nicht? Sie Barbar! Jetzt Beethoven -- oder noch besser Wagner -- das Vorspiel zum dritten Akt vom ,Siegfried' -- die Welt ist ja gewöhnlich so eng und schwarz und schwer ... so karg und kümmerlich -- aber Doctor --!"
Auch über Adam war es plötzlich mit berau- schender Gewalt gekommen. Die tolle, ekstatische Stimmung Lydias hatte ihn angesteckt, entzündet, hatte ihn mitfortgerissen, träge, unbeholfen zuerst, nachdem sie ihn anfangs beinahe angewidert, zurück- geschreckt hatte, nachdem sie ihn sehr ironisch und spottlustig gestimmt -- nachher aber unwiderstehlich ... Nun jagte er hin, und der Taumel war in ihm. Der Wein ebnete den Weg, minderte die Reibung, glättete die Geleise.
Da hatte sich Adam von einem elementaren Zwange packen lassen müssen. Es stieß ihn wie mit einer übergewaltigen Faust von seinem Fauteuil herunter und warf ihn vor die Füße Lydias. In diesem Augenblicke liebte er das Weib fanatisch. Sein Denken war ausgelöscht, sein ganzes Ich ein einziges großes, dämonisches Gefühl .. ein einziges aufdampfendes Begehren. Adam hatte den Kopf in Lydias Schooß gelegt und schluchzte, seine Arme hingen schlaff herab.
"Aber Doctor --!" hatte Lydia mit unnatürlich leiser, halberstickter Stimme hervorgestoßen und mit jähem Rucke aufspringen wollen.
Adam richtete seinen Kopf empor ... langsam, fast feierlich, beschwörend. In seinen verthränten
nicht? Sie Barbar! Jetzt Beethoven — oder noch beſſer Wagner — das Vorſpiel zum dritten Akt vom ‚Siegfried‘ — die Welt iſt ja gewöhnlich ſo eng und ſchwarz und ſchwer ... ſo karg und kümmerlich — aber Doctor —!“
Auch über Adam war es plötzlich mit berau- ſchender Gewalt gekommen. Die tolle, ekſtatiſche Stimmung Lydias hatte ihn angeſteckt, entzündet, hatte ihn mitfortgeriſſen, träge, unbeholfen zuerſt, nachdem ſie ihn anfangs beinahe angewidert, zurück- geſchreckt hatte, nachdem ſie ihn ſehr ironiſch und ſpottluſtig geſtimmt — nachher aber unwiderſtehlich ... Nun jagte er hin, und der Taumel war in ihm. Der Wein ebnete den Weg, minderte die Reibung, glättete die Geleiſe.
Da hatte ſich Adam von einem elementaren Zwange packen laſſen müſſen. Es ſtieß ihn wie mit einer übergewaltigen Fauſt von ſeinem Fauteuil herunter und warf ihn vor die Füße Lydias. In dieſem Augenblicke liebte er das Weib fanatiſch. Sein Denken war ausgelöſcht, ſein ganzes Ich ein einziges großes, dämoniſches Gefühl .. ein einziges aufdampfendes Begehren. Adam hatte den Kopf in Lydias Schooß gelegt und ſchluchzte, ſeine Arme hingen ſchlaff herab.
„Aber Doctor —!“ hatte Lydia mit unnatürlich leiſer, halberſtickter Stimme hervorgeſtoßen und mit jähem Rucke aufſpringen wollen.
Adam richtete ſeinen Kopf empor ... langſam, faſt feierlich, beſchwörend. In ſeinen verthränten
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nicht? Sie Barbar! Jetzt Beethoven — oder noch
beſſer Wagner — das Vorſpiel zum dritten Akt vom
‚Siegfried‘ — die Welt iſt ja gewöhnlich ſo eng
und ſchwarz und ſchwer ... ſo karg und kümmerlich —
aber Doctor —!“
Auch über Adam war es plötzlich mit berau-
ſchender Gewalt gekommen. Die tolle, ekſtatiſche
Stimmung Lydias hatte ihn angeſteckt, entzündet,
hatte ihn mitfortgeriſſen, träge, unbeholfen zuerſt,
nachdem ſie ihn anfangs beinahe angewidert, zurück-
geſchreckt hatte, nachdem ſie ihn ſehr ironiſch und
ſpottluſtig geſtimmt — nachher aber unwiderſtehlich ...
Nun jagte er hin, und der Taumel war in ihm.
Der Wein ebnete den Weg, minderte die Reibung,
glättete die Geleiſe.
Da hatte ſich Adam von einem elementaren
Zwange packen laſſen müſſen. Es ſtieß ihn wie
mit einer übergewaltigen Fauſt von ſeinem Fauteuil
herunter und warf ihn vor die Füße Lydias. In
dieſem Augenblicke liebte er das Weib fanatiſch.
Sein Denken war ausgelöſcht, ſein ganzes Ich ein
einziges großes, dämoniſches Gefühl .. ein einziges
aufdampfendes Begehren. Adam hatte den Kopf
in Lydias Schooß gelegt und ſchluchzte, ſeine Arme
hingen ſchlaff herab.
„Aber Doctor —!“ hatte Lydia mit unnatürlich
leiſer, halberſtickter Stimme hervorgeſtoßen und mit
jähem Rucke aufſpringen wollen.
Adam richtete ſeinen Kopf empor ... langſam,
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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/159>, abgerufen am 04.12.2024.
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