Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804.p2c_605.001 p2c_605.001 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0129" n="605"/><lb n="p2c_605.001"/> ist nicht, wie Batteux glaubt, die Hauptperson. Es ist <lb n="p2c_605.002"/> nämlich nicht nöthig, daß in der Epopöe der Hauptheld siege <lb n="p2c_605.003"/> und seinen Zweck erreiche. Ein <hi rendition="#g">Hauptheld</hi> muß indeß <lb n="p2c_605.004"/> immer da seyn, der sich durch Charakterstärke und bewundernswürdige <lb n="p2c_605.005"/> Eigenschaften auszeichne, um den sich die <lb n="p2c_605.006"/> große Begebenheit dreht, dem alle andre Charaktere untergeordnet <lb n="p2c_605.007"/> sind. Nur dadurch wird die große Begebenheit <lb n="p2c_605.008"/> concentrirt, so zu sagen personisizirt, bekömmt Einheit und <lb n="p2c_605.009"/> Jnteresse. Dieser Held muß, wenn wir mit ihm sympathisiren <lb n="p2c_605.010"/> sollen, Leidenschaften haben, im Kampf mit sich <lb n="p2c_605.011"/> selbst und dem Schicksal erscheinen, wie Achilles, nicht, <lb n="p2c_605.012"/> wie <hi rendition="#aq">pius Aeneas</hi>, blos eine Maschine des Dichters und der <lb n="p2c_605.013"/> Götter seyn. Die Handlung muß dadurch an Anschaulichkeit <lb n="p2c_605.014"/> gewinnen, daß alles auf dem Einen beruht. Der <lb n="p2c_605.015"/> Hauptheld der Jliade handelt zwar sehr lange gar nicht. <lb n="p2c_605.016"/> Sein Zorn ist aber doch die Ursache der ganzen Wendung, <lb n="p2c_605.017"/> welche die Dinge nehmen. Einige behaupten, Achill zürne <lb n="p2c_605.018"/> zu lange, sey zu lange unthätig. Allein nach dem Plane <lb n="p2c_605.019"/> des Gedichts, sollen die Folgen des <hi rendition="#g">Zorns</hi> dieses Helden <lb n="p2c_605.020"/> beschrieben werden. Dieß ist der <hi rendition="#g">Stoff</hi> des Gedichts. <lb n="p2c_605.021"/> Alles hängt davon ab, und folgt daraus, selbst der Tod des <lb n="p2c_605.022"/> Hectors. Mithin bleibt der Dichter seinem Gegenstande <lb n="p2c_605.023"/> ganz treu, wenn er den Achill lange ruhen läßt. Er will <lb n="p2c_605.024"/> nicht Achills Handlungen allein, er will die Folgen seiner <lb n="p2c_605.025"/> Unthätigkeit zeigen. Gerade daß er so lange hinter der <lb n="p2c_605.026"/> Szene bleibt, während andre Helden große Thaten verrichten, <lb n="p2c_605.027"/> daß man nur immer hört, Er sey noch größer als sie, <lb n="p2c_605.028"/> gerade dadurch wird die Erwartung gespannt. Jupiter </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [605/0129]
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ist nicht, wie Batteux glaubt, die Hauptperson. Es ist p2c_605.002
nämlich nicht nöthig, daß in der Epopöe der Hauptheld siege p2c_605.003
und seinen Zweck erreiche. Ein Hauptheld muß indeß p2c_605.004
immer da seyn, der sich durch Charakterstärke und bewundernswürdige p2c_605.005
Eigenschaften auszeichne, um den sich die p2c_605.006
große Begebenheit dreht, dem alle andre Charaktere untergeordnet p2c_605.007
sind. Nur dadurch wird die große Begebenheit p2c_605.008
concentrirt, so zu sagen personisizirt, bekömmt Einheit und p2c_605.009
Jnteresse. Dieser Held muß, wenn wir mit ihm sympathisiren p2c_605.010
sollen, Leidenschaften haben, im Kampf mit sich p2c_605.011
selbst und dem Schicksal erscheinen, wie Achilles, nicht, p2c_605.012
wie pius Aeneas, blos eine Maschine des Dichters und der p2c_605.013
Götter seyn. Die Handlung muß dadurch an Anschaulichkeit p2c_605.014
gewinnen, daß alles auf dem Einen beruht. Der p2c_605.015
Hauptheld der Jliade handelt zwar sehr lange gar nicht. p2c_605.016
Sein Zorn ist aber doch die Ursache der ganzen Wendung, p2c_605.017
welche die Dinge nehmen. Einige behaupten, Achill zürne p2c_605.018
zu lange, sey zu lange unthätig. Allein nach dem Plane p2c_605.019
des Gedichts, sollen die Folgen des Zorns dieses Helden p2c_605.020
beschrieben werden. Dieß ist der Stoff des Gedichts. p2c_605.021
Alles hängt davon ab, und folgt daraus, selbst der Tod des p2c_605.022
Hectors. Mithin bleibt der Dichter seinem Gegenstande p2c_605.023
ganz treu, wenn er den Achill lange ruhen läßt. Er will p2c_605.024
nicht Achills Handlungen allein, er will die Folgen seiner p2c_605.025
Unthätigkeit zeigen. Gerade daß er so lange hinter der p2c_605.026
Szene bleibt, während andre Helden große Thaten verrichten, p2c_605.027
daß man nur immer hört, Er sey noch größer als sie, p2c_605.028
gerade dadurch wird die Erwartung gespannt. Jupiter
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