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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804.

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Anmerk. 5. Wir haben gesehen, daß die Gränzen p1c_149.002
der verschiedenen Untergattungen des höhern Schönen p1c_149.003
sehr in einander laufen. Es kommt, will man einen Gedanken p1c_149.004
benennen, alles auf die überwiegende Hauptidee an. p1c_149.005
Ungeachtet die Benennungen nach Analogieen der Sinnenwelt, p1c_149.006
mithin zufällig gemacht scheinen, so thut sich doch p1c_149.007
bald bey Classifikation der ästhetischen Empfindungen eine p1c_149.008
gewisse logische Harmonie mit den Vernunftanlagen p1c_149.009
kund. Wir haben, als von Eintheilung der Philosophie p1c_149.010
die Rede war, bemerkt, und Kant, der p1c_149.011
scharfsinnige Anatom des menschlichen Erkenntnißvermögens, p1c_149.012
hat es zuerst bestimmt dargethan, daß sich alle Betrachtung p1c_149.013
der Dinge auf vier Rücksichten zurückführen lasse. p1c_149.014
Die Vernunft, welche zu allen diesen Rücksichten des bedingten p1c_149.015
Verstandes die volle Totalität, das Absolute, Unbedingte p1c_149.016
hinzu zu thun strebt, verlangt also eine absolute p1c_149.017
Quantität, Qualität, Causalität, und ein absolutes Bewußtseyn. p1c_149.018
Diese geforderte vierfache ideale Unbedingtheit p1c_149.019
kann in der Sphäre der Erscheinungswelt nie realisirt werden. p1c_149.020
Aber ein Wiederschein von ihr kann entstehen im p1c_149.021
Schönen, der, wiewohl begrifflos, mehr an die eine, als p1c_149.022
an die andere Vernunftidee erinnert. So entstehen vier p1c_149.023
ästhetische Empfindungen des höhern Schönen, erstlich p1c_149.024
eine Ahnung von unendlicher äußerer Realität, absoluter p1c_149.025
allmächtiger, d. h. unendlicher Causalität im Heftigen, p1c_149.026
dann eine Reflexion über die Grundkraft, die sich im Heftigen p1c_149.027
bewegt, eine Ahnung des absoluten Wesens, der p1c_149.028
innern absoluten realen Beschaffenheit, Substantialität im

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Anmerk. 5. Wir haben gesehen, daß die Gränzen p1c_149.002
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sehr in einander laufen. Es kommt, will man einen Gedanken p1c_149.004
benennen, alles auf die überwiegende Hauptidee an. p1c_149.005
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scharfsinnige Anatom des menschlichen Erkenntnißvermögens, p1c_149.012
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Verstandes die volle Totalität, das Absolute, Unbedingte p1c_149.016
hinzu zu thun strebt, verlangt also eine absolute p1c_149.017
Quantität, Qualität, Causalität, und ein absolutes Bewußtseyn. p1c_149.018
Diese geforderte vierfache ideale Unbedingtheit p1c_149.019
kann in der Sphäre der Erscheinungswelt nie realisirt werden. p1c_149.020
Aber ein Wiederschein von ihr kann entstehen im p1c_149.021
Schönen, der, wiewohl begrifflos, mehr an die eine, als p1c_149.022
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Zitationshilfe: Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/207>, abgerufen am 11.05.2024.