Funfzehnte Betrachtung. Jesu geschäftiger Eifer für Gottes Ehre.
Matth. 5, 16.
Lasset euer Licht leuchten vor den Leuten, daß sie eure guten Werke sehen, und euren Vater im Himmel preisen.
Waren gleich die Vorwürfe sehr mannigfaltig, die man unserm Erlöser von allen Seiten ganz unverdienter weise machte: so war doch kei- ner so ungegründet, und zugleich so kränkend für ihn, als der, wodurch ihn seine Feinde zu einen Gottes- lästerer machen wollten. Dies geschahe nicht nur mehrmahls während seines Lebens, wenn er etwa von seiner genauen Verbindung mit Gott, seinem himmli- schen Vater, sprach, oder wenn er, wie sie glaub- ten, sich fälschlich das Recht, Sünde zu vergeben, anmaßte; sondern dies geschahe auch noch bey seinem Verhör vor dem geistlichen Gerichte, vor dem hohen Rathe. Denn als er sich da auf die feyerlichste Art für den Sohn Gottes, für den Meßias erklärte; so rief der hohe Priester voll blinden Eifers für die Sa- che Gottes aus: Er hat Gott gelästert, was dürfen wir weiter Zeugniß; siehe, jetzt habt ihr seine Got- teslästerung gehört.*) Großer Gott, wie tief kön- nen Menschen sinken, wenn sie sich einmahl von ih-
ren
*) Matth. 26, 65.
Funfzehnte Betrachtung. Jeſu geſchäftiger Eifer für Gottes Ehre.
Matth. 5, 16.
Laſſet euer Licht leuchten vor den Leuten, daß ſie eure guten Werke ſehen, und euren Vater im Himmel preiſen.
Waren gleich die Vorwürfe ſehr mannigfaltig, die man unſerm Erlöſer von allen Seiten ganz unverdienter weiſe machte: ſo war doch kei- ner ſo ungegründet, und zugleich ſo kränkend für ihn, als der, wodurch ihn ſeine Feinde zu einen Gottes- läſterer machen wollten. Dies geſchahe nicht nur mehrmahls während ſeines Lebens, wenn er etwa von ſeiner genauen Verbindung mit Gott, ſeinem himmli- ſchen Vater, ſprach, oder wenn er, wie ſie glaub- ten, ſich fälſchlich das Recht, Sünde zu vergeben, anmaßte; ſondern dies geſchahe auch noch bey ſeinem Verhör vor dem geiſtlichen Gerichte, vor dem hohen Rathe. Denn als er ſich da auf die feyerlichſte Art für den Sohn Gottes, für den Meßias erklärte; ſo rief der hohe Prieſter voll blinden Eifers für die Sa- che Gottes aus: Er hat Gott geläſtert, was dürfen wir weiter Zeugniß; ſiehe, jetzt habt ihr ſeine Got- tesläſterung gehört.*) Großer Gott, wie tief kön- nen Menſchen ſinken, wenn ſie ſich einmahl von ih-
ren
*) Matth. 26, 65.
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Funfzehnte Betrachtung.
Jeſu geſchäftiger Eifer für Gottes Ehre.
Matth. 5, 16.
Laſſet euer Licht leuchten vor den Leuten, daß ſie eure guten
Werke ſehen, und euren Vater im Himmel preiſen.
Waren gleich die Vorwürfe ſehr mannigfaltig,
die man unſerm Erlöſer von allen Seiten
ganz unverdienter weiſe machte: ſo war doch kei-
ner ſo ungegründet, und zugleich ſo kränkend für ihn,
als der, wodurch ihn ſeine Feinde zu einen Gottes-
läſterer machen wollten. Dies geſchahe nicht nur
mehrmahls während ſeines Lebens, wenn er etwa von
ſeiner genauen Verbindung mit Gott, ſeinem himmli-
ſchen Vater, ſprach, oder wenn er, wie ſie glaub-
ten, ſich fälſchlich das Recht, Sünde zu vergeben,
anmaßte; ſondern dies geſchahe auch noch bey ſeinem
Verhör vor dem geiſtlichen Gerichte, vor dem hohen
Rathe. Denn als er ſich da auf die feyerlichſte Art
für den Sohn Gottes, für den Meßias erklärte; ſo
rief der hohe Prieſter voll blinden Eifers für die Sa-
che Gottes aus: Er hat Gott geläſtert, was dürfen
wir weiter Zeugniß; ſiehe, jetzt habt ihr ſeine Got-
tesläſterung gehört. *) Großer Gott, wie tief kön-
nen Menſchen ſinken, wenn ſie ſich einmahl von ih-
ren
*) Matth. 26, 65.
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Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792/116>, abgerufen am 24.11.2024.
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