Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].

Bild:
<< vorherige Seite

philologisches Brotstudium betrieb er mit bedeuten-
dem Eifer: war es doch, beim Styx! der einzige
Weg, der ihn hinaufführen konnte in die Berg-
siedeleien der geistig und leiblich "Vornehmen", der
"Bildungsidealisten"! Mitunter machte er Schulden,
und die Docentenhonorare ließ er sich mit liebens-
würdiger Bereitwilligkeit stunden. Er versuchte wohl
auch die buntscheckige Sammlung seiner Talente:
er schrieb Leitartikel für Zeitungen, machte Gelegen-
heitsgedichte, die ihm manchmal einige Mark ein-
trugen, verbrach Recensionen philosophischer Werke
für akademische "Organe" und hielt in studentischen
Vereinen Vorträge über culturgeschichtliche Themata,
dann und wann mit einem vagen Saumstreifen
moderner politischer Verhältnisse .. Einmal war
es ihm auch geglückt, ein Theaterreferat über eine
Sommertheaterbühne für eine untergeordnete Zeitung
zu erlangen: da ließ er sich denn die Gelegenheit
zu allerlei Coulissenstudien nicht entgehen ... und
ob es wohl nicht vorgekommen war, daß er sich mit
dem ... Kusse einer Soubrette bestechen oder be-
lohnen ließ ..? Auch im Strudel der studentischen
Kameradschaften trieb und wirbelte er eine Zeit
lang herum -- und so floß dieses Stück Leben hin
voll Wirrwarr, Zerissenheit und Zerstücktheit ..
Eines Tages stand Adam vor dem Staatsexamen. Er
genügte gerade noch den Prüfungen -- und kroch eine
kleine Frist später in das Joch einer Hauslehrerstellung
bei einer adligen Gutsbesitzersfamilie. Seine beiden
Zöglinge erfreuten sich zwar einer ganz braven

philologiſches Brotſtudium betrieb er mit bedeuten-
dem Eifer: war es doch, beim Styx! der einzige
Weg, der ihn hinaufführen konnte in die Berg-
ſiedeleien der geiſtig und leiblich „Vornehmen“, der
„Bildungsidealiſten“! Mitunter machte er Schulden,
und die Docentenhonorare ließ er ſich mit liebens-
würdiger Bereitwilligkeit ſtunden. Er verſuchte wohl
auch die buntſcheckige Sammlung ſeiner Talente:
er ſchrieb Leitartikel für Zeitungen, machte Gelegen-
heitsgedichte, die ihm manchmal einige Mark ein-
trugen, verbrach Recenſionen philoſophiſcher Werke
für akademiſche „Organe“ und hielt in ſtudentiſchen
Vereinen Vorträge über culturgeſchichtliche Themata,
dann und wann mit einem vagen Saumſtreifen
moderner politiſcher Verhältniſſe .. Einmal war
es ihm auch geglückt, ein Theaterreferat über eine
Sommertheaterbühne für eine untergeordnete Zeitung
zu erlangen: da ließ er ſich denn die Gelegenheit
zu allerlei Couliſſenſtudien nicht entgehen … und
ob es wohl nicht vorgekommen war, daß er ſich mit
dem … Kuſſe einer Soubrette beſtechen oder be-
lohnen ließ ..? Auch im Strudel der ſtudentiſchen
Kameradſchaften trieb und wirbelte er eine Zeit
lang herum — und ſo floß dieſes Stück Leben hin
voll Wirrwarr, Zeriſſenheit und Zerſtücktheit ..
Eines Tages ſtand Adam vor dem Staatsexamen. Er
genügte gerade noch den Prüfungen — und kroch eine
kleine Friſt ſpäter in das Joch einer Hauslehrerſtellung
bei einer adligen Gutsbeſitzersfamilie. Seine beiden
Zöglinge erfreuten ſich zwar einer ganz braven

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0024" n="16"/>
philologi&#x017F;ches Brot&#x017F;tudium betrieb er mit bedeuten-<lb/>
dem Eifer: war es doch, beim Styx! der einzige<lb/>
Weg, der ihn hinaufführen konnte in die Berg-<lb/>
&#x017F;iedeleien der gei&#x017F;tig und leiblich &#x201E;Vornehmen&#x201C;, der<lb/>
&#x201E;Bildungsideali&#x017F;ten&#x201C;! Mitunter machte er Schulden,<lb/>
und die Docentenhonorare ließ er &#x017F;ich mit liebens-<lb/>
würdiger Bereitwilligkeit &#x017F;tunden. Er ver&#x017F;uchte wohl<lb/>
auch die bunt&#x017F;checkige Sammlung &#x017F;einer Talente:<lb/>
er &#x017F;chrieb Leitartikel für Zeitungen, machte Gelegen-<lb/>
heitsgedichte, die ihm manchmal einige Mark ein-<lb/>
trugen, verbrach Recen&#x017F;ionen philo&#x017F;ophi&#x017F;cher Werke<lb/>
für akademi&#x017F;che &#x201E;Organe&#x201C; und hielt in &#x017F;tudenti&#x017F;chen<lb/>
Vereinen Vorträge über culturge&#x017F;chichtliche Themata,<lb/>
dann und wann mit einem vagen Saum&#x017F;treifen<lb/>
moderner politi&#x017F;cher Verhältni&#x017F;&#x017F;e .. Einmal war<lb/>
es ihm auch geglückt, ein Theaterreferat über eine<lb/>
Sommertheaterbühne für eine untergeordnete Zeitung<lb/>
zu erlangen: da ließ er &#x017F;ich denn die Gelegenheit<lb/>
zu allerlei Couli&#x017F;&#x017F;en&#x017F;tudien nicht entgehen &#x2026; und<lb/>
ob es wohl nicht vorgekommen war, daß er &#x017F;ich mit<lb/>
dem &#x2026; Ku&#x017F;&#x017F;e einer Soubrette be&#x017F;techen oder be-<lb/>
lohnen ließ ..? Auch im Strudel der &#x017F;tudenti&#x017F;chen<lb/>
Kamerad&#x017F;chaften trieb und wirbelte er eine Zeit<lb/>
lang herum &#x2014; und &#x017F;o floß die&#x017F;es Stück Leben hin<lb/>
voll Wirrwarr, Zeri&#x017F;&#x017F;enheit und Zer&#x017F;tücktheit ..<lb/>
Eines Tages &#x017F;tand Adam vor dem Staatsexamen. Er<lb/>
genügte gerade noch den Prüfungen &#x2014; und kroch eine<lb/>
kleine Fri&#x017F;t &#x017F;päter in das Joch einer Hauslehrer&#x017F;tellung<lb/>
bei einer adligen Gutsbe&#x017F;itzersfamilie. Seine beiden<lb/>
Zöglinge erfreuten &#x017F;ich zwar einer ganz braven<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[16/0024] philologiſches Brotſtudium betrieb er mit bedeuten- dem Eifer: war es doch, beim Styx! der einzige Weg, der ihn hinaufführen konnte in die Berg- ſiedeleien der geiſtig und leiblich „Vornehmen“, der „Bildungsidealiſten“! Mitunter machte er Schulden, und die Docentenhonorare ließ er ſich mit liebens- würdiger Bereitwilligkeit ſtunden. Er verſuchte wohl auch die buntſcheckige Sammlung ſeiner Talente: er ſchrieb Leitartikel für Zeitungen, machte Gelegen- heitsgedichte, die ihm manchmal einige Mark ein- trugen, verbrach Recenſionen philoſophiſcher Werke für akademiſche „Organe“ und hielt in ſtudentiſchen Vereinen Vorträge über culturgeſchichtliche Themata, dann und wann mit einem vagen Saumſtreifen moderner politiſcher Verhältniſſe .. Einmal war es ihm auch geglückt, ein Theaterreferat über eine Sommertheaterbühne für eine untergeordnete Zeitung zu erlangen: da ließ er ſich denn die Gelegenheit zu allerlei Couliſſenſtudien nicht entgehen … und ob es wohl nicht vorgekommen war, daß er ſich mit dem … Kuſſe einer Soubrette beſtechen oder be- lohnen ließ ..? Auch im Strudel der ſtudentiſchen Kameradſchaften trieb und wirbelte er eine Zeit lang herum — und ſo floß dieſes Stück Leben hin voll Wirrwarr, Zeriſſenheit und Zerſtücktheit .. Eines Tages ſtand Adam vor dem Staatsexamen. Er genügte gerade noch den Prüfungen — und kroch eine kleine Friſt ſpäter in das Joch einer Hauslehrerſtellung bei einer adligen Gutsbeſitzersfamilie. Seine beiden Zöglinge erfreuten ſich zwar einer ganz braven

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/24
Zitationshilfe: Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/24>, abgerufen am 03.12.2024.