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Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764.

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nicht etwa nur die heilige Geschichte, sondern die
Geschichte fast eines jeden einzelnen Volkes, der
größte Theil des Erdkreises eine wüste, mit Wäl-
dern, Sümpfen und Seen bedeckte, unange-
baute Einöde. Beynahe von allen Sprachen
kann erwiesen werden, daß sie von einer gemein-
schaftlichen Muttersprache herstammen. Die Er-
findung der menschlichen Künste und Wissenschaf-
ten ist nicht alt; man kennt fast eine jede Epoche
derselben; man weiß fast alle Stufen ihres
Wachsthumes und ihrer Ausbreitung auf der
Erde. Hätte es vor undenklichen Zeiten Men-
schen gegeben; wären sie ewig: Hätte nicht auch
schon vor undenklichen Zeiten die Erde eben so
viele und noch mehr Einwohner haben müssen,
als itzt? Würde es dann nicht sehr viele Spra-
chen unter ihnen geben, die gar nichts mit einan-
der gemein hätten, weil sie doch alle aus will-
kührlichen Zeichen bestehen? Hätten die nützlich-
sten und unentbehrlichsten Wissenschaften und
Künste dem menschlichen Geschlechte so viele Jahr-
hunderte nach einander verborgen seyn können:
Müßte denn nicht längst alles erfunden seyn,
was menschliche Scharfsinnigkeit Nützliches und
Angenehmes erfinden kann? Die Menschen sind
also nicht ewig; sie sind nicht die erste, selbststän-
dige, ewige und nothwendige Ursache ihrer selbst

und



nicht etwa nur die heilige Geſchichte, ſondern die
Geſchichte faſt eines jeden einzelnen Volkes, der
größte Theil des Erdkreiſes eine wüſte, mit Wäl-
dern, Sümpfen und Seen bedeckte, unange-
baute Einöde. Beynahe von allen Sprachen
kann erwieſen werden, daß ſie von einer gemein-
ſchaftlichen Mutterſprache herſtammen. Die Er-
findung der menſchlichen Künſte und Wiſſenſchaf-
ten iſt nicht alt; man kennt faſt eine jede Epoche
derſelben; man weiß faſt alle Stufen ihres
Wachsthumes und ihrer Ausbreitung auf der
Erde. Hätte es vor undenklichen Zeiten Men-
ſchen gegeben; wären ſie ewig: Hätte nicht auch
ſchon vor undenklichen Zeiten die Erde eben ſo
viele und noch mehr Einwohner haben müſſen,
als itzt? Würde es dann nicht ſehr viele Spra-
chen unter ihnen geben, die gar nichts mit einan-
der gemein hätten, weil ſie doch alle aus will-
kührlichen Zeichen beſtehen? Hätten die nützlich-
ſten und unentbehrlichſten Wiſſenſchaften und
Künſte dem menſchlichen Geſchlechte ſo viele Jahr-
hunderte nach einander verborgen ſeyn können:
Müßte denn nicht längſt alles erfunden ſeyn,
was menſchliche Scharfſinnigkeit Nützliches und
Angenehmes erfinden kann? Die Menſchen ſind
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[148/0162] nicht etwa nur die heilige Geſchichte, ſondern die Geſchichte faſt eines jeden einzelnen Volkes, der größte Theil des Erdkreiſes eine wüſte, mit Wäl- dern, Sümpfen und Seen bedeckte, unange- baute Einöde. Beynahe von allen Sprachen kann erwieſen werden, daß ſie von einer gemein- ſchaftlichen Mutterſprache herſtammen. Die Er- findung der menſchlichen Künſte und Wiſſenſchaf- ten iſt nicht alt; man kennt faſt eine jede Epoche derſelben; man weiß faſt alle Stufen ihres Wachsthumes und ihrer Ausbreitung auf der Erde. Hätte es vor undenklichen Zeiten Men- ſchen gegeben; wären ſie ewig: Hätte nicht auch ſchon vor undenklichen Zeiten die Erde eben ſo viele und noch mehr Einwohner haben müſſen, als itzt? Würde es dann nicht ſehr viele Spra- chen unter ihnen geben, die gar nichts mit einan- der gemein hätten, weil ſie doch alle aus will- kührlichen Zeichen beſtehen? Hätten die nützlich- ſten und unentbehrlichſten Wiſſenſchaften und Künſte dem menſchlichen Geſchlechte ſo viele Jahr- hunderte nach einander verborgen ſeyn können: Müßte denn nicht längſt alles erfunden ſeyn, was menſchliche Scharfſinnigkeit Nützliches und Angenehmes erfinden kann? Die Menſchen ſind alſo nicht ewig; ſie ſind nicht die erſte, ſelbſtſtän- dige, ewige und nothwendige Urſache ihrer ſelbſt und

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Zitationshilfe: Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_andachten01_1764/162>, abgerufen am 25.11.2024.