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Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896.

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Menschenwelt gilt, ist, daß dem männlichen Geschlecht größere
physische Kraft gegeben ist. Jedoch, nicht zufrieden mit diesem
natürlichen Vorzug, versuchen die Männer uns noch tiefer
herabzudrücken, bloß um uns zu anziehenden Objecten des
Augenblicks zu machen, und die Frauen nehmen dieses hin.
Man entrüstet sich allenthalben gegen die Mann-Weiber, aber
wo sind sie zu finden? Wenn darunter diejenigen verstanden
sein sollen, die auf der Jagd sich tummeln, so stimme ich dem
völlig bei; wenn aber die Nachahmung männlicher Tugenden
damit gemeint ist oder, richtiger gesprochen, die Erlangung
jener Vorzüge, welche den menschlichen Charakter veredeln, ob
von Frauen oder Männern, so müssen alle tiefer Blickenden
mit mir wünschen, daß die Frauen alle Tage mehr und mehr
männlich werden...

Man hat, fährt sie fort, neuerdings mehr als früher von
der weiblichen Erziehung gesprochen. Aber was sagt man? Es
wird anerkannt, daß sie meist ihre jungen Jahre verwenden,
um einen Flitter sich umzuthun, Stärke des Körpers und Geistes
zu opfern für leichtfertige Schönheitsbegriffe, für das Ziel einer
Heirath, als der einzigen Möglichkeit der Versorgung; daß
sie dann, wenn sie Kinder haben, selber noch wie Kinder sich
benehmen, sich putzen, schminken und dergleichen.

Vernunft und Erfahrung überzeugen mich, ruft sie an
einer anderen Stelle aus, daß die einzige Methode, das weib-
liche Geschlecht zur Erfüllung seiner besonderen Pflichten an-
zuleiten, auf der Freiheit ruht, an den unverlierbaren Menschen-
rechten theilzunehmen. Macht sie frei, und sie werden schnell
weise und tugendhaft werden, Hand in Hand mit den Männern;
denn der Fortschritt muß ein wechselseitiger sein. Oder die
Ungerechtigkeit, der die Hälfte des Menschengeschlechts unter-
worfen ist, wird den Zustand verlängern, in welchem die Tugend

Menschenwelt gilt, ist, daß dem männlichen Geschlecht größere
physische Kraft gegeben ist. Jedoch, nicht zufrieden mit diesem
natürlichen Vorzug, versuchen die Männer uns noch tiefer
herabzudrücken, bloß um uns zu anziehenden Objecten des
Augenblicks zu machen, und die Frauen nehmen dieses hin.
Man entrüstet sich allenthalben gegen die Mann-Weiber, aber
wo sind sie zu finden? Wenn darunter diejenigen verstanden
sein sollen, die auf der Jagd sich tummeln, so stimme ich dem
völlig bei; wenn aber die Nachahmung männlicher Tugenden
damit gemeint ist oder, richtiger gesprochen, die Erlangung
jener Vorzüge, welche den menschlichen Charakter veredeln, ob
von Frauen oder Männern, so müssen alle tiefer Blickenden
mit mir wünschen, daß die Frauen alle Tage mehr und mehr
männlich werden…

Man hat, fährt sie fort, neuerdings mehr als früher von
der weiblichen Erziehung gesprochen. Aber was sagt man? Es
wird anerkannt, daß sie meist ihre jungen Jahre verwenden,
um einen Flitter sich umzuthun, Stärke des Körpers und Geistes
zu opfern für leichtfertige Schönheitsbegriffe, für das Ziel einer
Heirath, als der einzigen Möglichkeit der Versorgung; daß
sie dann, wenn sie Kinder haben, selber noch wie Kinder sich
benehmen, sich putzen, schminken und dergleichen.

Vernunft und Erfahrung überzeugen mich, ruft sie an
einer anderen Stelle aus, daß die einzige Methode, das weib-
liche Geschlecht zur Erfüllung seiner besonderen Pflichten an-
zuleiten, auf der Freiheit ruht, an den unverlierbaren Menschen-
rechten theilzunehmen. Macht sie frei, und sie werden schnell
weise und tugendhaft werden, Hand in Hand mit den Männern;
denn der Fortschritt muß ein wechselseitiger sein. Oder die
Ungerechtigkeit, der die Hälfte des Menschengeschlechts unter-
worfen ist, wird den Zustand verlängern, in welchem die Tugend

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[93/0109] Menschenwelt gilt, ist, daß dem männlichen Geschlecht größere physische Kraft gegeben ist. Jedoch, nicht zufrieden mit diesem natürlichen Vorzug, versuchen die Männer uns noch tiefer herabzudrücken, bloß um uns zu anziehenden Objecten des Augenblicks zu machen, und die Frauen nehmen dieses hin. Man entrüstet sich allenthalben gegen die Mann-Weiber, aber wo sind sie zu finden? Wenn darunter diejenigen verstanden sein sollen, die auf der Jagd sich tummeln, so stimme ich dem völlig bei; wenn aber die Nachahmung männlicher Tugenden damit gemeint ist oder, richtiger gesprochen, die Erlangung jener Vorzüge, welche den menschlichen Charakter veredeln, ob von Frauen oder Männern, so müssen alle tiefer Blickenden mit mir wünschen, daß die Frauen alle Tage mehr und mehr männlich werden… Man hat, fährt sie fort, neuerdings mehr als früher von der weiblichen Erziehung gesprochen. Aber was sagt man? Es wird anerkannt, daß sie meist ihre jungen Jahre verwenden, um einen Flitter sich umzuthun, Stärke des Körpers und Geistes zu opfern für leichtfertige Schönheitsbegriffe, für das Ziel einer Heirath, als der einzigen Möglichkeit der Versorgung; daß sie dann, wenn sie Kinder haben, selber noch wie Kinder sich benehmen, sich putzen, schminken und dergleichen. Vernunft und Erfahrung überzeugen mich, ruft sie an einer anderen Stelle aus, daß die einzige Methode, das weib- liche Geschlecht zur Erfüllung seiner besonderen Pflichten an- zuleiten, auf der Freiheit ruht, an den unverlierbaren Menschen- rechten theilzunehmen. Macht sie frei, und sie werden schnell weise und tugendhaft werden, Hand in Hand mit den Männern; denn der Fortschritt muß ein wechselseitiger sein. Oder die Ungerechtigkeit, der die Hälfte des Menschengeschlechts unter- worfen ist, wird den Zustand verlängern, in welchem die Tugend

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Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2021-02-18T15:54:56Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt, Juliane Nau: Bearbeitung der digitalen Edition. (2021-02-18T15:54:56Z)

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Zitationshilfe: Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cohn_frauenbewegung_1896/109>, abgerufen am 04.12.2024.