Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].

Bild:
<< vorherige Seite

so heiß und so eng hier. Komm! Laß uns noch
ein Wenig hinausgehen! Draußen ... draußen wird
uns freier werden -- ich ersticke hier fast ... und
wir haben wohl noch so Manches miteinander zu
reden, mein Lieb! ... Komm! Ja --?"

"Aber, Adam --!" Hedwig wischte sich mit ihrem
Taschentuche die Thränen aus den Augen und trock-
nete sich die Stirn. Nun nestelte sie mit den Händen
an ihrem Haar herum und sah Adam erschrocken an.

"Nun ja! ... Erscheint Dir mein Vorschlag so
ungeheuerlich? Mein Gott! Es ist doch weiter
nichts dabei! Wir gehen nachher noch in 'n Cafe
-- ich muß noch andere Menschen sehen ... muß
auf andere Gedanken kommen -- 'n bissel fremdes
Leben um mich spüren -- 'n Glas Absynth trinken
-- 'ne gute Cigarre rauchen -- -- und ich dächte:
auch Dir thäte eine Abwechslung wohl ... Also
komm! Ja --?"

"Um diese Stunde, Adam --!"

"Es ist eben erst Zwölf. Und dann -- -- ich
weiß nicht -- Du bist doch in meiner Gesellschaft!
Da kann Dir doch weiter Nichts passiren ... In
ein Nachtcafe zu gehen -- nun ja! es mag für
eine Dame, wie für Dich, liebe Hedwig, vielleicht
nicht gerade, wie man sagt: ,anständig' sein -- aber
ich sollte doch meinen: diese dummen Philisterflausen
hätten für Dich weiter keine Geltung! Ich würde
es wenigstens sehr bedauern, wenn Du noch in All'
und Jedem mit den verbohrten Anschauungen der
alten Generation rechnetest. Also bitte --!"

ſo heiß und ſo eng hier. Komm! Laß uns noch
ein Wenig hinausgehen! Draußen ... draußen wird
uns freier werden — ich erſticke hier faſt ... und
wir haben wohl noch ſo Manches miteinander zu
reden, mein Lieb! ... Komm! Ja —?“

„Aber, Adam —!“ Hedwig wiſchte ſich mit ihrem
Taſchentuche die Thränen aus den Augen und trock-
nete ſich die Stirn. Nun neſtelte ſie mit den Händen
an ihrem Haar herum und ſah Adam erſchrocken an.

„Nun ja! ... Erſcheint Dir mein Vorſchlag ſo
ungeheuerlich? Mein Gott! Es iſt doch weiter
nichts dabei! Wir gehen nachher noch in 'n Café
— ich muß noch andere Menſchen ſehen ... muß
auf andere Gedanken kommen — 'n biſſel fremdes
Leben um mich ſpüren — 'n Glas Abſynth trinken
— 'ne gute Cigarre rauchen — — und ich dächte:
auch Dir thäte eine Abwechslung wohl ... Alſo
komm! Ja —?“

„Um dieſe Stunde, Adam —!“

„Es iſt eben erſt Zwölf. Und dann — — ich
weiß nicht — Du biſt doch in meiner Geſellſchaft!
Da kann Dir doch weiter Nichts paſſiren ... In
ein Nachtcafé zu gehen — nun ja! es mag für
eine Dame, wie für Dich, liebe Hedwig, vielleicht
nicht gerade, wie man ſagt: ‚anſtändig‘ ſein — aber
ich ſollte doch meinen: dieſe dummen Philiſterflauſen
hätten für Dich weiter keine Geltung! Ich würde
es wenigſtens ſehr bedauern, wenn Du noch in All'
und Jedem mit den verbohrten Anſchauungen der
alten Generation rechneteſt. Alſo bitte —!“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0258" n="250"/>
&#x017F;o heiß und &#x017F;o eng hier. Komm! Laß uns noch<lb/>
ein Wenig hinausgehen! Draußen ... draußen wird<lb/>
uns freier werden &#x2014; ich er&#x017F;ticke hier fa&#x017F;t ... und<lb/>
wir haben wohl noch &#x017F;o Manches miteinander zu<lb/>
reden, mein Lieb! ... Komm! Ja &#x2014;?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Aber, Adam &#x2014;!&#x201C; Hedwig wi&#x017F;chte &#x017F;ich mit ihrem<lb/>
Ta&#x017F;chentuche die Thränen aus den Augen und trock-<lb/>
nete &#x017F;ich die Stirn. Nun ne&#x017F;telte &#x017F;ie mit den Händen<lb/>
an ihrem Haar herum und &#x017F;ah Adam er&#x017F;chrocken an.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nun ja! ... Er&#x017F;cheint Dir mein Vor&#x017F;chlag &#x017F;o<lb/>
ungeheuerlich? Mein Gott! Es i&#x017F;t doch weiter<lb/>
nichts dabei! Wir gehen nachher noch in 'n Caf<hi rendition="#aq">é</hi><lb/>
&#x2014; ich muß noch andere Men&#x017F;chen &#x017F;ehen ... muß<lb/>
auf andere Gedanken kommen &#x2014; 'n bi&#x017F;&#x017F;el fremdes<lb/>
Leben um mich &#x017F;püren &#x2014; 'n Glas Ab&#x017F;ynth trinken<lb/>
&#x2014; 'ne gute Cigarre rauchen &#x2014; &#x2014; und ich dächte:<lb/>
auch Dir thäte eine Abwechslung wohl ... Al&#x017F;o<lb/>
komm! Ja &#x2014;?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Um die&#x017F;e Stunde, Adam &#x2014;!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Es i&#x017F;t eben er&#x017F;t Zwölf. Und dann &#x2014; &#x2014; ich<lb/>
weiß nicht &#x2014; Du bi&#x017F;t doch in meiner Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft!<lb/>
Da kann Dir doch weiter Nichts pa&#x017F;&#x017F;iren ... In<lb/>
ein Nachtcaf<hi rendition="#aq">é</hi> zu gehen &#x2014; nun ja! es mag für<lb/>
eine Dame, wie für Dich, liebe Hedwig, vielleicht<lb/>
nicht gerade, wie man &#x017F;agt: &#x201A;an&#x017F;tändig&#x2018; &#x017F;ein &#x2014; aber<lb/>
ich &#x017F;ollte doch meinen: die&#x017F;e dummen Phili&#x017F;terflau&#x017F;en<lb/>
hätten für Dich weiter keine Geltung! Ich würde<lb/>
es wenig&#x017F;tens &#x017F;ehr bedauern, wenn Du noch in All'<lb/>
und Jedem mit den verbohrten An&#x017F;chauungen der<lb/>
alten Generation rechnete&#x017F;t. Al&#x017F;o bitte &#x2014;!&#x201C;</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[250/0258] ſo heiß und ſo eng hier. Komm! Laß uns noch ein Wenig hinausgehen! Draußen ... draußen wird uns freier werden — ich erſticke hier faſt ... und wir haben wohl noch ſo Manches miteinander zu reden, mein Lieb! ... Komm! Ja —?“ „Aber, Adam —!“ Hedwig wiſchte ſich mit ihrem Taſchentuche die Thränen aus den Augen und trock- nete ſich die Stirn. Nun neſtelte ſie mit den Händen an ihrem Haar herum und ſah Adam erſchrocken an. „Nun ja! ... Erſcheint Dir mein Vorſchlag ſo ungeheuerlich? Mein Gott! Es iſt doch weiter nichts dabei! Wir gehen nachher noch in 'n Café — ich muß noch andere Menſchen ſehen ... muß auf andere Gedanken kommen — 'n biſſel fremdes Leben um mich ſpüren — 'n Glas Abſynth trinken — 'ne gute Cigarre rauchen — — und ich dächte: auch Dir thäte eine Abwechslung wohl ... Alſo komm! Ja —?“ „Um dieſe Stunde, Adam —!“ „Es iſt eben erſt Zwölf. Und dann — — ich weiß nicht — Du biſt doch in meiner Geſellſchaft! Da kann Dir doch weiter Nichts paſſiren ... In ein Nachtcafé zu gehen — nun ja! es mag für eine Dame, wie für Dich, liebe Hedwig, vielleicht nicht gerade, wie man ſagt: ‚anſtändig‘ ſein — aber ich ſollte doch meinen: dieſe dummen Philiſterflauſen hätten für Dich weiter keine Geltung! Ich würde es wenigſtens ſehr bedauern, wenn Du noch in All' und Jedem mit den verbohrten Anſchauungen der alten Generation rechneteſt. Alſo bitte —!“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/258
Zitationshilfe: Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/258>, abgerufen am 27.11.2024.