Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804.p2c_786.001 p2c_786.001 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0310" n="786"/><lb n="p2c_786.001"/> den Götterkampf der Jliade, das eilfte Buch der Odyssee <lb n="p2c_786.002"/> u. s. w. ausnehmen. <hi rendition="#g">Aeschylus</hi> übertrifft hier den Homer <lb n="p2c_786.003"/> durch den Schatten des Darius, durch sein Furienchor <lb n="p2c_786.004"/> u. s. w. Allein wie weit bleibt Aeschylus hinter <hi rendition="#g">Shakespear</hi> <lb n="p2c_786.005"/> zurück, wie weit die Maschienerie des Homer hinter <lb n="p2c_786.006"/> der des Tasso, Dante und Milton. Die <hi rendition="#g">Religion</hi> hat <lb n="p2c_786.007"/> den Menschen einen Sinn aufgeschlossen, welcher den Alten <lb n="p2c_786.008"/> fremd war. Eine wohlthätige Nacht eröffnet das Auge der <lb n="p2c_786.009"/> Seele, und sie sieht Dinge, die sie mit dem Tod und allen <lb n="p2c_786.010"/> Schrecknissen des Jenseits vertraut machen. Freylich verliehrt <lb n="p2c_786.011"/> durch diese oft unerklärbare Maschienerie das Werk <lb n="p2c_786.012"/> der <hi rendition="#g">Neuern</hi> nicht selten an <hi rendition="#g">ästhetischer</hi> und <hi rendition="#g">logischer</hi> <lb n="p2c_786.013"/> Vollkommenheit. Aber es gewinnt für die Einbildungskraft <lb n="p2c_786.014"/> an Jnteresse. Die <hi rendition="#g">neuere</hi> Poesie gleicht hierinnen <lb n="p2c_786.015"/> einer minder regelmäßigen Schönheit, welche durch <lb n="p2c_786.016"/> einen tiefen Zug oft anziehender ist, als das vollkommenste <lb n="p2c_786.017"/> Gesicht. Endlich gewinnt auch die <hi rendition="#g">neue</hi> historische Poesie <lb n="p2c_786.018"/> zuweilen durch gewisse Contraste des komischen und tragischen, <lb n="p2c_786.019"/> des gemeinen und edeln, die sich die <hi rendition="#g">alte</hi> nicht erlaubt <lb n="p2c_786.020"/> haben würde, (ob sie gleich aus dem wirklichen Leben <lb n="p2c_786.021"/> im Zustande der Cultur aufgegriffen sind), und durch lebhaftere <lb n="p2c_786.022"/> Beschreibungen. Wenn man die Gleichnisse Ariosts, <lb n="p2c_786.023"/> Dantes und Homers gegen einander hält, so findet man in <lb n="p2c_786.024"/> den erstern Dichtern oft ein lebhaftes hervorstechendes Colorit, <lb n="p2c_786.025"/> das dem alten Griechen mangelt. Letzterer hält sich <lb n="p2c_786.026"/> nur an die Natur, selten daß er von einer besondern menschlichen <lb n="p2c_786.027"/> Erfindung, oder aus dem häuslichen Leben seine Bilder <lb n="p2c_786.028"/> hernimmt, auch sind dies dann nicht immer die glücklichsten </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [786/0310]
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den Götterkampf der Jliade, das eilfte Buch der Odyssee p2c_786.002
u. s. w. ausnehmen. Aeschylus übertrifft hier den Homer p2c_786.003
durch den Schatten des Darius, durch sein Furienchor p2c_786.004
u. s. w. Allein wie weit bleibt Aeschylus hinter Shakespear p2c_786.005
zurück, wie weit die Maschienerie des Homer hinter p2c_786.006
der des Tasso, Dante und Milton. Die Religion hat p2c_786.007
den Menschen einen Sinn aufgeschlossen, welcher den Alten p2c_786.008
fremd war. Eine wohlthätige Nacht eröffnet das Auge der p2c_786.009
Seele, und sie sieht Dinge, die sie mit dem Tod und allen p2c_786.010
Schrecknissen des Jenseits vertraut machen. Freylich verliehrt p2c_786.011
durch diese oft unerklärbare Maschienerie das Werk p2c_786.012
der Neuern nicht selten an ästhetischer und logischer p2c_786.013
Vollkommenheit. Aber es gewinnt für die Einbildungskraft p2c_786.014
an Jnteresse. Die neuere Poesie gleicht hierinnen p2c_786.015
einer minder regelmäßigen Schönheit, welche durch p2c_786.016
einen tiefen Zug oft anziehender ist, als das vollkommenste p2c_786.017
Gesicht. Endlich gewinnt auch die neue historische Poesie p2c_786.018
zuweilen durch gewisse Contraste des komischen und tragischen, p2c_786.019
des gemeinen und edeln, die sich die alte nicht erlaubt p2c_786.020
haben würde, (ob sie gleich aus dem wirklichen Leben p2c_786.021
im Zustande der Cultur aufgegriffen sind), und durch lebhaftere p2c_786.022
Beschreibungen. Wenn man die Gleichnisse Ariosts, p2c_786.023
Dantes und Homers gegen einander hält, so findet man in p2c_786.024
den erstern Dichtern oft ein lebhaftes hervorstechendes Colorit, p2c_786.025
das dem alten Griechen mangelt. Letzterer hält sich p2c_786.026
nur an die Natur, selten daß er von einer besondern menschlichen p2c_786.027
Erfindung, oder aus dem häuslichen Leben seine Bilder p2c_786.028
hernimmt, auch sind dies dann nicht immer die glücklichsten
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