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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].

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wirth glaubte Grund genug zu der Befürchtung zu besitzen,
über kurz oder lang einen seiner besten Stammgäste zu
verlieren -- und das würde doch sehr fatal sein. -- --

Adam fühlte sich immer ungemüthlicher. Hedwig
war so wortkarg .. starrte in Einem fort vor sich
hin -- und schien mehr an ihren verlassenen Vater
zu denken, als an den Geliebten, der ihr zur Seite
saß -- eine lebendige, begehrende und gabenbereite
Gegenwart ... der mit köstlichem Weine den Bund
ihrer Herzen feiern wollte heute Nacht ... der die
Stimmung für orgiastisches Draufgehn wachsen und
wachsen spürte in sich .. wachsen mit dem ge-
nossenen Weine und der vorenthaltenen Genugthuung
des Leibes, die immer heißer und brünstiger um
ihr Recht warb .. Adam verbiß sich rein in seinen
Aerger über Hedwigs Sprödigkeit. Er trank immer
hastiger, wurde immer nervöser, suchte die Müdig-
keit, die manchmal mit eingeriemter Schlinge an seinen
Gelenken zerrte, durch krampfhafte seelische Sprünge
und Erschütterungen zu verscheuchen. Nun schnappte
ein leichter, discreter Rausch nach ihm: verhangene
Fernsichten schlossen sich auf .. und tagsüber ver-
schüttet gebliebene Gedanken, Stimmungen, Erinne-
rungen kamen zu ihm, flink, geschwind, behend wie
Eidechsen, aus Rissen und Spaltungen, darin sie
geschlummert hatten ...

Adam fühlte den Blick Emmys anhaltend auf
sich. Er konnte nicht widerstehen. Das Ungewöhn-
liche der Situation reizte ihn zu sehr. "Verzeih,
Hedwig! Ich muß erst 'mal zu meiner Emmy

wirth glaubte Grund genug zu der Befürchtung zu beſitzen,
über kurz oder lang einen ſeiner beſten Stammgäſte zu
verlieren — und das würde doch ſehr fatal ſein. — —

Adam fühlte ſich immer ungemüthlicher. Hedwig
war ſo wortkarg .. ſtarrte in Einem fort vor ſich
hin — und ſchien mehr an ihren verlaſſenen Vater
zu denken, als an den Geliebten, der ihr zur Seite
ſaß — eine lebendige, begehrende und gabenbereite
Gegenwart ... der mit köſtlichem Weine den Bund
ihrer Herzen feiern wollte heute Nacht ... der die
Stimmung für orgiaſtiſches Draufgehn wachſen und
wachſen ſpürte in ſich .. wachſen mit dem ge-
noſſenen Weine und der vorenthaltenen Genugthuung
des Leibes, die immer heißer und brünſtiger um
ihr Recht warb .. Adam verbiß ſich rein in ſeinen
Aerger über Hedwigs Sprödigkeit. Er trank immer
haſtiger, wurde immer nervöſer, ſuchte die Müdig-
keit, die manchmal mit eingeriemter Schlinge an ſeinen
Gelenken zerrte, durch krampfhafte ſeeliſche Sprünge
und Erſchütterungen zu verſcheuchen. Nun ſchnappte
ein leichter, discreter Rauſch nach ihm: verhangene
Fernſichten ſchloſſen ſich auf .. und tagsüber ver-
ſchüttet gebliebene Gedanken, Stimmungen, Erinne-
rungen kamen zu ihm, flink, geſchwind, behend wie
Eidechſen, aus Riſſen und Spaltungen, darin ſie
geſchlummert hatten ...

Adam fühlte den Blick Emmys anhaltend auf
ſich. Er konnte nicht widerſtehen. Das Ungewöhn-
liche der Situation reizte ihn zu ſehr. „Verzeih,
Hedwig! Ich muß erſt 'mal zu meiner Emmy

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[277/0285] wirth glaubte Grund genug zu der Befürchtung zu beſitzen, über kurz oder lang einen ſeiner beſten Stammgäſte zu verlieren — und das würde doch ſehr fatal ſein. — — Adam fühlte ſich immer ungemüthlicher. Hedwig war ſo wortkarg .. ſtarrte in Einem fort vor ſich hin — und ſchien mehr an ihren verlaſſenen Vater zu denken, als an den Geliebten, der ihr zur Seite ſaß — eine lebendige, begehrende und gabenbereite Gegenwart ... der mit köſtlichem Weine den Bund ihrer Herzen feiern wollte heute Nacht ... der die Stimmung für orgiaſtiſches Draufgehn wachſen und wachſen ſpürte in ſich .. wachſen mit dem ge- noſſenen Weine und der vorenthaltenen Genugthuung des Leibes, die immer heißer und brünſtiger um ihr Recht warb .. Adam verbiß ſich rein in ſeinen Aerger über Hedwigs Sprödigkeit. Er trank immer haſtiger, wurde immer nervöſer, ſuchte die Müdig- keit, die manchmal mit eingeriemter Schlinge an ſeinen Gelenken zerrte, durch krampfhafte ſeeliſche Sprünge und Erſchütterungen zu verſcheuchen. Nun ſchnappte ein leichter, discreter Rauſch nach ihm: verhangene Fernſichten ſchloſſen ſich auf .. und tagsüber ver- ſchüttet gebliebene Gedanken, Stimmungen, Erinne- rungen kamen zu ihm, flink, geſchwind, behend wie Eidechſen, aus Riſſen und Spaltungen, darin ſie geſchlummert hatten ... Adam fühlte den Blick Emmys anhaltend auf ſich. Er konnte nicht widerſtehen. Das Ungewöhn- liche der Situation reizte ihn zu ſehr. „Verzeih, Hedwig! Ich muß erſt 'mal zu meiner Emmy

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Zitationshilfe: Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/285>, abgerufen am 24.11.2024.