Ich begreife nicht, warum Du Dich darum so furcht- bar absorgst und abgrämst .. Die Situation ist ein Wenig außergewöhnlich -- ich gestehe es zu -- das ist aber auch Alles. Sie mag nicht alle Tage vor- kommen -- nun ja! Aber ich danke auch dafür, alle Tage Sauerkohl und Bratwürstel essen zu müssen. Es sind schon ganz andere Geschichten auf dieser Welt passirt -- sei doch nicht zu klein, Hedwig! Wir wollen nicht jeden Kram mit dem Pathos der geschicht- lichen Mundvöllerei-Tragödie ausstaffiren -- immer und immer wieder dieselben Phrasen, dasselbe nauseabonde, urtriste Gequatsche! Seien wir klar und nüchtern, wie es unsere Zeit verlangt -- ich hasse diese ba- nausische Sentimentalität, diese schleimige Gefühls- duselei ... Komm! Ich kann Dir zwar momentan nicht Beef und weiche Eier vorsetzen, wohl aber miserab- len Kaffee und ein Brödchen mit Sardellenbutter. Das ist auch Poesie, Kind! Nun -- das wird hoffent- lich Alles anders und besser werden, wenn Du erst 'mal meine kleine Hausfrau bist -- nicht wahr --?"
Hedwig war aufgestanden. Sie legte ihre Hände auf Adams Schultern, barg das Gesicht an seiner Brust und weinte leise in sich hinein.
"Ich habe ja nur Dich noch auf der ganzen weiten Welt, Adam -- habe Mitleid mit mir!" bat sie mit thränenerstickter Stimme.
Adam drückte sein Weib zärtlich an sich.
Und nun saßen sie wieder beisammen auf der schreiend rothen Damast-Causeuse.
Adam nippte an seiner Cigarette, Hedwig trank
Ich begreife nicht, warum Du Dich darum ſo furcht- bar abſorgſt und abgrämſt .. Die Situation iſt ein Wenig außergewöhnlich — ich geſtehe es zu — das iſt aber auch Alles. Sie mag nicht alle Tage vor- kommen — nun ja! Aber ich danke auch dafür, alle Tage Sauerkohl und Bratwürſtel eſſen zu müſſen. Es ſind ſchon ganz andere Geſchichten auf dieſer Welt paſſirt — ſei doch nicht zu klein, Hedwig! Wir wollen nicht jeden Kram mit dem Pathos der geſchicht- lichen Mundvöllerei-Tragödie ausſtaffiren — immer und immer wieder dieſelben Phraſen, daſſelbe nauſéabonde, urtriſte Gequatſche! Seien wir klar und nüchtern, wie es unſere Zeit verlangt — ich haſſe dieſe ba- nauſiſche Sentimentalität, dieſe ſchleimige Gefühls- duſelei ... Komm! Ich kann Dir zwar momentan nicht Beef und weiche Eier vorſetzen, wohl aber miſerab- len Kaffee und ein Brödchen mit Sardellenbutter. Das iſt auch Poeſie, Kind! Nun — das wird hoffent- lich Alles anders und beſſer werden, wenn Du erſt 'mal meine kleine Hausfrau biſt — nicht wahr —?“
Hedwig war aufgeſtanden. Sie legte ihre Hände auf Adams Schultern, barg das Geſicht an ſeiner Bruſt und weinte leiſe in ſich hinein.
„Ich habe ja nur Dich noch auf der ganzen weiten Welt, Adam — habe Mitleid mit mir!“ bat ſie mit thränenerſtickter Stimme.
Adam drückte ſein Weib zärtlich an ſich.
Und nun ſaßen ſie wieder beiſammen auf der ſchreiend rothen Damaſt-Cauſeuſe.
Adam nippte an ſeiner Cigarette, Hedwig trank
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Ich begreife nicht, warum Du Dich darum ſo furcht-
bar abſorgſt und abgrämſt .. Die Situation iſt ein
Wenig außergewöhnlich — ich geſtehe es zu — das
iſt aber auch Alles. Sie mag nicht alle Tage vor-
kommen — nun ja! Aber ich danke auch dafür,
alle Tage Sauerkohl und Bratwürſtel eſſen zu müſſen.
Es ſind ſchon ganz andere Geſchichten auf dieſer Welt
paſſirt — ſei doch nicht zu klein, Hedwig! Wir
wollen nicht jeden Kram mit dem Pathos der geſchicht-
lichen Mundvöllerei-Tragödie ausſtaffiren — immer und
immer wieder dieſelben Phraſen, daſſelbe nauſéabonde,
urtriſte Gequatſche! Seien wir klar und nüchtern,
wie es unſere Zeit verlangt — ich haſſe dieſe ba-
nauſiſche Sentimentalität, dieſe ſchleimige Gefühls-
duſelei ... Komm! Ich kann Dir zwar momentan
nicht Beef und weiche Eier vorſetzen, wohl aber miſerab-
len Kaffee und ein Brödchen mit Sardellenbutter. Das
iſt auch Poeſie, Kind! Nun — das wird hoffent-
lich Alles anders und beſſer werden, wenn Du erſt
'mal meine kleine Hausfrau biſt — nicht wahr —?“
Hedwig war aufgeſtanden. Sie legte ihre Hände
auf Adams Schultern, barg das Geſicht an ſeiner
Bruſt und weinte leiſe in ſich hinein.
„Ich habe ja nur Dich noch auf der ganzen
weiten Welt, Adam — habe Mitleid mit mir!“ bat
ſie mit thränenerſtickter Stimme.
Adam drückte ſein Weib zärtlich an ſich.
Und nun ſaßen ſie wieder beiſammen auf der
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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/320>, abgerufen am 22.11.2024.
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