Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Cramer, Wilhelm: Der christliche Vater wie er sein und was er thun soll. Nebst einem Anhange von Gebeten für denselben. Dülmen, 1874.

Bild:
<< vorherige Seite

ter unter der gemachten Voraussetzung sie schwerlich
mit der nöthigen oder wünschenswerthen Ruhe voll-
führen; sie wird vielmehr vollzogen in der Aufwal-
lung des Zornes, leicht unter einem zahlreichen
Geleite von bittern Vorwürfen, Schmähungen und
Schimpfreden, mit unbesonnener, übermäßiger Härte,
ja Grausamkeit, so daß das Maß des Verdienten
weit überschritten wird und das eigene Kind vom
Vater arg mißhandelt und unbilliger Weise aufs
Empfindlichste gekränkt wird. Das Kind fühlt die Un-
gerechtigkeit einer also ausgeführten Strafe, es wird
in seinem Innersten verletzt, da es den eigenen Va-
ter wie einen Feind also hart und grausam wider
sich auftreten sieht, und die Wahrnehmung eines
solchen unwürdigen leidenschaftlichen Auftretens des-
selben versetzt der angestammten Hochachtung seines
kindlichen Herzens gegen den Vater eine tödtliche
Wunde, ja erfüllt es mit Verachtung und Wider-
willen.

Das ist dann also eine Züchtigung, welche das
Kind von seinen Fehlern nicht heilt, sondern es noch
mehr, noch viel ärger verwundet; eine Züchtigung,
welche nicht "die friedenvolle Frucht der Gerechtigkeit",
sondern arger sittlicher Verderbniß zur Folge hat.

Und doch, wie oft und vielfach hat man eine
solche Weise der Bestrafung der Kinder grad von
Seiten der Väter zu beklagen! Welche Verantwor-
tung! Die von Gott gestellt sind zu Freunden und
Vätern der Kinder, die werden zu ihren ärgsten Fein-
den; denn wie sie in der Ausführung ihrer Strafen
äußerlich als solche auftreten, so sind sie es in der
That durch den unsäglichen Schaden und Nachtheil,
den sie dadurch ihren Kindern zufügen. Ohne Zweifel

ter unter der gemachten Voraussetzung sie schwerlich
mit der nöthigen oder wünschenswerthen Ruhe voll-
führen; sie wird vielmehr vollzogen in der Aufwal-
lung des Zornes, leicht unter einem zahlreichen
Geleite von bittern Vorwürfen, Schmähungen und
Schimpfreden, mit unbesonnener, übermäßiger Härte,
ja Grausamkeit, so daß das Maß des Verdienten
weit überschritten wird und das eigene Kind vom
Vater arg mißhandelt und unbilliger Weise aufs
Empfindlichste gekränkt wird. Das Kind fühlt die Un-
gerechtigkeit einer also ausgeführten Strafe, es wird
in seinem Innersten verletzt, da es den eigenen Va-
ter wie einen Feind also hart und grausam wider
sich auftreten sieht, und die Wahrnehmung eines
solchen unwürdigen leidenschaftlichen Auftretens des-
selben versetzt der angestammten Hochachtung seines
kindlichen Herzens gegen den Vater eine tödtliche
Wunde, ja erfüllt es mit Verachtung und Wider-
willen.

Das ist dann also eine Züchtigung, welche das
Kind von seinen Fehlern nicht heilt, sondern es noch
mehr, noch viel ärger verwundet; eine Züchtigung,
welche nicht „die friedenvolle Frucht der Gerechtigkeit“,
sondern arger sittlicher Verderbniß zur Folge hat.

Und doch, wie oft und vielfach hat man eine
solche Weise der Bestrafung der Kinder grad von
Seiten der Väter zu beklagen! Welche Verantwor-
tung! Die von Gott gestellt sind zu Freunden und
Vätern der Kinder, die werden zu ihren ärgsten Fein-
den; denn wie sie in der Ausführung ihrer Strafen
äußerlich als solche auftreten, so sind sie es in der
That durch den unsäglichen Schaden und Nachtheil,
den sie dadurch ihren Kindern zufügen. Ohne Zweifel

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div>
          <div>
            <p><pb facs="#f0113" xml:id="C889V3_001_1874_pb0110_0001" n="110"/>
ter unter der gemachten Voraussetzung sie schwerlich<lb/>
mit der nöthigen oder wünschenswerthen Ruhe voll-<lb/>
führen; sie wird vielmehr vollzogen in der Aufwal-<lb/>
lung des Zornes, leicht unter einem zahlreichen<lb/>
Geleite von bittern Vorwürfen, Schmähungen und<lb/>
Schimpfreden, mit unbesonnener, übermäßiger Härte,<lb/>
ja Grausamkeit, so daß das Maß des Verdienten<lb/>
weit überschritten wird und das <hi rendition="#g">eigene</hi> Kind vom<lb/>
Vater arg mißhandelt und unbilliger Weise aufs<lb/>
Empfindlichste gekränkt wird. Das Kind fühlt die Un-<lb/>
gerechtigkeit einer also ausgeführten Strafe, es wird<lb/>
in seinem Innersten verletzt, da es den eigenen Va-<lb/>
ter wie einen Feind also hart und grausam wider<lb/>
sich auftreten sieht, und die Wahrnehmung eines<lb/>
solchen unwürdigen leidenschaftlichen Auftretens des-<lb/>
selben versetzt der angestammten Hochachtung seines<lb/>
kindlichen Herzens gegen den Vater eine tödtliche<lb/>
Wunde, ja erfüllt es mit Verachtung und Wider-<lb/>
willen.</p>
            <p>Das ist dann also eine Züchtigung, welche das<lb/>
Kind von seinen Fehlern nicht heilt, sondern es noch<lb/>
mehr, noch viel ärger verwundet; eine Züchtigung,<lb/>
welche nicht <q>&#x201E;die friedenvolle Frucht der Gerechtigkeit&#x201C;</q>,<lb/>
sondern arger sittlicher Verderbniß zur Folge hat.</p>
            <p>Und doch, wie oft und vielfach hat man eine<lb/>
solche Weise der Bestrafung der Kinder grad von<lb/>
Seiten der Väter zu beklagen! Welche Verantwor-<lb/>
tung! Die von Gott gestellt sind zu Freunden und<lb/>
Vätern der Kinder, die werden zu ihren ärgsten Fein-<lb/>
den; denn wie sie in der Ausführung ihrer Strafen<lb/>
äußerlich als solche auftreten, so sind sie es in der<lb/>
That durch den unsäglichen Schaden und Nachtheil,<lb/>
den sie dadurch ihren Kindern zufügen. Ohne Zweifel<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[110/0113] ter unter der gemachten Voraussetzung sie schwerlich mit der nöthigen oder wünschenswerthen Ruhe voll- führen; sie wird vielmehr vollzogen in der Aufwal- lung des Zornes, leicht unter einem zahlreichen Geleite von bittern Vorwürfen, Schmähungen und Schimpfreden, mit unbesonnener, übermäßiger Härte, ja Grausamkeit, so daß das Maß des Verdienten weit überschritten wird und das eigene Kind vom Vater arg mißhandelt und unbilliger Weise aufs Empfindlichste gekränkt wird. Das Kind fühlt die Un- gerechtigkeit einer also ausgeführten Strafe, es wird in seinem Innersten verletzt, da es den eigenen Va- ter wie einen Feind also hart und grausam wider sich auftreten sieht, und die Wahrnehmung eines solchen unwürdigen leidenschaftlichen Auftretens des- selben versetzt der angestammten Hochachtung seines kindlichen Herzens gegen den Vater eine tödtliche Wunde, ja erfüllt es mit Verachtung und Wider- willen. Das ist dann also eine Züchtigung, welche das Kind von seinen Fehlern nicht heilt, sondern es noch mehr, noch viel ärger verwundet; eine Züchtigung, welche nicht „die friedenvolle Frucht der Gerechtigkeit“, sondern arger sittlicher Verderbniß zur Folge hat. Und doch, wie oft und vielfach hat man eine solche Weise der Bestrafung der Kinder grad von Seiten der Väter zu beklagen! Welche Verantwor- tung! Die von Gott gestellt sind zu Freunden und Vätern der Kinder, die werden zu ihren ärgsten Fein- den; denn wie sie in der Ausführung ihrer Strafen äußerlich als solche auftreten, so sind sie es in der That durch den unsäglichen Schaden und Nachtheil, den sie dadurch ihren Kindern zufügen. Ohne Zweifel

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Weitere Informationen:

Dieses Werk stammt vom Projekt Digitization Lifecycle am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung.

Anmerkungen zur Transkription:

Bei der Zeichenerkennung wurde nach Vorgabe des DLC modernisiert.

In Absprache mit dem MPI wurden die folgenden Aspekte der Vorlage nicht erfasst:

  • Bogensignaturen und Kustoden
  • Kolumnentitel
  • Auf Titelblättern wurde auf die Auszeichnung der Schriftgrößenunterscheide zugunsten der Identifizierung von titleParts verzichtet.
  • Bei Textpassagen, die als Abschnittsüberschrift ausgeweisen werden können, wird auf die zusätzliche Auszeichnung des Layouts verzichtet.
  • Keine Auszeichnung der Initialbuchstaben am Kapitelanfang.

Es wurden alle Anführungszeichen übernommen und die Zitate zusätzlich mit q ausgezeichnet.

Weiche und harte Zeilentrennungen werden identisch als 002D übernommen. Der Zeilenumbruch selbst über lb ausgezeichnet.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_mutter_1874
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_mutter_1874/113
Zitationshilfe: Cramer, Wilhelm: Der christliche Vater wie er sein und was er thun soll. Nebst einem Anhange von Gebeten für denselben. Dülmen, 1874, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_mutter_1874/113>, abgerufen am 27.11.2024.