Jn unseren deutschen Verhältnissen geht durch die Haus- haltungen von den Familien des kleinen Mittelstandes bis sehr hoch hinauf zu den Spitzen der Gesellschaft ein Zweig des häus- lichen Fleißes - die Schneiderei. Jn gewissem Sinne die Zuchtruthe für Geschmacksverirrungen, zu deren Bekämpfung die deutsche Frauenbewegung (durch den Mund selbst ihrer feurigsten Vertreterinnen) sich machtlos erklärt, hat die häusliche Damenschneiderei ohne Zweifel den Vorzug, ein ausgiebiges Feld weiblicher Thätigkeit in der Familie zu sein. Jm Gegen- satze zu dem Zuge der Arbeitstheilung, mit deren Leistungen auf diesem Gebiete man vielfältigen Anlaß haben mag unzu- frieden zu sein, hat sich aus alter Zeit behauptet und in neuerer Zeit entwickelt eine Menge häuslicher Arbeit von weiblicher Hand für weiblichen Bedarf, der, wie es scheint, immer rast- loser sich erneuert, je mehr unser Zeitalter fortschreitet.
Es ist in diesen und verwandten Fällen nicht die mangel- hafte Leistungsfähigkeit der Arbeitstheilung an sich - im Gegentheil! Es ist nur der hohe Preis ihrer besten Leistungen, welcher die Selbsthülfe durch die häusliche Arbeit in das Ge- fecht führt. Denn so weit es wahr ist, daß die Hände der Frauen in den besseren Ständen leer sind, tritt die Wohlfeil- heit ihrer Zeit und ihrer Arbeit in wirksamen Kampf mit den theuren Löhnen des Marktes. Sofern aber diese Aushülfe ver- sagt, indem sie die wünschenswerthen Erzeugnisse der Arbeits- theilung nicht entbehrlich macht, tritt sie wenigstens an die zweite Stelle, für die Hauskleidung, für die Kleider der Kinder, für die endlosen Ausbesserungen des Beschädigten.
nur 5,2; aber selbst London allein hatte nur 7,6. Dagegen Berlin (1890) 52,6; die anderen deutschen Städte über 100000 Einwohner 19,9, selbst die Städte mit 50000-100000 Einwohnern hatten 18,5.
Jn unseren deutschen Verhältnissen geht durch die Haus- haltungen von den Familien des kleinen Mittelstandes bis sehr hoch hinauf zu den Spitzen der Gesellschaft ein Zweig des häus- lichen Fleißes – die Schneiderei. Jn gewissem Sinne die Zuchtruthe für Geschmacksverirrungen, zu deren Bekämpfung die deutsche Frauenbewegung (durch den Mund selbst ihrer feurigsten Vertreterinnen) sich machtlos erklärt, hat die häusliche Damenschneiderei ohne Zweifel den Vorzug, ein ausgiebiges Feld weiblicher Thätigkeit in der Familie zu sein. Jm Gegen- satze zu dem Zuge der Arbeitstheilung, mit deren Leistungen auf diesem Gebiete man vielfältigen Anlaß haben mag unzu- frieden zu sein, hat sich aus alter Zeit behauptet und in neuerer Zeit entwickelt eine Menge häuslicher Arbeit von weiblicher Hand für weiblichen Bedarf, der, wie es scheint, immer rast- loser sich erneuert, je mehr unser Zeitalter fortschreitet.
Es ist in diesen und verwandten Fällen nicht die mangel- hafte Leistungsfähigkeit der Arbeitstheilung an sich – im Gegentheil! Es ist nur der hohe Preis ihrer besten Leistungen, welcher die Selbsthülfe durch die häusliche Arbeit in das Ge- fecht führt. Denn so weit es wahr ist, daß die Hände der Frauen in den besseren Ständen leer sind, tritt die Wohlfeil- heit ihrer Zeit und ihrer Arbeit in wirksamen Kampf mit den theuren Löhnen des Marktes. Sofern aber diese Aushülfe ver- sagt, indem sie die wünschenswerthen Erzeugnisse der Arbeits- theilung nicht entbehrlich macht, tritt sie wenigstens an die zweite Stelle, für die Hauskleidung, für die Kleider der Kinder, für die endlosen Ausbesserungen des Beschädigten.
nur 5,2; aber selbst London allein hatte nur 7,6. Dagegen Berlin (1890) 52,6; die anderen deutschen Städte über 100000 Einwohner 19,9, selbst die Städte mit 50000-100000 Einwohnern hatten 18,5.
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Jn unseren deutschen Verhältnissen geht durch die Haus-
haltungen von den Familien des kleinen Mittelstandes bis sehr
hoch hinauf zu den Spitzen der Gesellschaft ein Zweig des häus-
lichen Fleißes – die Schneiderei. Jn gewissem Sinne die
Zuchtruthe für Geschmacksverirrungen, zu deren Bekämpfung
die deutsche Frauenbewegung (durch den Mund selbst ihrer
feurigsten Vertreterinnen) sich machtlos erklärt, hat die häusliche
Damenschneiderei ohne Zweifel den Vorzug, ein ausgiebiges
Feld weiblicher Thätigkeit in der Familie zu sein. Jm Gegen-
satze zu dem Zuge der Arbeitstheilung, mit deren Leistungen
auf diesem Gebiete man vielfältigen Anlaß haben mag unzu-
frieden zu sein, hat sich aus alter Zeit behauptet und in neuerer
Zeit entwickelt eine Menge häuslicher Arbeit von weiblicher
Hand für weiblichen Bedarf, der, wie es scheint, immer rast-
loser sich erneuert, je mehr unser Zeitalter fortschreitet.
Es ist in diesen und verwandten Fällen nicht die mangel-
hafte Leistungsfähigkeit der Arbeitstheilung an sich – im
Gegentheil! Es ist nur der hohe Preis ihrer besten Leistungen,
welcher die Selbsthülfe durch die häusliche Arbeit in das Ge-
fecht führt. Denn so weit es wahr ist, daß die Hände der
Frauen in den besseren Ständen leer sind, tritt die Wohlfeil-
heit ihrer Zeit und ihrer Arbeit in wirksamen Kampf mit den
theuren Löhnen des Marktes. Sofern aber diese Aushülfe ver-
sagt, indem sie die wünschenswerthen Erzeugnisse der Arbeits-
theilung nicht entbehrlich macht, tritt sie wenigstens an die
zweite Stelle, für die Hauskleidung, für die Kleider der Kinder,
für die endlosen Ausbesserungen des Beschädigten.
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*) nur 5,2; aber selbst London allein hatte nur 7,6. Dagegen Berlin (1890)
52,6; die anderen deutschen Städte über 100000 Einwohner 19,9,
selbst die Städte mit 50000-100000 Einwohnern hatten 18,5.
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Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cohn_frauenbewegung_1896/155>, abgerufen am 19.02.2025.
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