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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].

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kosten müssen ... ich habe manche wahre Thräne fließen
sehen ... und manche wohl auch selbst geweint -- meine
Erinnerungen werden einmal ... in späteren Tagen ...
sie werden dann kaum nüchtern, kaum glanzlos und kalt
sein -- der Einkaufspreis, um den ich sie erstanden,
thut mir nicht leid. Es trocknet übrigens nichts schneller
auf der Welt, als so eine kleine, heiße, salzige
Thräne. Und doch thut jede Trennung weh --
man begegnet sich so selten noch einmal im Leben,
wenn man's mit dem Auseinandergehen wirklich
ernst genommen hat ... Und das ist auch sehr
gut. Aber jede Trennung reißt doch zugleich ein
Partikelchen Herz mit fort. Nun! wir Mischlinge
der Romantik und des modernen ,Realismus' haben ja
Vorrath in dieser Beziehung -- wir leiden ja Alle
an einem gewissen trop de coeur ... Oder würden
wir uns sonst so furchtbar interessant vorkommen,
wie es thatsächlich der Fall ist? Würden wir sonst
so eifrig an uns herumspintisiren und herumtüfteln,
herumschnüffeln und uns von hinten und von vorn
begucken und behorchen? Wären wir sonst solche
capitalen Narren und machten durch eine ewige Ana-
lysirungswuth aller Worte, die wir sprechen, aller
Handlungen, die wir in Scene setzen -- machten
wir dadurch unsere Beziehungen zu einander ...
unter einander ... zu den denkbar unerquicklichsten
von der Welt --? Ach! Was sind wir doch
für unsagbar dumme Kerls! Indessen! welche
Wollust, so ein interessanter Narr sein zu dürfen!
Uebrigens, Hedwig -- damit ich nicht allzu sehr in

koſten müſſen ... ich habe manche wahre Thräne fließen
ſehen ... und manche wohl auch ſelbſt geweint — meine
Erinnerungen werden einmal ... in ſpäteren Tagen ...
ſie werden dann kaum nüchtern, kaum glanzlos und kalt
ſein — der Einkaufspreis, um den ich ſie erſtanden,
thut mir nicht leid. Es trocknet übrigens nichts ſchneller
auf der Welt, als ſo eine kleine, heiße, ſalzige
Thräne. Und doch thut jede Trennung weh —
man begegnet ſich ſo ſelten noch einmal im Leben,
wenn man's mit dem Auseinandergehen wirklich
ernſt genommen hat ... Und das iſt auch ſehr
gut. Aber jede Trennung reißt doch zugleich ein
Partikelchen Herz mit fort. Nun! wir Miſchlinge
der Romantik und des modernen ‚Realismus‘ haben ja
Vorrath in dieſer Beziehung — wir leiden ja Alle
an einem gewiſſen trop de coeur ... Oder würden
wir uns ſonſt ſo furchtbar intereſſant vorkommen,
wie es thatſächlich der Fall iſt? Würden wir ſonſt
ſo eifrig an uns herumſpintiſiren und herumtüfteln,
herumſchnüffeln und uns von hinten und von vorn
begucken und behorchen? Wären wir ſonſt ſolche
capitalen Narren und machten durch eine ewige Ana-
lyſirungswuth aller Worte, die wir ſprechen, aller
Handlungen, die wir in Scene ſetzen — machten
wir dadurch unſere Beziehungen zu einander ...
unter einander ... zu den denkbar unerquicklichſten
von der Welt —? Ach! Was ſind wir doch
für unſagbar dumme Kerls! Indeſſen! welche
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[266/0274] koſten müſſen ... ich habe manche wahre Thräne fließen ſehen ... und manche wohl auch ſelbſt geweint — meine Erinnerungen werden einmal ... in ſpäteren Tagen ... ſie werden dann kaum nüchtern, kaum glanzlos und kalt ſein — der Einkaufspreis, um den ich ſie erſtanden, thut mir nicht leid. Es trocknet übrigens nichts ſchneller auf der Welt, als ſo eine kleine, heiße, ſalzige Thräne. Und doch thut jede Trennung weh — man begegnet ſich ſo ſelten noch einmal im Leben, wenn man's mit dem Auseinandergehen wirklich ernſt genommen hat ... Und das iſt auch ſehr gut. Aber jede Trennung reißt doch zugleich ein Partikelchen Herz mit fort. Nun! wir Miſchlinge der Romantik und des modernen ‚Realismus‘ haben ja Vorrath in dieſer Beziehung — wir leiden ja Alle an einem gewiſſen trop de coeur ... Oder würden wir uns ſonſt ſo furchtbar intereſſant vorkommen, wie es thatſächlich der Fall iſt? Würden wir ſonſt ſo eifrig an uns herumſpintiſiren und herumtüfteln, herumſchnüffeln und uns von hinten und von vorn begucken und behorchen? Wären wir ſonſt ſolche capitalen Narren und machten durch eine ewige Ana- lyſirungswuth aller Worte, die wir ſprechen, aller Handlungen, die wir in Scene ſetzen — machten wir dadurch unſere Beziehungen zu einander ... unter einander ... zu den denkbar unerquicklichſten von der Welt —? Ach! Was ſind wir doch für unſagbar dumme Kerls! Indeſſen! welche Wolluſt, ſo ein intereſſanter Narr ſein zu dürfen! Uebrigens, Hedwig — damit ich nicht allzu ſehr in

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Zitationshilfe: Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/274>, abgerufen am 25.11.2024.