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Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896.

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Mit dieser einzigen Haupterscheinung der Differenzirung
oder Arbeitstheilung ist die Unklarheit und der Selbstwider-
spruch jenes Gesetzes der fortschreitenden Differenzirung ge-
kennzeichnet, vermittelst dessen man die Grundfrage der heutigen
Frauenbewegung lösen zu können meint.

Nicht nur fehlt ein Beweis dafür, daß jenes Gesetz der
natürlichen Welt ein Gesetz der historischen Entwickelung ist,
jede historische Betrachtung zeigt auch, daß gewisse Reihen von
Thatsachen regelmäßig im Völkerleben auftreten, unter denen
die einen die Differenzirung befördern, die anderen sie auf-
zuheben trachten. Es wäre abermals eine unhaltbare Ver-
allgemeinerung, wenn man von einem Gesetze historischer Ent-
wickelung sprechen wollte, das der Ausdruck einer constanten
Fortbewegung zur Aufhebung der Ungleichheit sein sollte. Aber
gewiß ist, daß die sociale Bewegung unseres Jahrhunderts
keinen Charakterzug hat, der ihr so sehr eigen ist, wie dieser.
Die Frage ist nur die, wie dieser Drang zur fortschreitenden
Milderung der überkommenen Ungleichheit der socialen Classen
oder die Verwirklichung der Jdee der Gleichheit in Einklang
zu setzen sei mit den entgegenstehenden Forderungen einer fort-
schreitenden Cultur. Und das ist im Allgemeinen dieselbe Frage,
wie im Besonderen die Frage der eigenthümlichen Reformen
im Gebiete der Frauenbewegung die ist, wie sich die neuen
Ansprüche des weiblichen Geschlechts auf erhöhte Bildung, auf
erweiterte Berufsgebiete gegenüber den bisher ausschließlich
männlichen Berufsarten erfüllen lassen; mit anderen Worten,
wie sich auch hier ein höherer Grad der Gleichheit durchsetzen
läßt, ohne jene Gebote der Sonderung, der Ungleichheit zu ver-
letzen, die gerade eine Stufe höherer Cultur setzt, damit die
verschiedenen Gaben zu ihrer besten Verwendung, damit die
Bedürfnisse der Gesammtheit zu ihrer vollen Befriedigung ge-

Mit dieser einzigen Haupterscheinung der Differenzirung
oder Arbeitstheilung ist die Unklarheit und der Selbstwider-
spruch jenes Gesetzes der fortschreitenden Differenzirung ge-
kennzeichnet, vermittelst dessen man die Grundfrage der heutigen
Frauenbewegung lösen zu können meint.

Nicht nur fehlt ein Beweis dafür, daß jenes Gesetz der
natürlichen Welt ein Gesetz der historischen Entwickelung ist,
jede historische Betrachtung zeigt auch, daß gewisse Reihen von
Thatsachen regelmäßig im Völkerleben auftreten, unter denen
die einen die Differenzirung befördern, die anderen sie auf-
zuheben trachten. Es wäre abermals eine unhaltbare Ver-
allgemeinerung, wenn man von einem Gesetze historischer Ent-
wickelung sprechen wollte, das der Ausdruck einer constanten
Fortbewegung zur Aufhebung der Ungleichheit sein sollte. Aber
gewiß ist, daß die sociale Bewegung unseres Jahrhunderts
keinen Charakterzug hat, der ihr so sehr eigen ist, wie dieser.
Die Frage ist nur die, wie dieser Drang zur fortschreitenden
Milderung der überkommenen Ungleichheit der socialen Classen
oder die Verwirklichung der Jdee der Gleichheit in Einklang
zu setzen sei mit den entgegenstehenden Forderungen einer fort-
schreitenden Cultur. Und das ist im Allgemeinen dieselbe Frage,
wie im Besonderen die Frage der eigenthümlichen Reformen
im Gebiete der Frauenbewegung die ist, wie sich die neuen
Ansprüche des weiblichen Geschlechts auf erhöhte Bildung, auf
erweiterte Berufsgebiete gegenüber den bisher ausschließlich
männlichen Berufsarten erfüllen lassen; mit anderen Worten,
wie sich auch hier ein höherer Grad der Gleichheit durchsetzen
läßt, ohne jene Gebote der Sonderung, der Ungleichheit zu ver-
letzen, die gerade eine Stufe höherer Cultur setzt, damit die
verschiedenen Gaben zu ihrer besten Verwendung, damit die
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[87/0103] Mit dieser einzigen Haupterscheinung der Differenzirung oder Arbeitstheilung ist die Unklarheit und der Selbstwider- spruch jenes Gesetzes der fortschreitenden Differenzirung ge- kennzeichnet, vermittelst dessen man die Grundfrage der heutigen Frauenbewegung lösen zu können meint. Nicht nur fehlt ein Beweis dafür, daß jenes Gesetz der natürlichen Welt ein Gesetz der historischen Entwickelung ist, jede historische Betrachtung zeigt auch, daß gewisse Reihen von Thatsachen regelmäßig im Völkerleben auftreten, unter denen die einen die Differenzirung befördern, die anderen sie auf- zuheben trachten. Es wäre abermals eine unhaltbare Ver- allgemeinerung, wenn man von einem Gesetze historischer Ent- wickelung sprechen wollte, das der Ausdruck einer constanten Fortbewegung zur Aufhebung der Ungleichheit sein sollte. Aber gewiß ist, daß die sociale Bewegung unseres Jahrhunderts keinen Charakterzug hat, der ihr so sehr eigen ist, wie dieser. Die Frage ist nur die, wie dieser Drang zur fortschreitenden Milderung der überkommenen Ungleichheit der socialen Classen oder die Verwirklichung der Jdee der Gleichheit in Einklang zu setzen sei mit den entgegenstehenden Forderungen einer fort- schreitenden Cultur. Und das ist im Allgemeinen dieselbe Frage, wie im Besonderen die Frage der eigenthümlichen Reformen im Gebiete der Frauenbewegung die ist, wie sich die neuen Ansprüche des weiblichen Geschlechts auf erhöhte Bildung, auf erweiterte Berufsgebiete gegenüber den bisher ausschließlich männlichen Berufsarten erfüllen lassen; mit anderen Worten, wie sich auch hier ein höherer Grad der Gleichheit durchsetzen läßt, ohne jene Gebote der Sonderung, der Ungleichheit zu ver- letzen, die gerade eine Stufe höherer Cultur setzt, damit die verschiedenen Gaben zu ihrer besten Verwendung, damit die Bedürfnisse der Gesammtheit zu ihrer vollen Befriedigung ge-

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Zitationshilfe: Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cohn_frauenbewegung_1896/103>, abgerufen am 04.12.2024.