Vermögen, nach den Vorstellungen meines Ver- standes zu handeln. Jch bemerke in mir Triebe, Begierden und Neigungen zu gewissen Zuständen, die mit ihnen übereinstimmen, und ihnen deswe- gen angenehm sind; ich entdecke in mir lebhafte Bestrebungen, mich darein zu versetzen, mir den Genuß dessen, was von meinem Verstande für gut gehalten wird, zu verschaffen, von dem Ge- gentheile hingegen, das ich verabscheue, zu ent- fernen. Oft gelingen mir diese Bestrebungen, und alsdann bin ich entweder glücklich, oder ich glaube doch, dadurch glücklich zu werden, bis ich durch die Erfahrung des Gegentheils aus mei- nem Jrrthum gebracht werde. Mein Wille, diese wunderbare Kraft, ist zu unzählbaren Hand- lungen geschickt. Zwar hat er über meinen Kör- per keine uneingeschränkte Gewalt; aber doch ist seine Herrschaft über seine Gliedmaßen, und be- sonders über die Werkzeuge seiner Empfindung, die Sinne, sehr groß. Zuweilen kann er zu sei- nen Handlungen oder Bestrebungen durch eine fremde Gewalt genöthigt werden, und alsdann klage ich über Zwang und Nothwendigkeit; ge- meiniglich ist er in der Vereinigung mit meinem Verstande die erste Ursache derselben; er bestimmt sich selbst, obgleich allezeit nach Vorstellungen meines Verstandes und alsdann erkenne ich mich
für
Vermögen, nach den Vorſtellungen meines Ver- ſtandes zu handeln. Jch bemerke in mir Triebe, Begierden und Neigungen zu gewiſſen Zuſtänden, die mit ihnen übereinſtimmen, und ihnen deswe- gen angenehm ſind; ich entdecke in mir lebhafte Beſtrebungen, mich darein zu verſetzen, mir den Genuß deſſen, was von meinem Verſtande für gut gehalten wird, zu verſchaffen, von dem Ge- gentheile hingegen, das ich verabſcheue, zu ent- fernen. Oft gelingen mir dieſe Beſtrebungen, und alsdann bin ich entweder glücklich, oder ich glaube doch, dadurch glücklich zu werden, bis ich durch die Erfahrung des Gegentheils aus mei- nem Jrrthum gebracht werde. Mein Wille, dieſe wunderbare Kraft, iſt zu unzählbaren Hand- lungen geſchickt. Zwar hat er über meinen Kör- per keine uneingeſchränkte Gewalt; aber doch iſt ſeine Herrſchaft über ſeine Gliedmaßen, und be- ſonders über die Werkzeuge ſeiner Empfindung, die Sinne, ſehr groß. Zuweilen kann er zu ſei- nen Handlungen oder Beſtrebungen durch eine fremde Gewalt genöthigt werden, und alsdann klage ich über Zwang und Nothwendigkeit; ge- meiniglich iſt er in der Vereinigung mit meinem Verſtande die erſte Urſache derſelben; er beſtimmt ſich ſelbſt, obgleich allezeit nach Vorſtellungen meines Verſtandes und alsdann erkenne ich mich
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Vermögen, nach den Vorſtellungen meines Ver-
ſtandes zu handeln. Jch bemerke in mir Triebe,
Begierden und Neigungen zu gewiſſen Zuſtänden,
die mit ihnen übereinſtimmen, und ihnen deswe-
gen angenehm ſind; ich entdecke in mir lebhafte
Beſtrebungen, mich darein zu verſetzen, mir den
Genuß deſſen, was von meinem Verſtande für
gut gehalten wird, zu verſchaffen, von dem Ge-
gentheile hingegen, das ich verabſcheue, zu ent-
fernen. Oft gelingen mir dieſe Beſtrebungen,
und alsdann bin ich entweder glücklich, oder ich
glaube doch, dadurch glücklich zu werden, bis
ich durch die Erfahrung des Gegentheils aus mei-
nem Jrrthum gebracht werde. Mein Wille,
dieſe wunderbare Kraft, iſt zu unzählbaren Hand-
lungen geſchickt. Zwar hat er über meinen Kör-
per keine uneingeſchränkte Gewalt; aber doch iſt
ſeine Herrſchaft über ſeine Gliedmaßen, und be-
ſonders über die Werkzeuge ſeiner Empfindung,
die Sinne, ſehr groß. Zuweilen kann er zu ſei-
nen Handlungen oder Beſtrebungen durch eine
fremde Gewalt genöthigt werden, und alsdann
klage ich über Zwang und Nothwendigkeit; ge-
meiniglich iſt er in der Vereinigung mit meinem
Verſtande die erſte Urſache derſelben; er beſtimmt
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Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_andachten01_1764/308>, abgerufen am 22.11.2024.
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