bei Besinnung war --? War das nicht das Delirium der Wuth, des Jähzorns, der sein Opfer packt und zerfleischt --? Und sie war eine wehrlose Frau -- -- aber der Scandal -- --
"-- Sind Sie unwohl geworden, Herr Doc- tor --?" sickerte es jetzt mühsam über ihre Lippen --
Adam faßte sich. Er ließ sich langsam vom Tisch los, dämpfte seinen keuchenden Athem, trat näher an Lydia heran, die unwillkürlich immer weiter nach dem Fenster zu zurückwich, legte die wie festge- schraubte Schienen aneinandergekrampften Arme über die Brust -- --
"-- Unwohl wäre ich, glaubst Du, Weib?" stieß er heiser heraus -- "ei! Und wie unwohl! Aber ich sage Dir: -- das ist eine ganz verdammte Lüge, die nur ein Schurke zusammenkneten kann! Mir ist so wohl, so dämonisch sauwohl, sage ich Dir, Weib, wie mir in meinem ganzen Leben noch nicht gewesen ist! Aber Du -- Du -- Du sollst zittern! Warte nur! Ha! Es ist zum Andiedecke- springen! Zum Todtlachen! Zum -- zum -- -- Du wagst es, mich zu beleidigen -- Du spielst Deine kleine, egoistische Seele gegen mich aus -- Du wagst es, mir mit Deinen abgestandenen Phrasen von "An- stand" und "Gutem Ton" zu kommen, wo ich Dich um Erfüllung Deiner allerordinärsten Menschenpflicht angehe -- wo ich als Anwalt der Armuth vor Dir stehe, der Du mit Deinem verfluchten Mammon hel- fen sollst -- ha! da kehrst Du die feine Dame 'raus -- und verbittest Dir ein Benehmen -- ein
bei Beſinnung war —? War das nicht das Delirium der Wuth, des Jähzorns, der ſein Opfer packt und zerfleiſcht —? Und ſie war eine wehrloſe Frau — — aber der Scandal — —
„— Sind Sie unwohl geworden, Herr Doc- tor —?“ ſickerte es jetzt mühſam über ihre Lippen —
Adam faßte ſich. Er ließ ſich langſam vom Tiſch los, dämpfte ſeinen keuchenden Athem, trat näher an Lydia heran, die unwillkürlich immer weiter nach dem Fenſter zu zurückwich, legte die wie feſtge- ſchraubte Schienen aneinandergekrampften Arme über die Bruſt — —
„— Unwohl wäre ich, glaubſt Du, Weib?“ ſtieß er heiſer heraus — „ei! Und wie unwohl! Aber ich ſage Dir: — das iſt eine ganz verdammte Lüge, die nur ein Schurke zuſammenkneten kann! Mir iſt ſo wohl, ſo dämoniſch ſauwohl, ſage ich Dir, Weib, wie mir in meinem ganzen Leben noch nicht geweſen iſt! Aber Du — Du — Du ſollſt zittern! Warte nur! Ha! Es iſt zum Andiedecke- ſpringen! Zum Todtlachen! Zum — zum — — Du wagſt es, mich zu beleidigen — Du ſpielſt Deine kleine, egoiſtiſche Seele gegen mich aus — Du wagſt es, mir mit Deinen abgeſtandenen Phraſen von „An- ſtand“ und „Gutem Ton“ zu kommen, wo ich Dich um Erfüllung Deiner allerordinärſten Menſchenpflicht angehe — wo ich als Anwalt der Armuth vor Dir ſtehe, der Du mit Deinem verfluchten Mammon hel- fen ſollſt — ha! da kehrſt Du die feine Dame 'raus — und verbitteſt Dir ein Benehmen — ein
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bei Beſinnung war —? War das nicht das Delirium
der Wuth, des Jähzorns, der ſein Opfer packt und
zerfleiſcht —? Und ſie war eine wehrloſe Frau —
— aber der Scandal — —
„— Sind Sie unwohl geworden, Herr Doc-
tor —?“ ſickerte es jetzt mühſam über ihre Lippen —
Adam faßte ſich. Er ließ ſich langſam vom Tiſch
los, dämpfte ſeinen keuchenden Athem, trat näher an
Lydia heran, die unwillkürlich immer weiter nach
dem Fenſter zu zurückwich, legte die wie feſtge-
ſchraubte Schienen aneinandergekrampften Arme über
die Bruſt — —
„— Unwohl wäre ich, glaubſt Du, Weib?“
ſtieß er heiſer heraus — „ei! Und wie unwohl!
Aber ich ſage Dir: — das iſt eine ganz verdammte
Lüge, die nur ein Schurke zuſammenkneten kann!
Mir iſt ſo wohl, ſo dämoniſch ſauwohl, ſage ich
Dir, Weib, wie mir in meinem ganzen Leben noch
nicht geweſen iſt! Aber Du — Du — Du ſollſt
zittern! Warte nur! Ha! Es iſt zum Andiedecke-
ſpringen! Zum Todtlachen! Zum — zum — —
Du wagſt es, mich zu beleidigen — Du ſpielſt Deine
kleine, egoiſtiſche Seele gegen mich aus — Du wagſt
es, mir mit Deinen abgeſtandenen Phraſen von „An-
ſtand“ und „Gutem Ton“ zu kommen, wo ich Dich
um Erfüllung Deiner allerordinärſten Menſchenpflicht
angehe — wo ich als Anwalt der Armuth vor Dir
ſtehe, der Du mit Deinem verfluchten Mammon hel-
fen ſollſt — ha! da kehrſt Du die feine Dame
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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 383. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/391>, abgerufen am 22.11.2024.
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