intellektualer ist, der Ihrige dagegen nur einer des Herzens, des Gefühls, des Willens --"
"-- Das ist doch aber natürlich genug", bemerkte Adam entgegen -- "Sie scheinen ganz zu vergessen, Herr Doctor, daß die Entwicklung des Individuums doch eine ausgemacht psychophysiologische ist! Das Alter ist eben etwas total Anderes, als die Jugend -- sein specifisches Organ ist der Intellekt -- Alter und Jugend, deren specifisches Organ meinetwegen das Herz ist, um mich der herkömmlichen Termino- logie zu bedienen, verstehen sich im Grunde über- haupt nicht ... kommen sich nur durch gewisse lo- gische Schlüsse in Diesem und Jenem näher -- ebensowenig wie zum Beispiel der Kulturmensch unserer Tage seinen Urururahn, ich meine die Sipp- schaft der sogenannten "ersten Menschen", versteht ... der ersten Menschen, bei denen das Gefühl jedenfalls auch das Primäre gewesen ist -- das Gefühl, welches, in den ersten sprachlichen Tastver- suchen objectivirt, zur Ausbildung des Denkver- mögens als eines Organes, wenn ich so sagen darf, führte -- was dann wiederum zurückwirkte und in seinem Reagens zur Differenzirung der Sprache Anlaß gab ... Wenn es möglich wäre -- aus gesellschaftlichen und socialen Gründen ist es eben unmöglich --: dann sollten Alter und Jugend höchstens eine Partie Scat miteinander spielen, sich aber um Gotteswillen nicht auf irgendwelche "tiefe- ren" Gespräche, auf "wesentliche" Debatten, kurz! auf einen intimeren Verkehr miteinander einlassen
Conradi, Adam Mensch. 15
intellektualer iſt, der Ihrige dagegen nur einer des Herzens, des Gefühls, des Willens —“
„— Das iſt doch aber natürlich genug“, bemerkte Adam entgegen — „Sie ſcheinen ganz zu vergeſſen, Herr Doctor, daß die Entwicklung des Individuums doch eine ausgemacht pſychophyſiologiſche iſt! Das Alter iſt eben etwas total Anderes, als die Jugend — ſein ſpecifiſches Organ iſt der Intellekt — Alter und Jugend, deren ſpecifiſches Organ meinetwegen das Herz iſt, um mich der herkömmlichen Termino- logie zu bedienen, verſtehen ſich im Grunde über- haupt nicht ... kommen ſich nur durch gewiſſe lo- giſche Schlüſſe in Dieſem und Jenem näher — ebenſowenig wie zum Beiſpiel der Kulturmenſch unſerer Tage ſeinen Urururahn, ich meine die Sipp- ſchaft der ſogenannten „erſten Menſchen“, verſteht ... der erſten Menſchen, bei denen das Gefühl jedenfalls auch das Primäre geweſen iſt — das Gefühl, welches, in den erſten ſprachlichen Taſtver- ſuchen objectivirt, zur Ausbildung des Denkver- mögens als eines Organes, wenn ich ſo ſagen darf, führte — was dann wiederum zurückwirkte und in ſeinem Reagens zur Differenzirung der Sprache Anlaß gab ... Wenn es möglich wäre — aus geſellſchaftlichen und ſocialen Gründen iſt es eben unmöglich —: dann ſollten Alter und Jugend höchſtens eine Partie Scat miteinander ſpielen, ſich aber um Gotteswillen nicht auf irgendwelche „tiefe- ren“ Geſpräche, auf „weſentliche“ Debatten, kurz! auf einen intimeren Verkehr miteinander einlaſſen
Conradi, Adam Menſch. 15
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intellektualer iſt, der Ihrige dagegen nur einer des
Herzens, des Gefühls, des Willens —“
„— Das iſt doch aber natürlich genug“, bemerkte
Adam entgegen — „Sie ſcheinen ganz zu vergeſſen,
Herr Doctor, daß die Entwicklung des Individuums
doch eine ausgemacht pſychophyſiologiſche iſt! Das
Alter iſt eben etwas total Anderes, als die Jugend
— ſein ſpecifiſches Organ iſt der Intellekt — Alter
und Jugend, deren ſpecifiſches Organ meinetwegen
das Herz iſt, um mich der herkömmlichen Termino-
logie zu bedienen, verſtehen ſich im Grunde über-
haupt nicht ... kommen ſich nur durch gewiſſe lo-
giſche Schlüſſe in Dieſem und Jenem näher —
ebenſowenig wie zum Beiſpiel der Kulturmenſch
unſerer Tage ſeinen Urururahn, ich meine die Sipp-
ſchaft der ſogenannten „erſten Menſchen“, verſteht
... der erſten Menſchen, bei denen das Gefühl
jedenfalls auch das Primäre geweſen iſt — das
Gefühl, welches, in den erſten ſprachlichen Taſtver-
ſuchen objectivirt, zur Ausbildung des Denkver-
mögens als eines Organes, wenn ich ſo ſagen
darf, führte — was dann wiederum zurückwirkte
und in ſeinem Reagens zur Differenzirung der
Sprache Anlaß gab ... Wenn es möglich wäre —
aus geſellſchaftlichen und ſocialen Gründen iſt es
eben unmöglich —: dann ſollten Alter und Jugend
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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/233>, abgerufen am 29.11.2024.
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