Corvinus, Gottlieb Siegmund: Nutzbares, galantes und curiöses Frauenzimmer-Lexicon. Leipzig, 1715.[Spaltenumbruch]
Schurmann unflätigen Liebes-Lieder, so die fre-chen und unverschämten Vetteln öffters zu singen und sich daran zu delectiren pflegen. Die H. Schrifft nennet selbige Huren-Lieder. Esai. XXIII, 15. von Schurmann, Anna Maria. Eine Adeliche Schurmann nen Hebräischen, netten Griechi-schen, galanten Lateinischen und artigen Frantzöischen Vers zu schreiben wuste. Uber dieses ex- cellirte sie in der Music, Mahlerey und Rechen-Kunst, konte in Kupf- fer und Glaß graben, Bilder von Holtz, Ertz und Wachs verfertigen, und sonderlich in Mignatur mah- len, gestalt sie die Schwedische Kö- nigin Christinam, als sie ihr da- mahls eine hohe Visite gab, unter dem eyfrigsten Discurs gantz natu- rell und künstlich abgemahlet. Un- ter andern dergleichen von ihr verfertigten Kunst-Stücken wird das Portrait ihrer Mutter, ihres Bruders, und ihr eigenes, so sie mit einem gemeinen Messer von Bux- baum-Holtz geschnitzet, sehr hoch gerühmet, worvon der berühmte Künstler Honthorst des Bruders Bild allein auf 1000. Gülden werth geschätzet: Noch höher aber wurde ihr eigenes Bild gehalten, so sie mit Hülffe des Spiegels aus Wachs verfertiget und sich selbst zwey Lateinische Disticha darunter gesetzet, welches aber von ungefehr aus Unvorsichtigkeit einer von ih- ren Anverwandtinnen auff die Erde verschüttet ward. Die al- lerberühmtesten und gelehrtesten Männer so wohl anderer, als auch ihrer Zeit als: Salmasius, Bartho- linus, Vossius, Gassendus, Esber- gius, Clementinus, Gabriel Nau- daeus, Jacobus Crucius, Jacobus Martinus, Barlaeus, Drechslerus und andere mehr, wissen nicht Nahmen genug zu erfinden, wodurch sie diese gelehrte Pallas nach Würden erhe- ben können; Doch wie nichts so vollkommen in der Welt ist, woran man
[Spaltenumbruch]
Schurmann unflaͤtigen Liebes-Lieder, ſo die fre-chen und unverſchaͤmten Vetteln oͤffters zu ſingen und ſich daran zu delectiren pflegen. Die H. Schrifft nennet ſelbige Huren-Lieder. Eſai. XXIII, 15. von Schurmann, Anna Maria. Eine Adeliche Schurmann nen Hebraͤiſchen, netten Griechi-ſchen, galanten Lateiniſchen und artigen Frantzoͤiſchen Vers zu ſchreiben wuſte. Uber dieſes ex- cellirte ſie in der Muſic, Mahlerey und Rechen-Kunſt, konte in Kupf- fer und Glaß graben, Bilder von Holtz, Ertz und Wachs verfertigen, und ſonderlich in Mignatur mah- len, geſtalt ſie die Schwediſche Koͤ- nigin Chriſtinam, als ſie ihr da- mahls eine hohe Viſite gab, unter dem eyfrigſten Diſcurs gantz natu- rell und kuͤnſtlich abgemahlet. Un- ter andern dergleichen von ihr verfertigten Kunſt-Stuͤcken wird das Portrait ihrer Mutter, ihres Bruders, und ihr eigenes, ſo ſie mit einem gemeinen Meſſer von Bux- baum-Holtz geſchnitzet, ſehr hoch geruͤhmet, worvon der beruͤhmte Kuͤnſtler Honthorſt des Bruders Bild allein auf 1000. Guͤlden werth geſchaͤtzet: Noch hoͤher aber wurde ihr eigenes Bild gehalten, ſo ſie mit Huͤlffe des Spiegels aus Wachs verfertiget und ſich ſelbſt zwey Lateiniſche Diſticha darunter geſetzet, welches aber von ungefehr aus Unvorſichtigkeit einer von ih- ren Anverwandtinnen auff die Erde verſchuͤttet ward. Die al- lerberuͤhmteſten und gelehrteſten Maͤnner ſo wohl anderer, als auch ihrer Zeit als: Salmaſius, Bartho- linus, Voſſius, Gaſſendus, Esber- gius, Clementinus, Gabriel Nau- dæus, Jacobus Crucius, Jacobus Martinus, Barlæus, Drechslerus und andere mehr, wiſſen nicht Nahmen genug zu erfinden, wodurch ſie dieſe gelehrte Pallas nach Wuͤrden erhe- ben koͤnnen; Doch wie nichts ſo vollkommen in der Welt iſt, woran man
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Schurmann
Schurmann
unflaͤtigen Liebes-Lieder, ſo die fre-
chen und unverſchaͤmten Vetteln
oͤffters zu ſingen und ſich daran zu
delectiren pflegen. Die H. Schrifft
nennet ſelbige Huren-Lieder.
Eſai. XXIII, 15.
von Schurmann,
Anna Maria. Eine Adeliche
Jungfer A. 1607. den 5. Nov. in
Coͤllniſchen Gebiethe gebohren, be-
gab ſich aber nach Utrecht, allwo ſie
ſich beſtaͤndig auffgehalten, und wo
man ihr eine eigene Stelle im oͤf-
fentlichen Auditorio, worinnen ſie
vielmahl bey angeſtellten Diſputa-
tionibus opponiret, angewieſen
hatte. Sie war aus vornehmen
Geſchlechte, und eine rechte Zierde
des weiblichen Geſchlechts, daher
ſie aller Augen auf ſich zog, und von
den allergelehrteſten Maͤnnern auf
eine gantz auſſerordentliche Art be-
wundert und verehret ward. Die
Schwediſche Koͤnigin Chriſtina
und Ludovica Maria Gonzaga, des
Polniſchen Koͤnigs Vladislai IV.
Gemahlin haben ihr ſelbſt die Vi-
ſite gegeben und ihre ungemeinen
Wiſſenſchafften hoch bewundert;
und dieſes nicht unbillich, maſſen
ſie nicht nur vierzehn Sprachen
als: Ebraͤiſch, Chaldaͤiſch, Sy-
riſch, Arabiſch, Tuͤꝛckiſch, Gꝛiechiſch,
Lateiniſch, Frantzoͤiſch, Engellaͤn-
diſch, Italiaͤniſch, Spaniſch,
Deutſch, Niederlaͤndiſch und Ba-
taviſch vollkommen zu ſchreiben
und zu reden wuſte, ſondern auch
in Theologiſcher, Philoſophiſcher,
Hiſtoriſcher, Mathematiſcher und
anderer Wiſſenſchafft ſich ſehr her-
vor thate, auch darbey eine vortreff-
liche Poetin abgab, ſo einen ſchoͤ-
nen Hebraͤiſchen, netten Griechi-
ſchen, galanten Lateiniſchen und
artigen Frantzoͤiſchen Vers zu
ſchreiben wuſte. Uber dieſes ex-
cellirte ſie in der Muſic, Mahlerey
und Rechen-Kunſt, konte in Kupf-
fer und Glaß graben, Bilder von
Holtz, Ertz und Wachs verfertigen,
und ſonderlich in Mignatur mah-
len, geſtalt ſie die Schwediſche Koͤ-
nigin Chriſtinam, als ſie ihr da-
mahls eine hohe Viſite gab, unter
dem eyfrigſten Diſcurs gantz natu-
rell und kuͤnſtlich abgemahlet. Un-
ter andern dergleichen von ihr
verfertigten Kunſt-Stuͤcken wird
das Portrait ihrer Mutter, ihres
Bruders, und ihr eigenes, ſo ſie mit
einem gemeinen Meſſer von Bux-
baum-Holtz geſchnitzet, ſehr hoch
geruͤhmet, worvon der beruͤhmte
Kuͤnſtler Honthorſt des Bruders
Bild allein auf 1000. Guͤlden
werth geſchaͤtzet: Noch hoͤher aber
wurde ihr eigenes Bild gehalten,
ſo ſie mit Huͤlffe des Spiegels aus
Wachs verfertiget und ſich ſelbſt
zwey Lateiniſche Diſticha darunter
geſetzet, welches aber von ungefehr
aus Unvorſichtigkeit einer von ih-
ren Anverwandtinnen auff die
Erde verſchuͤttet ward. Die al-
lerberuͤhmteſten und gelehrteſten
Maͤnner ſo wohl anderer, als auch
ihrer Zeit als: Salmaſius, Bartho-
linus, Voſſius, Gaſſendus, Esber-
gius, Clementinus, Gabriel Nau-
dæus, Jacobus Crucius, Jacobus
Martinus, Barlæus, Drechslerus und
andere mehr, wiſſen nicht Nahmen
genug zu erfinden, wodurch ſie dieſe
gelehrte Pallas nach Wuͤrden erhe-
ben koͤnnen; Doch wie nichts ſo
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