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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].

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der Welt und dem Menschenleben, was ihm gerade
als schärferer Gedanke, in schärferem Bilde zufiel
und aufging, wunderte sich langsam über die bunten
Erlebnisse seiner letzten Tage. Er wunderte sich
mit der intimen und tolpatschigen Naivetät des
Kindes. Er lächelte verstohlen vor sich hin und
that sehr geheimnißvoll. Er war sehr glücklich.

Nun trieb er durch eine breitere, hellere, be-
lebtere Straße. Und wieder kam das Gefühl gren-
zenloser Vereinsamtheit über ihn, jetzt noch stärker,
bezwingender, noch mehr niederwuchtend und ein-
schnürend. Oefter war es ihm, als müßte er einen
Schrei ausstoßen, einen kurzen, harten Schrei ..
einen dunklen, verlorenen Ruf durch die Nacht, einen
Ruf der Sehnsucht .. einen Schrei brennender
Herzensverzweiflung. Unter den Menschen, die da
ihm entgegenkamen, die da an ihm vorübergingen,
mußte doch so Mancher sein, der ihn verstehen
würde, wenn er ihm seine Brust öffnete, der sich zu
ihm gesellen, der mit ihm weitergehen würde, wenn
er seine Sehnsucht und sein heimliches Weh erfahren.
Oh! Wenn er riefe -- gewiß! sie würden kommen,
froh, daß sie Einen und Andere gefunden, die ihres-
gleichen wären. Aber er ging weiter, in sich ver-
sunken, der Ruf erstickte und erstarb in seinem
Munde, er schrie nicht, er hatte nicht den Muth dazu.

Der Mond war durchgebrochen. Mit seiner
goldgelben, massiven, durch ihre scharfe Plastik und
Umrissenheit geradezu aufdringlichen Fülle stand er in
einem See flimmernden, stahlblauen Aethers. Ihm

der Welt und dem Menſchenleben, was ihm gerade
als ſchärferer Gedanke, in ſchärferem Bilde zufiel
und aufging, wunderte ſich langſam über die bunten
Erlebniſſe ſeiner letzten Tage. Er wunderte ſich
mit der intimen und tolpatſchigen Naivetät des
Kindes. Er lächelte verſtohlen vor ſich hin und
that ſehr geheimnißvoll. Er war ſehr glücklich.

Nun trieb er durch eine breitere, hellere, be-
lebtere Straße. Und wieder kam das Gefühl gren-
zenloſer Vereinſamtheit über ihn, jetzt noch ſtärker,
bezwingender, noch mehr niederwuchtend und ein-
ſchnürend. Oefter war es ihm, als müßte er einen
Schrei ausſtoßen, einen kurzen, harten Schrei ..
einen dunklen, verlorenen Ruf durch die Nacht, einen
Ruf der Sehnſucht .. einen Schrei brennender
Herzensverzweiflung. Unter den Menſchen, die da
ihm entgegenkamen, die da an ihm vorübergingen,
mußte doch ſo Mancher ſein, der ihn verſtehen
würde, wenn er ihm ſeine Bruſt öffnete, der ſich zu
ihm geſellen, der mit ihm weitergehen würde, wenn
er ſeine Sehnſucht und ſein heimliches Weh erfahren.
Oh! Wenn er riefe — gewiß! ſie würden kommen,
froh, daß ſie Einen und Andere gefunden, die ihres-
gleichen wären. Aber er ging weiter, in ſich ver-
ſunken, der Ruf erſtickte und erſtarb in ſeinem
Munde, er ſchrie nicht, er hatte nicht den Muth dazu.

Der Mond war durchgebrochen. Mit ſeiner
goldgelben, maſſiven, durch ihre ſcharfe Plaſtik und
Umriſſenheit geradezu aufdringlichen Fülle ſtand er in
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[405/0413] der Welt und dem Menſchenleben, was ihm gerade als ſchärferer Gedanke, in ſchärferem Bilde zufiel und aufging, wunderte ſich langſam über die bunten Erlebniſſe ſeiner letzten Tage. Er wunderte ſich mit der intimen und tolpatſchigen Naivetät des Kindes. Er lächelte verſtohlen vor ſich hin und that ſehr geheimnißvoll. Er war ſehr glücklich. Nun trieb er durch eine breitere, hellere, be- lebtere Straße. Und wieder kam das Gefühl gren- zenloſer Vereinſamtheit über ihn, jetzt noch ſtärker, bezwingender, noch mehr niederwuchtend und ein- ſchnürend. Oefter war es ihm, als müßte er einen Schrei ausſtoßen, einen kurzen, harten Schrei .. einen dunklen, verlorenen Ruf durch die Nacht, einen Ruf der Sehnſucht .. einen Schrei brennender Herzensverzweiflung. Unter den Menſchen, die da ihm entgegenkamen, die da an ihm vorübergingen, mußte doch ſo Mancher ſein, der ihn verſtehen würde, wenn er ihm ſeine Bruſt öffnete, der ſich zu ihm geſellen, der mit ihm weitergehen würde, wenn er ſeine Sehnſucht und ſein heimliches Weh erfahren. Oh! Wenn er riefe — gewiß! ſie würden kommen, froh, daß ſie Einen und Andere gefunden, die ihres- gleichen wären. Aber er ging weiter, in ſich ver- ſunken, der Ruf erſtickte und erſtarb in ſeinem Munde, er ſchrie nicht, er hatte nicht den Muth dazu. Der Mond war durchgebrochen. Mit ſeiner goldgelben, maſſiven, durch ihre ſcharfe Plaſtik und Umriſſenheit geradezu aufdringlichen Fülle ſtand er in einem See flimmernden, ſtahlblauen Aethers. Ihm

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Zitationshilfe: Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 405. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/413>, abgerufen am 24.11.2024.