besten Willen jetzt nicht nach Hause gehen -- siehst Du denn das gar nicht ein? Was sollen wir noch ewig debattiren darüber! Laß Dich doch überzeugen! Du verdirbst mir den letzten Rest von Stimmung! Mir war etwas viel Schöneres eingefallen. Na! Nicht gerade eingefallen. Ueber Manches hätten wir wohl noch zu sprechen, Hedwig -- über manches Wichtige, Tiefe, Intime. Und wenn wir uns jetzt recht zu- sammennähmen -- und uns so recht jung und rein, kräftig und ungebrochen zu fühlen versuchten -- und so recht allein und auf uns nur angewiesen -- mir schwebt noch Dies und Das vor ... dämmert zu mir herüber -- ich möchte Dir aus meinem Leben erzählen ... Erinnerungen auffärben -- Er- innerungen anderer Art, als vorhin, wo ich Dir von Deinen ... Deinen -- Vorläuferinnen -- pardon! -- also -- -- aber bitte! -- Komm zunächst! Hedwig! Komm! Komm! Komm! Komm! Mach' doch! Und thu' mir den Gefallen und weine nicht wieder! Ein furchtbar schwerer Güterzug bist Du! Donner- wetter! Die Locomotive muß eine Puste haben --"
Adam versuchte zu scherzen und machte ein ge- zwungen heiteres Gesicht. Warm blies ihn der feuchte Frühlingswind an. Adam nahm den Hut ab und lockerte das zusammengedrückte Haar auf. Nun gähnte er laut. Zögernd, verdrossen führte er die Hand zum Munde. Er blinzelte müden, verschwommenen Blickes zu Hedwig hinüber, die ein paar Schritte vorwärtsgegangen und dann wieder wie rathlos, zweifelnd, suchend, unentschlossen und
beſten Willen jetzt nicht nach Hauſe gehen — ſiehſt Du denn das gar nicht ein? Was ſollen wir noch ewig debattiren darüber! Laß Dich doch überzeugen! Du verdirbſt mir den letzten Reſt von Stimmung! Mir war etwas viel Schöneres eingefallen. Na! Nicht gerade eingefallen. Ueber Manches hätten wir wohl noch zu ſprechen, Hedwig — über manches Wichtige, Tiefe, Intime. Und wenn wir uns jetzt recht zu- ſammennähmen — und uns ſo recht jung und rein, kräftig und ungebrochen zu fühlen verſuchten — und ſo recht allein und auf uns nur angewieſen — mir ſchwebt noch Dies und Das vor ... dämmert zu mir herüber — ich möchte Dir aus meinem Leben erzählen ... Erinnerungen auffärben — Er- innerungen anderer Art, als vorhin, wo ich Dir von Deinen ... Deinen — Vorläuferinnen — pardon! — alſo — — aber bitte! — Komm zunächſt! Hedwig! Komm! Komm! Komm! Komm! Mach' doch! Und thu' mir den Gefallen und weine nicht wieder! Ein furchtbar ſchwerer Güterzug biſt Du! Donner- wetter! Die Locomotive muß eine Puſte haben —“
Adam verſuchte zu ſcherzen und machte ein ge- zwungen heiteres Geſicht. Warm blies ihn der feuchte Frühlingswind an. Adam nahm den Hut ab und lockerte das zuſammengedrückte Haar auf. Nun gähnte er laut. Zögernd, verdroſſen führte er die Hand zum Munde. Er blinzelte müden, verſchwommenen Blickes zu Hedwig hinüber, die ein paar Schritte vorwärtsgegangen und dann wieder wie rathlos, zweifelnd, ſuchend, unentſchloſſen und
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0298"n="290"/>
beſten Willen jetzt nicht nach Hauſe gehen —ſiehſt Du<lb/>
denn das gar nicht ein? Was ſollen wir noch ewig<lb/>
debattiren darüber! Laß Dich doch überzeugen! Du<lb/>
verdirbſt mir den letzten Reſt von Stimmung! Mir<lb/>
war etwas viel Schöneres eingefallen. Na! Nicht<lb/>
gerade eingefallen. Ueber Manches hätten wir wohl<lb/>
noch zu ſprechen, Hedwig — über manches Wichtige,<lb/>
Tiefe, Intime. Und wenn wir uns jetzt recht zu-<lb/>ſammennähmen — und uns ſo recht jung und rein,<lb/>
kräftig und ungebrochen zu fühlen verſuchten —<lb/>
und ſo recht allein und auf uns nur angewieſen<lb/>— mir ſchwebt noch Dies und Das vor ... dämmert<lb/>
zu mir herüber — ich möchte Dir aus meinem<lb/>
Leben erzählen ... Erinnerungen auffärben — Er-<lb/>
innerungen anderer Art, als vorhin, wo ich Dir von<lb/>
Deinen ... Deinen — Vorläuferinnen — pardon!<lb/>— alſo —— aber bitte! — Komm zunächſt!<lb/>
Hedwig! Komm! Komm! Komm! Komm! Mach' doch!<lb/>
Und thu' mir den Gefallen und weine nicht wieder!<lb/>
Ein furchtbar ſchwerer Güterzug biſt Du! Donner-<lb/>
wetter! Die Locomotive muß eine Puſte haben —“</p><lb/><p>Adam verſuchte zu ſcherzen und machte ein ge-<lb/>
zwungen heiteres Geſicht. Warm blies ihn der<lb/>
feuchte Frühlingswind an. Adam nahm den Hut<lb/>
ab und lockerte das zuſammengedrückte Haar auf.<lb/>
Nun gähnte er laut. Zögernd, verdroſſen führte<lb/>
er die Hand zum Munde. Er blinzelte müden,<lb/>
verſchwommenen Blickes zu Hedwig hinüber, die ein<lb/>
paar Schritte vorwärtsgegangen und dann wieder<lb/>
wie rathlos, zweifelnd, ſuchend, unentſchloſſen und<lb/></p></div></body></text></TEI>
[290/0298]
beſten Willen jetzt nicht nach Hauſe gehen — ſiehſt Du
denn das gar nicht ein? Was ſollen wir noch ewig
debattiren darüber! Laß Dich doch überzeugen! Du
verdirbſt mir den letzten Reſt von Stimmung! Mir
war etwas viel Schöneres eingefallen. Na! Nicht
gerade eingefallen. Ueber Manches hätten wir wohl
noch zu ſprechen, Hedwig — über manches Wichtige,
Tiefe, Intime. Und wenn wir uns jetzt recht zu-
ſammennähmen — und uns ſo recht jung und rein,
kräftig und ungebrochen zu fühlen verſuchten —
und ſo recht allein und auf uns nur angewieſen
— mir ſchwebt noch Dies und Das vor ... dämmert
zu mir herüber — ich möchte Dir aus meinem
Leben erzählen ... Erinnerungen auffärben — Er-
innerungen anderer Art, als vorhin, wo ich Dir von
Deinen ... Deinen — Vorläuferinnen — pardon!
— alſo — — aber bitte! — Komm zunächſt!
Hedwig! Komm! Komm! Komm! Komm! Mach' doch!
Und thu' mir den Gefallen und weine nicht wieder!
Ein furchtbar ſchwerer Güterzug biſt Du! Donner-
wetter! Die Locomotive muß eine Puſte haben —“
Adam verſuchte zu ſcherzen und machte ein ge-
zwungen heiteres Geſicht. Warm blies ihn der
feuchte Frühlingswind an. Adam nahm den Hut
ab und lockerte das zuſammengedrückte Haar auf.
Nun gähnte er laut. Zögernd, verdroſſen führte
er die Hand zum Munde. Er blinzelte müden,
verſchwommenen Blickes zu Hedwig hinüber, die ein
paar Schritte vorwärtsgegangen und dann wieder
wie rathlos, zweifelnd, ſuchend, unentſchloſſen und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/298>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.