beschnüffeln, beschnuppern -- obgleich sie ganz genau wissen, welch' Geistes Kinder sie sind ...
Adam war unschlüssig. Sollte er einmal zu den beiden hinüber schlendern .. das Pikante der Situation noch um einige Grade steigern .. und dann mit größtem Gleichmuth das verführerische Ge- bräu hinabschlürfen? ..
"Wie heißen Sie, mein Fräulein?" fragte er vor- erst die Kellnerin. So thut man so oft etwas Ueber- flüssiges, so lange man nicht weiß, ob man das weniger Ueberflüssige nicht für das noch mehr Ueber- flüssige halten soll.
"Melitta!" antwortete die Dame.
"Donnerwetter! Melitta! Die Kellnerinnen werden immer vornehmer, Sie gefallen mir übrigens, Melitta -- wollen Sie nicht 'n Glas mittrinken? --"
Das Mädchen blickte fragend auf Hedwig, die sich zurückgelehnt hatte und finster, beinah drohend zu Adam hinübersah. Der fühlte sich sehr unbe- haglich. Konnte denn die Dame nicht einmal aus sich herausgehen, nicht einmal in einen lustigeren, leichteren Ton miteinstimmen? Das Leben etwas zwang- loser, etwas kritikloser nehmen? Immer dasselbe gleichsam festgefrorene Abweisungs- und Entsagungs- pathos -- es wird etwas langweilig auf die Dauer. Jawohl! Es kann sogar sehr langweilig werden. Wie? Wenn er jetzt neben Emmy säße .. und sein leckeres Weiblein an diesem köstlichen Goldwein nippte und ihm dabei über den Rand des Glases hin zu- blinzelte mit seinen lustigen, lockenden Augen .. so
beſchnüffeln, beſchnuppern — obgleich ſie ganz genau wiſſen, welch' Geiſtes Kinder ſie ſind ...
Adam war unſchlüſſig. Sollte er einmal zu den beiden hinüber ſchlendern .. das Pikante der Situation noch um einige Grade ſteigern .. und dann mit größtem Gleichmuth das verführeriſche Ge- bräu hinabſchlürfen? ..
„Wie heißen Sie, mein Fräulein?“ fragte er vor- erſt die Kellnerin. So thut man ſo oft etwas Ueber- flüſſiges, ſo lange man nicht weiß, ob man das weniger Ueberflüſſige nicht für das noch mehr Ueber- flüſſige halten ſoll.
„Melitta!“ antwortete die Dame.
„Donnerwetter! Melitta! Die Kellnerinnen werden immer vornehmer, Sie gefallen mir übrigens, Melitta — wollen Sie nicht 'n Glas mittrinken? —“
Das Mädchen blickte fragend auf Hedwig, die ſich zurückgelehnt hatte und finſter, beinah drohend zu Adam hinüberſah. Der fühlte ſich ſehr unbe- haglich. Konnte denn die Dame nicht einmal aus ſich herausgehen, nicht einmal in einen luſtigeren, leichteren Ton miteinſtimmen? Das Leben etwas zwang- loſer, etwas kritikloſer nehmen? Immer daſſelbe gleichſam feſtgefrorene Abweiſungs- und Entſagungs- pathos — es wird etwas langweilig auf die Dauer. Jawohl! Es kann ſogar ſehr langweilig werden. Wie? Wenn er jetzt neben Emmy ſäße .. und ſein leckeres Weiblein an dieſem köſtlichen Goldwein nippte und ihm dabei über den Rand des Glaſes hin zu- blinzelte mit ſeinen luſtigen, lockenden Augen .. ſo
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beſchnüffeln, beſchnuppern — obgleich ſie ganz genau
wiſſen, welch' Geiſtes Kinder ſie ſind ...
Adam war unſchlüſſig. Sollte er einmal zu
den beiden hinüber ſchlendern .. das Pikante der
Situation noch um einige Grade ſteigern .. und
dann mit größtem Gleichmuth das verführeriſche Ge-
bräu hinabſchlürfen? ..
„Wie heißen Sie, mein Fräulein?“ fragte er vor-
erſt die Kellnerin. So thut man ſo oft etwas Ueber-
flüſſiges, ſo lange man nicht weiß, ob man das
weniger Ueberflüſſige nicht für das noch mehr Ueber-
flüſſige halten ſoll.
„Melitta!“ antwortete die Dame.
„Donnerwetter! Melitta! Die Kellnerinnen
werden immer vornehmer, Sie gefallen mir übrigens,
Melitta — wollen Sie nicht 'n Glas mittrinken? —“
Das Mädchen blickte fragend auf Hedwig, die
ſich zurückgelehnt hatte und finſter, beinah drohend
zu Adam hinüberſah. Der fühlte ſich ſehr unbe-
haglich. Konnte denn die Dame nicht einmal aus ſich
herausgehen, nicht einmal in einen luſtigeren, leichteren
Ton miteinſtimmen? Das Leben etwas zwang-
loſer, etwas kritikloſer nehmen? Immer daſſelbe
gleichſam feſtgefrorene Abweiſungs- und Entſagungs-
pathos — es wird etwas langweilig auf die Dauer.
Jawohl! Es kann ſogar ſehr langweilig werden.
Wie? Wenn er jetzt neben Emmy ſäße .. und ſein
leckeres Weiblein an dieſem köſtlichen Goldwein nippte
und ihm dabei über den Rand des Glaſes hin zu-
blinzelte mit ſeinen luſtigen, lockenden Augen .. ſo
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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/282>, abgerufen am 24.11.2024.
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