Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite



nen? Wie viel grösser der, der höher, als der
Himmel, tiefer, als der Abgrund, länger
denn die Erde, und breiter als das Meer
ist. Wornach messen wir die Größe der Größ-
ten unter den Menschen, der Könige? Nach der
Größe und der Pracht ihrer Werke, nach den
Colossen ihrer Bildsäulen, nach den Steingebür-
gen ihrer Palläste, nach den meilenlangen Gär-
ten, worinnen sie Flüsse in Becken sammeln,
und Wolken gegen Wolken sprützen lassen?
Welch eine Kraft haben diese kleinen Werke,
uns in Verwunderung zu setzen! Wie groß, ru-
fen wir aus, müssen diese seyn, die sie auffüh-
ren! Welche Macht, welche Schätze müssen sie
besitzen! Mit welch einer Kraft muß denn nicht
der unermeßliche Schauplatz der Natur auf un-
sere Verwunderung wirken! Jn welchem Erstau-
nen müssen wir hier verstummen oder ausrufen:
Wie unendlich groß ist der, der sagen kann:
Der Himmel ist mein Stuhl, und die Er-
de meine Fußbank!

Wo können sich also meine Aussichten
mehr erweitern; wo kann ich grössre Erkennt-
nisse und Gedanken einsammlen, als in der Be-
trachtung der an Pracht und Gewalt so grenzen-

losen



nen? Wie viel gröſſer der, der höher, als der
Himmel, tiefer, als der Abgrund, länger
denn die Erde, und breiter als das Meer
iſt. Wornach meſſen wir die Größe der Größ-
ten unter den Menſchen, der Könige? Nach der
Größe und der Pracht ihrer Werke, nach den
Coloſſen ihrer Bildſäulen, nach den Steingebür-
gen ihrer Palläſte, nach den meilenlangen Gär-
ten, worinnen ſie Flüſſe in Becken ſammeln,
und Wolken gegen Wolken ſprützen laſſen?
Welch eine Kraft haben dieſe kleinen Werke,
uns in Verwunderung zu ſetzen! Wie groß, ru-
fen wir aus, müſſen dieſe ſeyn, die ſie auffüh-
ren! Welche Macht, welche Schätze müſſen ſie
beſitzen! Mit welch einer Kraft muß denn nicht
der unermeßliche Schauplatz der Natur auf un-
ſere Verwunderung wirken! Jn welchem Erſtau-
nen müſſen wir hier verſtummen oder ausrufen:
Wie unendlich groß iſt der, der ſagen kann:
Der Himmel iſt mein Stuhl, und die Er-
de meine Fußbank!

Wo können ſich alſo meine Ausſichten
mehr erweitern; wo kann ich gröſſre Erkennt-
niſſe und Gedanken einſammlen, als in der Be-
trachtung der an Pracht und Gewalt ſo grenzen-

loſen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0057" n="43"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
nen? Wie viel grö&#x017F;&#x017F;er der, der höher, als der<lb/>
Himmel, tiefer, als der Abgrund, länger<lb/>
denn die Erde, und breiter als das Meer<lb/>
i&#x017F;t. Wornach me&#x017F;&#x017F;en wir die Größe der Größ-<lb/>
ten unter den Men&#x017F;chen, der Könige? Nach der<lb/>
Größe und der Pracht ihrer Werke, nach den<lb/>
Colo&#x017F;&#x017F;en ihrer Bild&#x017F;äulen, nach den Steingebür-<lb/>
gen ihrer Pallä&#x017F;te, nach den meilenlangen Gär-<lb/>
ten, worinnen &#x017F;ie Flü&#x017F;&#x017F;e in Becken &#x017F;ammeln,<lb/>
und Wolken gegen Wolken &#x017F;prützen la&#x017F;&#x017F;en?<lb/>
Welch eine Kraft haben die&#x017F;e kleinen Werke,<lb/>
uns in Verwunderung zu &#x017F;etzen! Wie groß, ru-<lb/>
fen wir aus, mü&#x017F;&#x017F;en die&#x017F;e &#x017F;eyn, die &#x017F;ie auffüh-<lb/>
ren! Welche Macht, welche Schätze mü&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie<lb/>
be&#x017F;itzen! Mit welch einer Kraft muß denn nicht<lb/>
der unermeßliche Schauplatz der Natur auf un-<lb/>
&#x017F;ere Verwunderung wirken! Jn welchem Er&#x017F;tau-<lb/>
nen mü&#x017F;&#x017F;en wir hier ver&#x017F;tummen oder ausrufen:<lb/>
Wie unendlich groß i&#x017F;t der, der &#x017F;agen kann:<lb/>
Der Himmel i&#x017F;t mein Stuhl, und die Er-<lb/>
de meine Fußbank!</p><lb/>
        <p>Wo können &#x017F;ich al&#x017F;o meine Aus&#x017F;ichten<lb/>
mehr erweitern; wo kann ich grö&#x017F;&#x017F;re Erkennt-<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;e und Gedanken ein&#x017F;ammlen, als in der Be-<lb/>
trachtung der an Pracht und Gewalt &#x017F;o grenzen-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">lo&#x017F;en</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[43/0057] nen? Wie viel gröſſer der, der höher, als der Himmel, tiefer, als der Abgrund, länger denn die Erde, und breiter als das Meer iſt. Wornach meſſen wir die Größe der Größ- ten unter den Menſchen, der Könige? Nach der Größe und der Pracht ihrer Werke, nach den Coloſſen ihrer Bildſäulen, nach den Steingebür- gen ihrer Palläſte, nach den meilenlangen Gär- ten, worinnen ſie Flüſſe in Becken ſammeln, und Wolken gegen Wolken ſprützen laſſen? Welch eine Kraft haben dieſe kleinen Werke, uns in Verwunderung zu ſetzen! Wie groß, ru- fen wir aus, müſſen dieſe ſeyn, die ſie auffüh- ren! Welche Macht, welche Schätze müſſen ſie beſitzen! Mit welch einer Kraft muß denn nicht der unermeßliche Schauplatz der Natur auf un- ſere Verwunderung wirken! Jn welchem Erſtau- nen müſſen wir hier verſtummen oder ausrufen: Wie unendlich groß iſt der, der ſagen kann: Der Himmel iſt mein Stuhl, und die Er- de meine Fußbank! Wo können ſich alſo meine Ausſichten mehr erweitern; wo kann ich gröſſre Erkennt- niſſe und Gedanken einſammlen, als in der Be- trachtung der an Pracht und Gewalt ſo grenzen- loſen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_andachten01_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_andachten01_1764/57
Zitationshilfe: Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_andachten01_1764/57>, abgerufen am 21.11.2024.