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Cramer, Wilhelm: Der christliche Vater wie er sein und was er thun soll. Nebst einem Anhange von Gebeten für denselben. Dülmen, 1874.

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das zarte Herz ihres Kindes hinübergepflanzt habe,
so sehr treten dieselben Fehler im zarten Herzen
und Leben des Kindes zu Tage; ein Hang zu
denselben, eine Neigung dazu
ist ihm ange-
boren. Auch eine Mitgift der Mutter an ihr
Kind; eine unselige Mitgift.

Die Thatsache ist unbestreitbar. Belege für sie
lassen sich in jedem Hause finden. Freilich diese
angebornen Fehler oder Tugenden sind noch keine
wahren Tugenden oder Fehler; das Kind ist durch
die ersten an sich noch nicht wohlgefällig vor dem
Herrn und wegen der letztern an sich nicht miß-
fällig vor Ihm. Aber wie sehr tragen diese natür-
lichen angeerbten Tugenden und Fehler dazu bei,
daß der Mensch zur Zeit zur wahren christlichen
Tugend komme und daß er es recht weit darin
bringe, oder, daß er um so leichter jenen Fehlern
anheimfalle und tiefer in dieselben versinke.

Es ist wahr, es wird schließlich Niemand, wel-
cher der Sünde und dem Laster anheimfällt, sich
vor Gott mit der Heftigkeit seiner natürlichen,
vielleicht von den Eltern ererbten, Neigungen ent-
schuldigen können; war doch der Herr bereit, ihm,
sofern seine angebornen Neigungen ihm die Mei-
dung der Sünde schwerer machten, auch größere
Gnade zur Ueberwindung derselben zu geben, wenn
er sich nur in gebührender Weise darum bewarb.
Jeder kann mit der Gnade Gottes sein Heil
wirken. Aber zeigt nicht die traurige Erfahrung,
daß Menschen, welche angeborene böse Neigungen
haben, sich von denselben nur zu leicht hinreißen
und überwinden lassen? Und so ist es gleichfalls

das zarte Herz ihres Kindes hinübergepflanzt habe,
so sehr treten dieselben Fehler im zarten Herzen
und Leben des Kindes zu Tage; ein Hang zu
denselben, eine Neigung dazu
ist ihm ange-
boren. Auch eine Mitgift der Mutter an ihr
Kind; eine unselige Mitgift.

Die Thatsache ist unbestreitbar. Belege für sie
lassen sich in jedem Hause finden. Freilich diese
angebornen Fehler oder Tugenden sind noch keine
wahren Tugenden oder Fehler; das Kind ist durch
die ersten an sich noch nicht wohlgefällig vor dem
Herrn und wegen der letztern an sich nicht miß-
fällig vor Ihm. Aber wie sehr tragen diese natür-
lichen angeerbten Tugenden und Fehler dazu bei,
daß der Mensch zur Zeit zur wahren christlichen
Tugend komme und daß er es recht weit darin
bringe, oder, daß er um so leichter jenen Fehlern
anheimfalle und tiefer in dieselben versinke.

Es ist wahr, es wird schließlich Niemand, wel-
cher der Sünde und dem Laster anheimfällt, sich
vor Gott mit der Heftigkeit seiner natürlichen,
vielleicht von den Eltern ererbten, Neigungen ent-
schuldigen können; war doch der Herr bereit, ihm,
sofern seine angebornen Neigungen ihm die Mei-
dung der Sünde schwerer machten, auch größere
Gnade zur Ueberwindung derselben zu geben, wenn
er sich nur in gebührender Weise darum bewarb.
Jeder kann mit der Gnade Gottes sein Heil
wirken. Aber zeigt nicht die traurige Erfahrung,
daß Menschen, welche angeborene böse Neigungen
haben, sich von denselben nur zu leicht hinreißen
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[51/0262] das zarte Herz ihres Kindes hinübergepflanzt habe, so sehr treten dieselben Fehler im zarten Herzen und Leben des Kindes zu Tage; ein Hang zu denselben, eine Neigung dazu ist ihm ange- boren. Auch eine Mitgift der Mutter an ihr Kind; eine unselige Mitgift. Die Thatsache ist unbestreitbar. Belege für sie lassen sich in jedem Hause finden. Freilich diese angebornen Fehler oder Tugenden sind noch keine wahren Tugenden oder Fehler; das Kind ist durch die ersten an sich noch nicht wohlgefällig vor dem Herrn und wegen der letztern an sich nicht miß- fällig vor Ihm. Aber wie sehr tragen diese natür- lichen angeerbten Tugenden und Fehler dazu bei, daß der Mensch zur Zeit zur wahren christlichen Tugend komme und daß er es recht weit darin bringe, oder, daß er um so leichter jenen Fehlern anheimfalle und tiefer in dieselben versinke. Es ist wahr, es wird schließlich Niemand, wel- cher der Sünde und dem Laster anheimfällt, sich vor Gott mit der Heftigkeit seiner natürlichen, vielleicht von den Eltern ererbten, Neigungen ent- schuldigen können; war doch der Herr bereit, ihm, sofern seine angebornen Neigungen ihm die Mei- dung der Sünde schwerer machten, auch größere Gnade zur Ueberwindung derselben zu geben, wenn er sich nur in gebührender Weise darum bewarb. Jeder kann mit der Gnade Gottes sein Heil wirken. Aber zeigt nicht die traurige Erfahrung, daß Menschen, welche angeborene böse Neigungen haben, sich von denselben nur zu leicht hinreißen und überwinden lassen? Und so ist es gleichfalls

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Zitationshilfe: Cramer, Wilhelm: Der christliche Vater wie er sein und was er thun soll. Nebst einem Anhange von Gebeten für denselben. Dülmen, 1874, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_mutter_1874/262>, abgerufen am 21.11.2024.