Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].

Bild:
<< vorherige Seite

Er konstatirte, daß seine Nervenschmerzen nach-
gelassen hatten. "Man muß nur einmal in einer
fremden Atmosphäre herumvagabundiren und dem
ehrenwerten Corpus ein wenig Abwechslung gönnen:
dann machts sich schon --" monologisirte er still vor
sich hin. Instinctiv hatte er Fräulein Irmers
Spur wieder aufgenommen. Aber er war doch
zweifelhaft. Sollte er noch weiter hinter der Dame
hertrollen, wie ein zitternder Gymnasiast hinter
seiner in sich hineinkichernden Poussade, hinter seiner
"Flamme" -- oder sollte er ihr seine "Begleitung
anbieten" -- oder sollte er wieder umkehren und ruhig
nach Hause stapfen --? Was hatte dieses närrische
Nachlaufen für Sinn! Uebrigens -- die Adresse
wußte er ja, wenn er also -- -- "Herderstraße
7 III." -- -- ja! ja! -- ach was! -- "wenn
er" -- Unsinn! --

Aber Adam ging noch immer dicht hinter der
Dame. Man war allmählich in einen stilleren
Stadttheil gekommen.

Plötzlich fand sich Adam an der Seite Fräulein
[I]rmers vor! Er stutzte einen Moment, verstand sich
[n]icht und .. fragte schließlich, indem er etwas linkisch
[u]nd rathlos den Hut zog: "Erlauben Sie, mein
[g]nädiges Fräulein, daß ich Sie --"

Keine Antwort.

"Verzeihen Sie, mein Fräulein -- aber Sie
[w]erden unschwer -- --"

"Ich verstehe Sie nicht, mein Herr! Was wollen
[S]ie? -- Verlassen Sie mich! --"

Er konſtatirte, daß ſeine Nervenſchmerzen nach-
gelaſſen hatten. „Man muß nur einmal in einer
fremden Atmoſphäre herumvagabundiren und dem
ehrenwerten Corpus ein wenig Abwechslung gönnen:
dann machts ſich ſchon —“ monologiſirte er ſtill vor
ſich hin. Inſtinctiv hatte er Fräulein Irmers
Spur wieder aufgenommen. Aber er war doch
zweifelhaft. Sollte er noch weiter hinter der Dame
hertrollen, wie ein zitternder Gymnaſiaſt hinter
ſeiner in ſich hineinkichernden Pouſſade, hinter ſeiner
„Flamme“ — oder ſollte er ihr ſeine „Begleitung
anbieten“ — oder ſollte er wieder umkehren und ruhig
nach Hauſe ſtapfen —? Was hatte dieſes närriſche
Nachlaufen für Sinn! Uebrigens — die Adreſſe
wußte er ja, wenn er alſo — — „Herderſtraße
7 III.“ — — ja! ja! — ach was! — „wenn
er“ — Unſinn! —

Aber Adam ging noch immer dicht hinter der
Dame. Man war allmählich in einen ſtilleren
Stadttheil gekommen.

Plötzlich fand ſich Adam an der Seite Fräulein
[I]rmers vor! Er ſtutzte einen Moment, verſtand ſich
[n]icht und .. fragte ſchließlich, indem er etwas linkiſch
[u]nd rathlos den Hut zog: „Erlauben Sie, mein
[g]nädiges Fräulein, daß ich Sie —“

Keine Antwort.

„Verzeihen Sie, mein Fräulein — aber Sie
[w]erden unſchwer — —“

„Ich verſtehe Sie nicht, mein Herr! Was wollen
[S]ie? — Verlaſſen Sie mich! —“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0015" n="7"/>
        <p>Er kon&#x017F;tatirte, daß &#x017F;eine Nerven&#x017F;chmerzen nach-<lb/>
gela&#x017F;&#x017F;en hatten. &#x201E;Man muß nur einmal in einer<lb/>
fremden Atmo&#x017F;phäre herumvagabundiren und dem<lb/>
ehrenwerten Corpus ein wenig Abwechslung gönnen:<lb/>
dann machts &#x017F;ich &#x017F;chon &#x2014;&#x201C; monologi&#x017F;irte er &#x017F;till vor<lb/>
&#x017F;ich hin. In&#x017F;tinctiv hatte er Fräulein Irmers<lb/>
Spur wieder aufgenommen. Aber er war doch<lb/>
zweifelhaft. Sollte er noch weiter hinter der Dame<lb/>
hertrollen, wie ein zitternder Gymna&#x017F;ia&#x017F;t hinter<lb/>
&#x017F;einer in &#x017F;ich hineinkichernden Pou&#x017F;&#x017F;ade, hinter &#x017F;einer<lb/>
&#x201E;Flamme&#x201C; &#x2014; oder &#x017F;ollte er ihr &#x017F;eine &#x201E;Begleitung<lb/>
anbieten&#x201C; &#x2014; oder &#x017F;ollte er wieder umkehren und ruhig<lb/>
nach Hau&#x017F;e &#x017F;tapfen &#x2014;? Was hatte die&#x017F;es närri&#x017F;che<lb/>
Nachlaufen für Sinn! Uebrigens &#x2014; die Adre&#x017F;&#x017F;e<lb/>
wußte er ja, wenn er al&#x017F;o &#x2014; &#x2014; &#x201E;Herder&#x017F;traße<lb/>
7 <hi rendition="#aq">III.</hi>&#x201C; &#x2014; &#x2014; ja! ja! &#x2014; ach was! &#x2014; &#x201E;wenn<lb/>
er&#x201C; &#x2014; Un&#x017F;inn! &#x2014;</p><lb/>
        <p>Aber Adam ging noch immer dicht hinter der<lb/>
Dame. Man war allmählich in einen &#x017F;tilleren<lb/>
Stadttheil gekommen.</p><lb/>
        <p>Plötzlich fand &#x017F;ich Adam an der Seite Fräulein<lb/><supplied>I</supplied>rmers vor! Er &#x017F;tutzte einen Moment, ver&#x017F;tand &#x017F;ich<lb/><supplied>n</supplied>icht und .. fragte &#x017F;chließlich, indem er etwas linki&#x017F;ch<lb/><supplied>u</supplied>nd rathlos den Hut zog: &#x201E;Erlauben Sie, mein<lb/><supplied>g</supplied>nädiges Fräulein, daß ich Sie &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>Keine Antwort.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Verzeihen Sie, mein Fräulein &#x2014; aber Sie<lb/><supplied>w</supplied>erden un&#x017F;chwer &#x2014; &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich ver&#x017F;tehe Sie nicht, mein Herr! Was wollen<lb/><supplied>S</supplied>ie? &#x2014; Verla&#x017F;&#x017F;en Sie mich! &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[7/0015] Er konſtatirte, daß ſeine Nervenſchmerzen nach- gelaſſen hatten. „Man muß nur einmal in einer fremden Atmoſphäre herumvagabundiren und dem ehrenwerten Corpus ein wenig Abwechslung gönnen: dann machts ſich ſchon —“ monologiſirte er ſtill vor ſich hin. Inſtinctiv hatte er Fräulein Irmers Spur wieder aufgenommen. Aber er war doch zweifelhaft. Sollte er noch weiter hinter der Dame hertrollen, wie ein zitternder Gymnaſiaſt hinter ſeiner in ſich hineinkichernden Pouſſade, hinter ſeiner „Flamme“ — oder ſollte er ihr ſeine „Begleitung anbieten“ — oder ſollte er wieder umkehren und ruhig nach Hauſe ſtapfen —? Was hatte dieſes närriſche Nachlaufen für Sinn! Uebrigens — die Adreſſe wußte er ja, wenn er alſo — — „Herderſtraße 7 III.“ — — ja! ja! — ach was! — „wenn er“ — Unſinn! — Aber Adam ging noch immer dicht hinter der Dame. Man war allmählich in einen ſtilleren Stadttheil gekommen. Plötzlich fand ſich Adam an der Seite Fräulein Irmers vor! Er ſtutzte einen Moment, verſtand ſich nicht und .. fragte ſchließlich, indem er etwas linkiſch und rathlos den Hut zog: „Erlauben Sie, mein gnädiges Fräulein, daß ich Sie —“ Keine Antwort. „Verzeihen Sie, mein Fräulein — aber Sie werden unſchwer — —“ „Ich verſtehe Sie nicht, mein Herr! Was wollen Sie? — Verlaſſen Sie mich! —“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/15
Zitationshilfe: Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/15>, abgerufen am 21.11.2024.