Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764.Was hilft es, die Natur zu untersuchen, wenn der Vater der Natur und ihr Baumeister unbe- kannt ist? Warum frage ich nach den Ursachen und Wirkungen der Dinge, wenn ich nicht bis zur Ursache aller Ursachen emporsteige? Was hilft es, die Begebenheiten aller Jahrhunderte, den Ursprung und Untergang aller Völker, ihre Wanderungen und Schicksale, alle Abwechslun- gen des Krieges und des Friedens und die Tha- ten aller Helden erzählen zu können, wenn wir nicht die Thaten des höchsten Beherrschers aller Dinge kennen? Was nützt es, die Gesetze aller Völker zu wissen, wenn ich nicht weiß, ob es einen sichern und unbeweglichen Grund der Verbindlichkeit zum Gehorsam gegen irgend eini- ge Gesetze giebt? Was sind ohne die Erkenntniß Gottes alle Begriffe von der Tugend, von ihrer Schönheit und ihrem Nutzen, ihre prächtigsten Beschreibungen, als Träume, die, wie schön sie auch seyn mögen, mich doch nicht vergnügen können, weil es Schatten ohne Wesen sind. Denn was ist die Tugend ohne eine gewisse Be- lohnung, und das Laster ohne eine gewisse Be- strafung? Wenn ich Gott nicht kenne, so weiß ich bin;
Was hilft es, die Natur zu unterſuchen, wenn der Vater der Natur und ihr Baumeiſter unbe- kannt iſt? Warum frage ich nach den Urſachen und Wirkungen der Dinge, wenn ich nicht bis zur Urſache aller Urſachen emporſteige? Was hilft es, die Begebenheiten aller Jahrhunderte, den Urſprung und Untergang aller Völker, ihre Wanderungen und Schickſale, alle Abwechslun- gen des Krieges und des Friedens und die Tha- ten aller Helden erzählen zu können, wenn wir nicht die Thaten des höchſten Beherrſchers aller Dinge kennen? Was nützt es, die Geſetze aller Völker zu wiſſen, wenn ich nicht weiß, ob es einen ſichern und unbeweglichen Grund der Verbindlichkeit zum Gehorſam gegen irgend eini- ge Geſetze giebt? Was ſind ohne die Erkenntniß Gottes alle Begriffe von der Tugend, von ihrer Schönheit und ihrem Nutzen, ihre prächtigſten Beſchreibungen, als Träume, die, wie ſchön ſie auch ſeyn mögen, mich doch nicht vergnügen können, weil es Schatten ohne Weſen ſind. Denn was iſt die Tugend ohne eine gewiſſe Be- lohnung, und das Laſter ohne eine gewiſſe Be- ſtrafung? Wenn ich Gott nicht kenne, ſo weiß ich bin;
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Was hilft es, die Natur zu unterſuchen, wenn
der Vater der Natur und ihr Baumeiſter unbe-
kannt iſt? Warum frage ich nach den Urſachen
und Wirkungen der Dinge, wenn ich nicht bis zur
Urſache aller Urſachen emporſteige? Was hilft
es, die Begebenheiten aller Jahrhunderte, den
Urſprung und Untergang aller Völker, ihre
Wanderungen und Schickſale, alle Abwechslun-
gen des Krieges und des Friedens und die Tha-
ten aller Helden erzählen zu können, wenn wir
nicht die Thaten des höchſten Beherrſchers aller
Dinge kennen? Was nützt es, die Geſetze aller
Völker zu wiſſen, wenn ich nicht weiß, ob es
einen ſichern und unbeweglichen Grund der
Verbindlichkeit zum Gehorſam gegen irgend eini-
ge Geſetze giebt? Was ſind ohne die Erkenntniß
Gottes alle Begriffe von der Tugend, von ihrer
Schönheit und ihrem Nutzen, ihre prächtigſten
Beſchreibungen, als Träume, die, wie ſchön ſie
auch ſeyn mögen, mich doch nicht vergnügen
können, weil es Schatten ohne Weſen ſind.
Denn was iſt die Tugend ohne eine gewiſſe Be-
lohnung, und das Laſter ohne eine gewiſſe Be-
ſtrafung?
Wenn ich Gott nicht kenne, ſo weiß ich
nicht, woher ich bin; ich weiß nicht, warum ich
bin;
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