Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Cramer, Wilhelm: Der christliche Vater wie er sein und was er thun soll. Nebst einem Anhange von Gebeten für denselben. Dülmen, 1874.

Bild:
<< vorherige Seite

fern der Mensch durch Gebet und sonstiges frommes
Thun Ihn dazu zu vermögen sucht. "Hilf dir" sagt
das Sprichwort, "so wird Gott dir helfen," d. i.
setze das Deinige ein;*) dann darfst du hoffen, daß
Gott, wenn du Ihn bittest, auch das Seinige thun
werde. - Läßt es aber der Mensch daran fehlen,
benutzt er die von Gott ihm gegebenen Gaben und
Gnaden und Gelegenheiten nicht, um von seinen
Fehlern los zu kommen, um die Tugenden zu er-
ringen und das Heil zu erwerben, so tritt Gott
nicht ersetzend und gutmachend für ihn ein, ob Er's
auch könnte; der Mensch bleibt in seinen Fehlern
stecken, bleibt ohne Tugend, geht verloren.

So liegt es im geheimnißvollen Rathschlusse der
unendlichen Weisheit Gottes, Seiner Heiligkeit und
Liebe. Der Mensch soll - dahin geht dieser Rath-
schluß - er soll, so viel möglich, selbst der Urheber
seines Heiles sein, ähnlich, wie Gott, was er ist und
hat, aus sich hat und ist; sein Glück soll dadurch
desto größer werden. Aber ganz ähnlich liegt's im
Rathschlusse des Herrn, daß auch das Wohl des einen
Menschen durch die heilsame Einwirkung des Andern,
der Andern bedingt sei. Gott schuf die Menschen
so, daß sie nicht als vereinzelte Wesen neben ein-
ander stehen, sondern auf's Innigste, wie die Glieder
des Leibes, mit einander verbunden sein, ein großes
Ganze bilden sollten. Handelte es sich für den Ein-
zelnen darum, seine Bestimmung und sein zeitliches
und ewiges Wohl zu erreichen, so sollte es ihm nicht
allein anheimgegeben sein, sondern, damit es in desto
reicherem Maße geschehe, sollten auch die Andern,
also Viele dazu beitragen, dazu mitwirken; wie

*) Freilich, auch dazu bedarf der Mensch der Gnade.

fern der Mensch durch Gebet und sonstiges frommes
Thun Ihn dazu zu vermögen sucht. „Hilf dir“ sagt
das Sprichwort, „so wird Gott dir helfen,“ d. i.
setze das Deinige ein;*) dann darfst du hoffen, daß
Gott, wenn du Ihn bittest, auch das Seinige thun
werde. – Läßt es aber der Mensch daran fehlen,
benutzt er die von Gott ihm gegebenen Gaben und
Gnaden und Gelegenheiten nicht, um von seinen
Fehlern los zu kommen, um die Tugenden zu er-
ringen und das Heil zu erwerben, so tritt Gott
nicht ersetzend und gutmachend für ihn ein, ob Er's
auch könnte; der Mensch bleibt in seinen Fehlern
stecken, bleibt ohne Tugend, geht verloren.

So liegt es im geheimnißvollen Rathschlusse der
unendlichen Weisheit Gottes, Seiner Heiligkeit und
Liebe. Der Mensch soll – dahin geht dieser Rath-
schluß – er soll, so viel möglich, selbst der Urheber
seines Heiles sein, ähnlich, wie Gott, was er ist und
hat, aus sich hat und ist; sein Glück soll dadurch
desto größer werden. Aber ganz ähnlich liegt's im
Rathschlusse des Herrn, daß auch das Wohl des einen
Menschen durch die heilsame Einwirkung des Andern,
der Andern bedingt sei. Gott schuf die Menschen
so, daß sie nicht als vereinzelte Wesen neben ein-
ander stehen, sondern auf's Innigste, wie die Glieder
des Leibes, mit einander verbunden sein, ein großes
Ganze bilden sollten. Handelte es sich für den Ein-
zelnen darum, seine Bestimmung und sein zeitliches
und ewiges Wohl zu erreichen, so sollte es ihm nicht
allein anheimgegeben sein, sondern, damit es in desto
reicherem Maße geschehe, sollten auch die Andern,
also Viele dazu beitragen, dazu mitwirken; wie

*) Freilich, auch dazu bedarf der Mensch der Gnade.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div>
          <p><pb facs="#f0021" xml:id="C889V3_001_1874_pb0018_0001" n="18"/>
fern der Mensch durch Gebet und sonstiges frommes<lb/>
Thun Ihn dazu zu vermögen sucht. <q>&#x201E;Hilf dir&#x201C;</q> sagt<lb/>
das Sprichwort, <q>&#x201E;so wird Gott dir helfen,&#x201C;</q> d. i.<lb/>
setze das Deinige ein;<note place="foot" n="*)"><p>Freilich, auch dazu bedarf der Mensch der Gnade.</p></note> dann darfst du hoffen, daß<lb/>
Gott, wenn du Ihn bittest, auch das Seinige thun<lb/>
werde. &#x2013; Läßt es aber der Mensch daran fehlen,<lb/>
benutzt er die von Gott ihm gegebenen Gaben und<lb/>
Gnaden und Gelegenheiten nicht, um von seinen<lb/>
Fehlern los zu kommen, um die Tugenden zu er-<lb/>
ringen und das Heil zu erwerben, so tritt Gott<lb/>
nicht ersetzend und gutmachend für ihn ein, ob Er's<lb/>
auch könnte; der Mensch bleibt in seinen Fehlern<lb/>
stecken, bleibt ohne Tugend, geht verloren.</p>
          <p>So liegt es im geheimnißvollen Rathschlusse der<lb/>
unendlichen Weisheit Gottes, Seiner Heiligkeit und<lb/>
Liebe. Der Mensch soll &#x2013; dahin geht dieser Rath-<lb/>
schluß &#x2013; er soll, so viel möglich, selbst der Urheber<lb/>
seines Heiles sein, ähnlich, wie Gott, was er ist und<lb/>
hat, aus sich hat und ist; sein Glück soll dadurch<lb/>
desto größer werden. Aber ganz ähnlich liegt's im<lb/>
Rathschlusse des Herrn, daß auch das Wohl des einen<lb/>
Menschen durch die heilsame Einwirkung des Andern,<lb/>
der Andern bedingt sei. Gott schuf die Menschen<lb/>
so, daß sie nicht als vereinzelte Wesen neben ein-<lb/>
ander stehen, sondern auf's Innigste, wie die Glieder<lb/>
des Leibes, mit einander verbunden sein, ein großes<lb/>
Ganze bilden sollten. Handelte es sich für den Ein-<lb/>
zelnen darum, seine Bestimmung und sein zeitliches<lb/>
und ewiges Wohl zu erreichen, so sollte es ihm nicht<lb/>
allein anheimgegeben sein, sondern, damit es in desto<lb/>
reicherem Maße geschehe, sollten auch die Andern,<lb/>
also Viele dazu beitragen, dazu mitwirken; wie<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[18/0021] fern der Mensch durch Gebet und sonstiges frommes Thun Ihn dazu zu vermögen sucht. „Hilf dir“ sagt das Sprichwort, „so wird Gott dir helfen,“ d. i. setze das Deinige ein; *) dann darfst du hoffen, daß Gott, wenn du Ihn bittest, auch das Seinige thun werde. – Läßt es aber der Mensch daran fehlen, benutzt er die von Gott ihm gegebenen Gaben und Gnaden und Gelegenheiten nicht, um von seinen Fehlern los zu kommen, um die Tugenden zu er- ringen und das Heil zu erwerben, so tritt Gott nicht ersetzend und gutmachend für ihn ein, ob Er's auch könnte; der Mensch bleibt in seinen Fehlern stecken, bleibt ohne Tugend, geht verloren. So liegt es im geheimnißvollen Rathschlusse der unendlichen Weisheit Gottes, Seiner Heiligkeit und Liebe. Der Mensch soll – dahin geht dieser Rath- schluß – er soll, so viel möglich, selbst der Urheber seines Heiles sein, ähnlich, wie Gott, was er ist und hat, aus sich hat und ist; sein Glück soll dadurch desto größer werden. Aber ganz ähnlich liegt's im Rathschlusse des Herrn, daß auch das Wohl des einen Menschen durch die heilsame Einwirkung des Andern, der Andern bedingt sei. Gott schuf die Menschen so, daß sie nicht als vereinzelte Wesen neben ein- ander stehen, sondern auf's Innigste, wie die Glieder des Leibes, mit einander verbunden sein, ein großes Ganze bilden sollten. Handelte es sich für den Ein- zelnen darum, seine Bestimmung und sein zeitliches und ewiges Wohl zu erreichen, so sollte es ihm nicht allein anheimgegeben sein, sondern, damit es in desto reicherem Maße geschehe, sollten auch die Andern, also Viele dazu beitragen, dazu mitwirken; wie *) Freilich, auch dazu bedarf der Mensch der Gnade.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Weitere Informationen:

Dieses Werk stammt vom Projekt Digitization Lifecycle am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung.

Anmerkungen zur Transkription:

Bei der Zeichenerkennung wurde nach Vorgabe des DLC modernisiert.

In Absprache mit dem MPI wurden die folgenden Aspekte der Vorlage nicht erfasst:

  • Bogensignaturen und Kustoden
  • Kolumnentitel
  • Auf Titelblättern wurde auf die Auszeichnung der Schriftgrößenunterscheide zugunsten der Identifizierung von titleParts verzichtet.
  • Bei Textpassagen, die als Abschnittsüberschrift ausgeweisen werden können, wird auf die zusätzliche Auszeichnung des Layouts verzichtet.
  • Keine Auszeichnung der Initialbuchstaben am Kapitelanfang.

Es wurden alle Anführungszeichen übernommen und die Zitate zusätzlich mit q ausgezeichnet.

Weiche und harte Zeilentrennungen werden identisch als 002D übernommen. Der Zeilenumbruch selbst über lb ausgezeichnet.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_mutter_1874
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_mutter_1874/21
Zitationshilfe: Cramer, Wilhelm: Der christliche Vater wie er sein und was er thun soll. Nebst einem Anhange von Gebeten für denselben. Dülmen, 1874, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_mutter_1874/21>, abgerufen am 03.12.2024.