ner Seele eine besondre Vorsorge und Aufmerksam- keit schuldig. Jch muß meinen Verstand gebrau- chen, Wahrheit und Jrrthum von einander zu unterscheiden; ich muß über die Beschaffenheiten der Dinge außer mir und ihre Verhältnisse gegen meine Glückseeligkeit richtig denken und urtheilen lernen; ich muß das, was gut ist, und einen fortdaurenden wohlthätigen Einfluß auf meine Glückseeligkeit hat, mit Sicherheit von dem zu unterscheiden wissen, was nur mit dem Schei- ne des Guten blendet. Damit ich dieses kön- ne, muß ich die Vernunft üben, und um fähig zum Nachdenken, zur Aufmerksamkeit und Ueberlegung zu seyn, muß ich suchen, mei- ne Empfindung, meine Einbildung, mein Ge- dächtniß und alle sinnlichen Gemüthsbewegun- gen ihrer Herrschaft zu unterwerfen. Da ich nicht gleich den Thieren, denen die Fähigkeit fehlt, sich ihren und andrer Wesen zukünftigen Zustand vorzustellen, auf die gegenwärtige Em- pfindung meiner Bedürfnisse eingeschränkt, son- dern durch meine Natur genöthigt bin, voraus- zudenken, und durch die Vergleichung des Ver- gangnen mit dem Gegenwärtigen das Zukünftige wenigstens in seiner Möglichkeit zu erblicken: So muß ich sowohl wegen meiner Erhaltung und Fortdauer, als wegen meines Vergnügens An-
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ner Seele eine beſondre Vorſorge und Aufmerkſam- keit ſchuldig. Jch muß meinen Verſtand gebrau- chen, Wahrheit und Jrrthum von einander zu unterſcheiden; ich muß über die Beſchaffenheiten der Dinge außer mir und ihre Verhältniſſe gegen meine Glückſeeligkeit richtig denken und urtheilen lernen; ich muß das, was gut iſt, und einen fortdaurenden wohlthätigen Einfluß auf meine Glückſeeligkeit hat, mit Sicherheit von dem zu unterſcheiden wiſſen, was nur mit dem Schei- ne des Guten blendet. Damit ich dieſes kön- ne, muß ich die Vernunft üben, und um fähig zum Nachdenken, zur Aufmerkſamkeit und Ueberlegung zu ſeyn, muß ich ſuchen, mei- ne Empfindung, meine Einbildung, mein Ge- dächtniß und alle ſinnlichen Gemüthsbewegun- gen ihrer Herrſchaft zu unterwerfen. Da ich nicht gleich den Thieren, denen die Fähigkeit fehlt, ſich ihren und andrer Weſen zukünftigen Zuſtand vorzuſtellen, auf die gegenwärtige Em- pfindung meiner Bedürfniſſe eingeſchränkt, ſon- dern durch meine Natur genöthigt bin, voraus- zudenken, und durch die Vergleichung des Ver- gangnen mit dem Gegenwärtigen das Zukünftige wenigſtens in ſeiner Möglichkeit zu erblicken: So muß ich ſowohl wegen meiner Erhaltung und Fortdauer, als wegen meines Vergnügens An-
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ner Seele eine beſondre Vorſorge und Aufmerkſam-
keit ſchuldig. Jch muß meinen Verſtand gebrau-
chen, Wahrheit und Jrrthum von einander zu
unterſcheiden; ich muß über die Beſchaffenheiten
der Dinge außer mir und ihre Verhältniſſe gegen
meine Glückſeeligkeit richtig denken und urtheilen
lernen; ich muß das, was gut iſt, und einen
fortdaurenden wohlthätigen Einfluß auf meine
Glückſeeligkeit hat, mit Sicherheit von dem zu
unterſcheiden wiſſen, was nur mit dem Schei-
ne des Guten blendet. Damit ich dieſes kön-
ne, muß ich die Vernunft üben, und um
fähig zum Nachdenken, zur Aufmerkſamkeit
und Ueberlegung zu ſeyn, muß ich ſuchen, mei-
ne Empfindung, meine Einbildung, mein Ge-
dächtniß und alle ſinnlichen Gemüthsbewegun-
gen ihrer Herrſchaft zu unterwerfen. Da ich
nicht gleich den Thieren, denen die Fähigkeit
fehlt, ſich ihren und andrer Weſen zukünftigen
Zuſtand vorzuſtellen, auf die gegenwärtige Em-
pfindung meiner Bedürfniſſe eingeſchränkt, ſon-
dern durch meine Natur genöthigt bin, voraus-
zudenken, und durch die Vergleichung des Ver-
gangnen mit dem Gegenwärtigen das Zukünftige
wenigſtens in ſeiner Möglichkeit zu erblicken: So
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Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_andachten01_1764/323>, abgerufen am 22.11.2024.
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