieds, auf Hügeln, im Thal, am Quell und an frischen p1c_122.012
Schatten, wie wir segnen die Morgensterne mit unserm p1c_122.013
Gebet und die Stille des Abends, wie den Wäldern wir p1c_122.014
lehren den Feyergesang und sie lehren den Preis des Ew'gen. p1c_122.015
Heil, heil, o Herr des allgemeinen Reichs, o Herr unser p1c_122.016
aller! Sey gnädig uns zu geben noch jedes Gut, und hat p1c_122.017
die Nacht wo aufgestört ein Unheil oder ausgebrütet, zerstreu' p1c_122.018
es, wie dein Licht die Finsterniß zerstreut.“ ─ Also p1c_122.019
beteten diese Unschuldigen und zu ihren Gedanken kehrte p1c_122.020
zurück der feste Friede, die gewohnte Ruhe. Und itzt eilten p1c_122.021
sie durch Thau und Blumen zu ihrer ländlichen Morgenarbeit.“ p1c_122.022
─ Hier ist so viel Herrlichkeit in der Beschreibung, p1c_122.023
daß es der Phantasie schwer wird, das Ganze zu fassen, p1c_122.024
aber durch die Bitte am Schluß endet das Große im Erhabenen. p1c_122.025
─ Viele Psalmen Davids, z. B. der 104te, auch p1c_122.026
andere morgenländische Hymnen, sind in dieser Empfindung p1c_122.027
gedichtet. Hierher gehört auch das herrliche Gedicht Gott p1c_122.028
im Halladat oder dem rothen Buche, besonders die Stelle:

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0180" n="122"/><lb n="p1c_122.001"/>
jede Pflanze, wogt und neigt euch zum Zeichen eurer Andacht. <lb n="p1c_122.002"/>
Quellen und ihr, die ihr girrt, so wie ihr fließt, <lb n="p1c_122.003"/>
in melodischem Murmeln, tönt girrend sein Lob. Einigt <lb n="p1c_122.004"/>
eure Stimmen, all ihr lebendigen Seelen, Vögel, die ihr <lb n="p1c_122.005"/>
singend euch erhebt, zu den Pforten des Himmels, tragt <lb n="p1c_122.006"/>
empor auf euren Fittichen und in euren Silbermelodieen den <lb n="p1c_122.007"/>
Preis des Schöpfers. Jhr alle, die ihr die Wasser durchgleitet <lb n="p1c_122.008"/>
und wandelt über die Erde mit festem Tritt oder <lb n="p1c_122.009"/>
niedrigem Kriechen, bezeugts, ob je des Menschenpaares <lb n="p1c_122.010"/>
fromme Zunge schweigt. Seyd Zeugen, ihr alle, unsres <lb n="p1c_122.011"/>
Lieds, auf Hügeln, im Thal, am Quell und an frischen <lb n="p1c_122.012"/>
Schatten, wie wir segnen die Morgensterne mit unserm <lb n="p1c_122.013"/>
Gebet und die Stille des Abends, wie den Wäldern wir <lb n="p1c_122.014"/>
lehren den Feyergesang und sie lehren den Preis des Ew'gen. <lb n="p1c_122.015"/>
Heil, heil, o Herr des allgemeinen Reichs, o Herr unser <lb n="p1c_122.016"/>
aller! Sey gnädig uns zu geben noch jedes Gut, und hat <lb n="p1c_122.017"/>
die Nacht wo aufgestört ein Unheil oder ausgebrütet, zerstreu' <lb n="p1c_122.018"/>
es, wie dein Licht die Finsterniß zerstreut.&#x201C; &#x2500; Also <lb n="p1c_122.019"/>
beteten diese Unschuldigen und zu ihren Gedanken kehrte <lb n="p1c_122.020"/>
zurück der feste Friede, die gewohnte Ruhe. Und itzt eilten <lb n="p1c_122.021"/>
sie durch Thau und Blumen zu ihrer ländlichen Morgenarbeit.&#x201C; <lb n="p1c_122.022"/>
&#x2500; Hier ist so viel Herrlichkeit in der Beschreibung, <lb n="p1c_122.023"/>
daß es der Phantasie schwer wird, das Ganze zu fassen, <lb n="p1c_122.024"/>
aber durch die Bitte am Schluß endet das Große im Erhabenen. <lb n="p1c_122.025"/>
&#x2500; Viele Psalmen Davids, z. B. der 104te, auch <lb n="p1c_122.026"/>
andere morgenländische Hymnen, sind in dieser Empfindung <lb n="p1c_122.027"/>
gedichtet. Hierher gehört auch das herrliche Gedicht Gott <lb n="p1c_122.028"/>
im Halladat oder dem rothen Buche, besonders die Stelle:
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[122/0180] p1c_122.001 jede Pflanze, wogt und neigt euch zum Zeichen eurer Andacht. p1c_122.002 Quellen und ihr, die ihr girrt, so wie ihr fließt, p1c_122.003 in melodischem Murmeln, tönt girrend sein Lob. Einigt p1c_122.004 eure Stimmen, all ihr lebendigen Seelen, Vögel, die ihr p1c_122.005 singend euch erhebt, zu den Pforten des Himmels, tragt p1c_122.006 empor auf euren Fittichen und in euren Silbermelodieen den p1c_122.007 Preis des Schöpfers. Jhr alle, die ihr die Wasser durchgleitet p1c_122.008 und wandelt über die Erde mit festem Tritt oder p1c_122.009 niedrigem Kriechen, bezeugts, ob je des Menschenpaares p1c_122.010 fromme Zunge schweigt. Seyd Zeugen, ihr alle, unsres p1c_122.011 Lieds, auf Hügeln, im Thal, am Quell und an frischen p1c_122.012 Schatten, wie wir segnen die Morgensterne mit unserm p1c_122.013 Gebet und die Stille des Abends, wie den Wäldern wir p1c_122.014 lehren den Feyergesang und sie lehren den Preis des Ew'gen. p1c_122.015 Heil, heil, o Herr des allgemeinen Reichs, o Herr unser p1c_122.016 aller! Sey gnädig uns zu geben noch jedes Gut, und hat p1c_122.017 die Nacht wo aufgestört ein Unheil oder ausgebrütet, zerstreu' p1c_122.018 es, wie dein Licht die Finsterniß zerstreut.“ ─ Also p1c_122.019 beteten diese Unschuldigen und zu ihren Gedanken kehrte p1c_122.020 zurück der feste Friede, die gewohnte Ruhe. Und itzt eilten p1c_122.021 sie durch Thau und Blumen zu ihrer ländlichen Morgenarbeit.“ p1c_122.022 ─ Hier ist so viel Herrlichkeit in der Beschreibung, p1c_122.023 daß es der Phantasie schwer wird, das Ganze zu fassen, p1c_122.024 aber durch die Bitte am Schluß endet das Große im Erhabenen. p1c_122.025 ─ Viele Psalmen Davids, z. B. der 104te, auch p1c_122.026 andere morgenländische Hymnen, sind in dieser Empfindung p1c_122.027 gedichtet. Hierher gehört auch das herrliche Gedicht Gott p1c_122.028 im Halladat oder dem rothen Buche, besonders die Stelle:

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/180
Zitationshilfe: Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/180>, abgerufen am 23.11.2024.