p1c_245.001 also eben sowohl von der Natur und ihrem Jnstinkt, als von p1c_245.002 der nach und nach sich zeigenden freyen Willkühr des Menschen. p1c_245.003 Ueberdem ist die Sprache als Ton ganz von der p1c_245.004 Natur bestimmt. Da die Dichtkunst einen musikalischenp1c_245.005 Theil hat, welcher ohne alle Convenzion auf alle Völker p1c_245.006 wirken muß, so halten ihre Zeichen das Mittel zwischen p1c_245.007 Natur und Willkühr. Man kann also nicht sagen, daß p1c_245.008 die Dichtkunst sich blos willkührlicher Zeichen bediene.
p1c_245.009 §. 2.
p1c_245.010 Die Sprache hat einen doppelten Theil, da p1c_245.011 sie aus Tonzeichen besteht. Schon der Ton allein p1c_245.012 bezeichnet Empfindungen bey allen Völkern und spricht p1c_245.013 zur Empfindung. Aber der willkührlich bestimmte p1c_245.014 artikulirte Ton theilt für den Verstand bestimmbare p1c_245.015 Gedanken, Jdeen und Begriffe mit. Die dichterische p1c_245.016 Sprache, die das Schöne darstellen p1c_245.017 will, und sich dadurch von der Prosa unterscheidet, p1c_245.018 welche als Hauptzweck hat, das mitzutheilen, was p1c_245.019 erkennbar ist, benutzt beyde Mittel. Die dichterischep1c_245.020 Sprache muß also in doppelter Rücksicht p1c_245.021 betrachtet werden, erstens nach ihrem logischen,p1c_245.022 zweytens nach ihrem musikalischen Wesen.
p1c_245.023 Anmerk. 1. Der Unterschied der Prosa von der p1c_245.024 Poesie ist durch das Schöne und Erkennbare nothwendig
p1c_245.001 also eben sowohl von der Natur und ihrem Jnstinkt, als von p1c_245.002 der nach und nach sich zeigenden freyen Willkühr des Menschen. p1c_245.003 Ueberdem ist die Sprache als Ton ganz von der p1c_245.004 Natur bestimmt. Da die Dichtkunst einen musikalischenp1c_245.005 Theil hat, welcher ohne alle Convenzion auf alle Völker p1c_245.006 wirken muß, so halten ihre Zeichen das Mittel zwischen p1c_245.007 Natur und Willkühr. Man kann also nicht sagen, daß p1c_245.008 die Dichtkunst sich blos willkührlicher Zeichen bediene.
p1c_245.009 §. 2.
p1c_245.010 Die Sprache hat einen doppelten Theil, da p1c_245.011 sie aus Tonzeichen besteht. Schon der Ton allein p1c_245.012 bezeichnet Empfindungen bey allen Völkern und spricht p1c_245.013 zur Empfindung. Aber der willkührlich bestimmte p1c_245.014 artikulirte Ton theilt für den Verstand bestimmbare p1c_245.015 Gedanken, Jdeen und Begriffe mit. Die dichterische p1c_245.016 Sprache, die das Schöne darstellen p1c_245.017 will, und sich dadurch von der Prosa unterscheidet, p1c_245.018 welche als Hauptzweck hat, das mitzutheilen, was p1c_245.019 erkennbar ist, benutzt beyde Mittel. Die dichterischep1c_245.020 Sprache muß also in doppelter Rücksicht p1c_245.021 betrachtet werden, erstens nach ihrem logischen,p1c_245.022 zweytens nach ihrem musikalischen Wesen.
p1c_245.023 Anmerk. 1. Der Unterschied der Prosa von der p1c_245.024 Poesie ist durch das Schöne und Erkennbare nothwendig
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0303"n="245"/><lbn="p1c_245.001"/>
also eben sowohl von der Natur und ihrem Jnstinkt, als von <lbn="p1c_245.002"/>
der nach und nach sich zeigenden freyen Willkühr des Menschen. <lbn="p1c_245.003"/>
Ueberdem ist die <hirendition="#g">Sprache</hi> als <hirendition="#g">Ton</hi> ganz von der <lbn="p1c_245.004"/>
Natur bestimmt. Da die Dichtkunst einen <hirendition="#g">musikalischen</hi><lbn="p1c_245.005"/>
Theil hat, welcher ohne alle Convenzion auf alle Völker <lbn="p1c_245.006"/>
wirken muß, so halten ihre <hirendition="#g">Zeichen</hi> das <hirendition="#g">Mittel</hi> zwischen <lbn="p1c_245.007"/>
Natur und Willkühr. Man kann also nicht sagen, daß <lbn="p1c_245.008"/>
die Dichtkunst sich blos <hirendition="#g">willkührlicher</hi> Zeichen bediene.</p></div><divn="2"><head><hirendition="#c"><lbn="p1c_245.009"/>
§. 2. </hi></head><p><lbn="p1c_245.010"/>
Die <hirendition="#g">Sprache</hi> hat einen doppelten Theil, da <lbn="p1c_245.011"/>
sie aus <hirendition="#g">Tonzeichen</hi> besteht. Schon der <hirendition="#g">Ton</hi> allein <lbn="p1c_245.012"/>
bezeichnet Empfindungen bey allen Völkern und spricht <lbn="p1c_245.013"/>
zur Empfindung. Aber der <hirendition="#g">willkührlich</hi> bestimmte <lbn="p1c_245.014"/><hirendition="#g">artikulirte</hi> Ton theilt für den Verstand bestimmbare <lbn="p1c_245.015"/>
Gedanken, Jdeen und Begriffe mit. Die <hirendition="#g">dichterische <lbn="p1c_245.016"/>
Sprache,</hi> die das <hirendition="#g">Schöne</hi> darstellen <lbn="p1c_245.017"/>
will, und sich dadurch von der <hirendition="#g">Prosa</hi> unterscheidet, <lbn="p1c_245.018"/>
welche als <hirendition="#g">Hauptzweck</hi> hat, das mitzutheilen, was <lbn="p1c_245.019"/><hirendition="#g">erkennbar</hi> ist, benutzt <hirendition="#g">beyde</hi> Mittel. Die <hirendition="#g">dichterische</hi><lbn="p1c_245.020"/>
Sprache muß also in doppelter Rücksicht <lbn="p1c_245.021"/>
betrachtet werden, erstens nach ihrem <hirendition="#g">logischen,</hi><lbn="p1c_245.022"/>
zweytens nach ihrem <hirendition="#g">musikalischen</hi> Wesen.</p><p><lbn="p1c_245.023"/><hirendition="#g">Anmerk.</hi> 1. Der Unterschied der <hirendition="#g">Prosa</hi> von der <lbn="p1c_245.024"/><hirendition="#g">Poesie</hi> ist durch das <hirendition="#g">Schöne</hi> und <hirendition="#g">Erkennbare</hi> nothwendig
</p></div></div></body></text></TEI>
[245/0303]
p1c_245.001
also eben sowohl von der Natur und ihrem Jnstinkt, als von p1c_245.002
der nach und nach sich zeigenden freyen Willkühr des Menschen. p1c_245.003
Ueberdem ist die Sprache als Ton ganz von der p1c_245.004
Natur bestimmt. Da die Dichtkunst einen musikalischen p1c_245.005
Theil hat, welcher ohne alle Convenzion auf alle Völker p1c_245.006
wirken muß, so halten ihre Zeichen das Mittel zwischen p1c_245.007
Natur und Willkühr. Man kann also nicht sagen, daß p1c_245.008
die Dichtkunst sich blos willkührlicher Zeichen bediene.
p1c_245.009
§. 2. p1c_245.010
Die Sprache hat einen doppelten Theil, da p1c_245.011
sie aus Tonzeichen besteht. Schon der Ton allein p1c_245.012
bezeichnet Empfindungen bey allen Völkern und spricht p1c_245.013
zur Empfindung. Aber der willkührlich bestimmte p1c_245.014
artikulirte Ton theilt für den Verstand bestimmbare p1c_245.015
Gedanken, Jdeen und Begriffe mit. Die dichterische p1c_245.016
Sprache, die das Schöne darstellen p1c_245.017
will, und sich dadurch von der Prosa unterscheidet, p1c_245.018
welche als Hauptzweck hat, das mitzutheilen, was p1c_245.019
erkennbar ist, benutzt beyde Mittel. Die dichterische p1c_245.020
Sprache muß also in doppelter Rücksicht p1c_245.021
betrachtet werden, erstens nach ihrem logischen, p1c_245.022
zweytens nach ihrem musikalischen Wesen.
p1c_245.023
Anmerk. 1. Der Unterschied der Prosa von der p1c_245.024
Poesie ist durch das Schöne und Erkennbare nothwendig
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription.
(2015-09-30T09:54:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Weitere Informationen:
Bogensignaturen: keine Angabe;
Druckfehler: keine Angabe;
fremdsprachliches Material: gekennzeichnet;
Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;
Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage;
i/j in Fraktur: wie Vorlage;
I/J in Fraktur: wie Vorlage;
Kolumnentitel: nicht übernommen;
Kustoden: nicht übernommen;
langes s (ſ): wie Vorlage;
Normalisierungen: keine;
rundes r (ꝛ): wie Vorlage;
Seitenumbrüche markiert: ja;
Silbentrennung: nicht übernommen;
u/v bzw. U/V: wie Vorlage;
Vokale mit übergest. e: wie Vorlage;
Vollständigkeit: vollständig erfasst;
Zeichensetzung: wie Vorlage;
Zeilenumbrüche markiert: ja;
Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/303>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.