Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804. p2c_622.001 p2c_622.002 p2c_622.017 p2c_622.001 p2c_622.002 p2c_622.017 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0146" n="622"/> <p> <hi rendition="#c"><lb n="p2c_622.001"/> §. 6.</hi> </p> <p><lb n="p2c_622.002"/> Da die <hi rendition="#g">Tragödie</hi> die Form des <hi rendition="#g">Dramas</hi> <lb n="p2c_622.003"/> annimmt, und zu dem Zwecke eingerichtet ist, vorgestellt <lb n="p2c_622.004"/> zu werden, so muß der <hi rendition="#g">Plan</hi> der Handlung <lb n="p2c_622.005"/> vorzüglich faßlich, dieselbe gut eingetheilt, und in jeder <lb n="p2c_622.006"/> Rücksicht vollkommen seyn. Das Kunstwerk muß in kurzer <lb n="p2c_622.007"/> <hi rendition="#g">Zeit</hi> vorgestellt werden, daher wird auch eine schnelle <lb n="p2c_622.008"/> Uebersicht desselben erfordert, und jeder Fehler weit leichter <lb n="p2c_622.009"/> gefühlt. Daher muß das überflüssige Episodische <lb n="p2c_622.010"/> vermieden, und der Verstand bey aller Anschaulichkeit <lb n="p2c_622.011"/> im Einzelnen immer auf die <hi rendition="#g">Einheit</hi> der Handlung <lb n="p2c_622.012"/> aufmerksam gemacht werden. Aus ähnlichem Grunde <lb n="p2c_622.013"/> wird die <hi rendition="#g">Einheit</hi> des <hi rendition="#g">Orts</hi> Vorzug eines guten <lb n="p2c_622.014"/> Trauerspiels seyn, zumal da sie dazu beyträgt, <lb n="p2c_622.015"/> das <hi rendition="#g">Ganze</hi> in einen Moment der Anschauung zu <lb n="p2c_622.016"/> concentriren.</p> <p><lb n="p2c_622.017"/><hi rendition="#g">Anmerk.</hi> Die sogenannten drey dramatischen Einheiten <lb n="p2c_622.018"/> sind allerdings Erfordernisse zu einem vollkommnen <lb n="p2c_622.019"/> Trauerspiele, wenn gleich dadurch das Trauerspiel noch <lb n="p2c_622.020"/> nicht schön wird. Es giebt große tragische Dichter, die sie <lb n="p2c_622.021"/> nicht beobachten, und schlechte, die sie beobachten. Die <lb n="p2c_622.022"/> Regel ist deshalb doch in der Natur der Sache gegründet. <lb n="p2c_622.023"/> Was 1) die <hi rendition="#g">Zeit</hi> betrifft, so darf eine Vorstellung nach <lb n="p2c_622.024"/> der Uebereinstimmung aller Dichter und Kritiker nicht viel <lb n="p2c_622.025"/> über drey Stunden dauern, weil sonst die Anfmerksamkeit </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [622/0146]
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§. 6.
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Da die Tragödie die Form des Dramas p2c_622.003
annimmt, und zu dem Zwecke eingerichtet ist, vorgestellt p2c_622.004
zu werden, so muß der Plan der Handlung p2c_622.005
vorzüglich faßlich, dieselbe gut eingetheilt, und in jeder p2c_622.006
Rücksicht vollkommen seyn. Das Kunstwerk muß in kurzer p2c_622.007
Zeit vorgestellt werden, daher wird auch eine schnelle p2c_622.008
Uebersicht desselben erfordert, und jeder Fehler weit leichter p2c_622.009
gefühlt. Daher muß das überflüssige Episodische p2c_622.010
vermieden, und der Verstand bey aller Anschaulichkeit p2c_622.011
im Einzelnen immer auf die Einheit der Handlung p2c_622.012
aufmerksam gemacht werden. Aus ähnlichem Grunde p2c_622.013
wird die Einheit des Orts Vorzug eines guten p2c_622.014
Trauerspiels seyn, zumal da sie dazu beyträgt, p2c_622.015
das Ganze in einen Moment der Anschauung zu p2c_622.016
concentriren.
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Anmerk. Die sogenannten drey dramatischen Einheiten p2c_622.018
sind allerdings Erfordernisse zu einem vollkommnen p2c_622.019
Trauerspiele, wenn gleich dadurch das Trauerspiel noch p2c_622.020
nicht schön wird. Es giebt große tragische Dichter, die sie p2c_622.021
nicht beobachten, und schlechte, die sie beobachten. Die p2c_622.022
Regel ist deshalb doch in der Natur der Sache gegründet. p2c_622.023
Was 1) die Zeit betrifft, so darf eine Vorstellung nach p2c_622.024
der Uebereinstimmung aller Dichter und Kritiker nicht viel p2c_622.025
über drey Stunden dauern, weil sonst die Anfmerksamkeit
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