Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896.Die Gewohnheit, sagt er, läßt die Menschen die Ver- Man wendet wohl ein, fährt Condorcet fort, daß keine Oder man sagt, daß die Frauen niemals von der Ver- Die Gewohnheit, sagt er, läßt die Menschen die Ver- Man wendet wohl ein, fährt Condorcet fort, daß keine Oder man sagt, daß die Frauen niemals von der Ver- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0106" n="90"/> <p>Die Gewohnheit, sagt er, läßt die Menschen die Ver-<lb/> gewaltigung ihrer natürlichen Rechte hinnehmen bis zu einem<lb/> Punkte, daß unter den derselben Beraubten Niemand daran<lb/> denkt, sie zurückzufordern. Ja, einige unter diesen Ver-<lb/> gewaltigungen gibt es, die sogar den Philosophen und den<lb/> Gesetzgebern entgangen sind… Zum Beispiel, haben nicht sie<lb/> Alle den Grundsatz der Gleichheit der Rechte verletzt, indem<lb/> sie ruhigen Gemüthes die Hälfte des Menschengeschlechts des<lb/> Rechtes beraubten, an der Gesetzgebung theilzunehmen, indem<lb/> sie die Frauen von den Bürgerrechten ausschlossen? Damit<lb/> diese Ausschließung nicht ein Akt der Tyrannei sei, müßte man<lb/> entweder beweisen, daß die natürlichen Rechte der Frauen nicht<lb/> dieselben sind, oder zeigen, daß die Frauen nicht fähig sind sie<lb/> auszuüben. Nun sind die Rechte der Menschen lediglich der Aus-<lb/> fluß der Thatsache, daß sie vernünftige Wesen sind; weil aber<lb/> die Frauen dies auch sind, haben sie nothwendiger Weise die<lb/> gleichen Rechte.</p><lb/> <p>Man wendet wohl ein, fährt Condorcet fort, daß keine<lb/> Frau eine wichtige Entdeckung gemacht habe in den Wissen-<lb/> schaften, Beweise von Genie gegeben habe in den Künsten, in<lb/> der Literatur; indessen man wird nicht behaupten wollen, daß<lb/> nur den Männern von Genie das Bürgerrecht gewährt werde.<lb/> Oder man behauptet, daß in dem Geiste oder dem Herzen der<lb/> Frauen sich einzelne Eigenschaften finden, die sie von dem<lb/> Genusse ihrer natürlichen Rechte ausschließen müssen? Da<lb/> frage man zuerst die Thatsachen. Elisabeth von England,<lb/> Maria Theresia, die beiden Katharinen von Rußland, sie haben<lb/> bewiesen, daß weder die Kraft der Seele noch der Muth des<lb/> Geistes den Frauen fehlt.</p><lb/> <p>Oder man sagt, daß die Frauen niemals von der Ver-<lb/> nunft geleitet werden. Diese Beobachtung ist falsch. Richtig<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [90/0106]
Die Gewohnheit, sagt er, läßt die Menschen die Ver-
gewaltigung ihrer natürlichen Rechte hinnehmen bis zu einem
Punkte, daß unter den derselben Beraubten Niemand daran
denkt, sie zurückzufordern. Ja, einige unter diesen Ver-
gewaltigungen gibt es, die sogar den Philosophen und den
Gesetzgebern entgangen sind… Zum Beispiel, haben nicht sie
Alle den Grundsatz der Gleichheit der Rechte verletzt, indem
sie ruhigen Gemüthes die Hälfte des Menschengeschlechts des
Rechtes beraubten, an der Gesetzgebung theilzunehmen, indem
sie die Frauen von den Bürgerrechten ausschlossen? Damit
diese Ausschließung nicht ein Akt der Tyrannei sei, müßte man
entweder beweisen, daß die natürlichen Rechte der Frauen nicht
dieselben sind, oder zeigen, daß die Frauen nicht fähig sind sie
auszuüben. Nun sind die Rechte der Menschen lediglich der Aus-
fluß der Thatsache, daß sie vernünftige Wesen sind; weil aber
die Frauen dies auch sind, haben sie nothwendiger Weise die
gleichen Rechte.
Man wendet wohl ein, fährt Condorcet fort, daß keine
Frau eine wichtige Entdeckung gemacht habe in den Wissen-
schaften, Beweise von Genie gegeben habe in den Künsten, in
der Literatur; indessen man wird nicht behaupten wollen, daß
nur den Männern von Genie das Bürgerrecht gewährt werde.
Oder man behauptet, daß in dem Geiste oder dem Herzen der
Frauen sich einzelne Eigenschaften finden, die sie von dem
Genusse ihrer natürlichen Rechte ausschließen müssen? Da
frage man zuerst die Thatsachen. Elisabeth von England,
Maria Theresia, die beiden Katharinen von Rußland, sie haben
bewiesen, daß weder die Kraft der Seele noch der Muth des
Geistes den Frauen fehlt.
Oder man sagt, daß die Frauen niemals von der Ver-
nunft geleitet werden. Diese Beobachtung ist falsch. Richtig
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(2021-02-18T15:54:56Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt, Juliane Nau: Bearbeitung der digitalen Edition.
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