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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804.

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man bey ihnen das höhere beschreibende Gedicht gar nicht. p2c_788.002
Jn der Jdylle muß man, aus oben angezeigten Gründen, p2c_788.003
den Alten den Vorzug lassen. Geßner giebt die p2c_788.004
Manier der neuern Jdylle an. Sie nähert sich aber bey p2c_788.005
ihm schon einer Gattung, welche für uns noch in der Zukunft p2c_788.006
liegt, der religiösen Jdylle. - Satyre und p2c_788.007
Epigramm, findet in dem Zustande der Kultur so viel p2c_788.008
Nahrung, daß die Neue Poesie hierinnen der Alten leicht p2c_788.009
den Preis abgewinnen kann. Jm didactischen und allegorischen p2c_788.010
Felde hat die Neue Poesie ihr eigentlichstes p2c_788.011
und originellstes Gebiet. Denn hier giebt ein philosophisches p2c_788.012
Zeitalter den meisten Stoff. Wir haben schon zu anderer p2c_788.013
Zeit bemerkt, daß hier noch manches unentdecktes unbenutztes p2c_788.014
Land liege. - Aus dieser kurzen pragmatischen p2c_788.015
Geschichte der Dichtkunst kann man das Resultat ziehn, daß p2c_788.016
der Unterschied der alten und neuen Poesie in nothwendigen p2c_788.017
psychologischen Ursachen gegründet sey. Jede von p2c_788.018
beyden hat ihre besondre originelle Richtung. Jn welchem p2c_788.019
Fache die eine Original ist, kann es die andre schlechterdings p2c_788.020
in dem Grade nicht seyn. Man sollte demnach die alte p2c_788.021
Poesie zwar immer als beschränkendes Muster zur Bildung p2c_788.022
des Geschmacks, nie aber als ein Muster, welches das p2c_788.023
schöpferische Genie zu Nachbildungen reizt, ansehn.

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Zitationshilfe: Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804, S. 788. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik02_1804/312>, abgerufen am 17.05.2024.