Collin, Heinrich Joseph von: Coriolan. Berlin, 1804. Veturia. Du hast mich sehr gebeugt. Mußt' ich's erleben, Vor dir, dem Feinde meines Vaterlands, Als Flehende zu stehen, ungewiß, Ob Ehre meiner wartet oder Schmach? -- Schon zeigt in Rom ein jeder auf mich hin Und schmäht -- "O hätte Diese nicht geboren, "Wir stürben frey im freyen Vaterlande!" So schmähen sie, ich muß es schweigend dulden. Ich tröste mich, daß bald mein Ende naht. Sieh hin auf, Diese, denk' an deine Kinder, Denn sie erdulden, wenn du länger wüthest, Der niedern Knechtschaft unerträglich Joch! Volumnia. O wär' ich todt, mir wäre wahrlich besser! Coriolan. Wenn Rom auch fällt, der Volsker wird euch ehren. Veturia. Mich hebt es nur, wenn mich der Römer ehrt! Volumnia. Wie? hätt' ich dir -- o nein! so denkst du nicht -- Geboren dir zu Volskern deine Söhne?! Coriolan. Ich bitt' euch, höret mich gelassen an. -- Erst schlug ich vor, ihr möchtet bey mir bleiben -- Allein, ihr gabt das Wort, und kehrt zurück. Ich bin ein Mann, und soll mein Wort nicht halten? Nichts gelten soll mein Handschlag und mein Schwur? -- Das fordert nicht. Ich kann mich nicht entehren. Veturia. Du haſt mich ſehr gebeugt. Mußt’ ich’s erleben, Vor dir, dem Feinde meines Vaterlands, Als Flehende zu ſtehen, ungewiß, Ob Ehre meiner wartet oder Schmach? — Schon zeigt in Rom ein jeder auf mich hin Und ſchmäht — »O hätte Dieſe nicht geboren, »Wir ſtürben frey im freyen Vaterlande!« So ſchmähen ſie, ich muß es ſchweigend dulden. Ich tröſte mich, daß bald mein Ende naht. Sieh hin auf, Dieſe, denk’ an deine Kinder, Denn ſie erdulden, wenn du länger wütheſt, Der niedern Knechtſchaft unerträglich Joch! Volumnia. O wär’ ich todt, mir wäre wahrlich beſſer! Coriolan. Wenn Rom auch fällt, der Volsker wird euch ehren. Veturia. Mich hebt es nur, wenn mich der Römer ehrt! Volumnia. Wie? hätt’ ich dir — o nein! ſo denkſt du nicht — Geboren dir zu Volskern deine Söhne?! Coriolan. Ich bitt’ euch, höret mich gelaſſen an. — Erſt ſchlug ich vor, ihr möchtet bey mir bleiben — Allein, ihr gabt das Wort, und kehrt zurück. Ich bin ein Mann, und ſoll mein Wort nicht halten? Nichts gelten ſoll mein Handſchlag und mein Schwur? — Das fordert nicht. Ich kann mich nicht entehren. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0114" n="106"/> <sp who="#VET"> <speaker><hi rendition="#g">Veturia</hi>.</speaker><lb/> <p>Du haſt mich ſehr gebeugt. Mußt’ ich’s erleben,<lb/> Vor dir, dem Feinde meines Vaterlands,<lb/> Als Flehende zu ſtehen, ungewiß,<lb/> Ob Ehre meiner wartet oder Schmach? —<lb/> Schon zeigt in Rom ein jeder auf mich hin<lb/> Und ſchmäht — »O hätte Dieſe nicht geboren,<lb/> »Wir ſtürben frey im freyen Vaterlande!«<lb/> So ſchmähen ſie, ich muß es ſchweigend dulden.<lb/> Ich tröſte mich, daß bald mein Ende naht.<lb/> Sieh hin auf, Dieſe, denk’ an deine Kinder,<lb/> Denn ſie erdulden, wenn du länger wütheſt,<lb/> Der niedern Knechtſchaft unerträglich Joch!</p> </sp><lb/> <sp who="#VOLU"> <speaker><hi rendition="#g">Volumnia</hi>.</speaker><lb/> <p>O wär’ ich todt, mir wäre wahrlich beſſer!</p> </sp><lb/> <sp who="#COR"> <speaker><hi rendition="#g">Coriolan</hi>.</speaker><lb/> <p>Wenn Rom auch fällt, der Volsker wird euch ehren.</p> </sp><lb/> <sp who="#VET"> <speaker><hi rendition="#g">Veturia</hi>.</speaker><lb/> <p>Mich hebt es nur, wenn mich der Römer ehrt!</p> </sp><lb/> <sp who="#VOLU"> <speaker><hi rendition="#g">Volumnia</hi>.</speaker><lb/> <p>Wie? hätt’ ich dir — o nein! ſo denkſt du nicht —<lb/> Geboren dir zu <hi rendition="#g">Volskern</hi> deine Söhne?!</p> </sp><lb/> <sp who="#COR"> <speaker><hi rendition="#g">Coriolan</hi>.</speaker><lb/> <p>Ich bitt’ euch, höret mich gelaſſen an. —<lb/> Erſt ſchlug ich vor, ihr möchtet bey mir bleiben —<lb/> Allein, ihr gabt das Wort, und kehrt zurück.<lb/> Ich bin ein <hi rendition="#g">Mann</hi>, und ſoll mein Wort nicht halten?<lb/> Nichts gelten ſoll mein Handſchlag und mein Schwur? —<lb/> Das fordert nicht. Ich kann mich nicht entehren.</p> </sp><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [106/0114]
Veturia.
Du haſt mich ſehr gebeugt. Mußt’ ich’s erleben,
Vor dir, dem Feinde meines Vaterlands,
Als Flehende zu ſtehen, ungewiß,
Ob Ehre meiner wartet oder Schmach? —
Schon zeigt in Rom ein jeder auf mich hin
Und ſchmäht — »O hätte Dieſe nicht geboren,
»Wir ſtürben frey im freyen Vaterlande!«
So ſchmähen ſie, ich muß es ſchweigend dulden.
Ich tröſte mich, daß bald mein Ende naht.
Sieh hin auf, Dieſe, denk’ an deine Kinder,
Denn ſie erdulden, wenn du länger wütheſt,
Der niedern Knechtſchaft unerträglich Joch!
Volumnia.
O wär’ ich todt, mir wäre wahrlich beſſer!
Coriolan.
Wenn Rom auch fällt, der Volsker wird euch ehren.
Veturia.
Mich hebt es nur, wenn mich der Römer ehrt!
Volumnia.
Wie? hätt’ ich dir — o nein! ſo denkſt du nicht —
Geboren dir zu Volskern deine Söhne?!
Coriolan.
Ich bitt’ euch, höret mich gelaſſen an. —
Erſt ſchlug ich vor, ihr möchtet bey mir bleiben —
Allein, ihr gabt das Wort, und kehrt zurück.
Ich bin ein Mann, und ſoll mein Wort nicht halten?
Nichts gelten ſoll mein Handſchlag und mein Schwur? —
Das fordert nicht. Ich kann mich nicht entehren.
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