Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792.XV. Betrachtung. Regierung, und durch ihre Spöttereyen über die Re-ligion, die Ehrfurcht vor Gott und den Eifer in sei- ner Verehrung bey andern zu schwächen suchen. Hü- te dich aber auch vor allen blinden Eifer für Gottes Ehre, und denke immer, das jedes gewaltsame Mit- tel, wodurch man Menschen von der Wahrheit zu überzeugen sucht, ein sehr verkehrtes Mittel sey, und daß Paulus von solchen Personen mit Recht sage: Sie eifern um Gott, aber mit Unverstande.*) Suche vielmehr andre durch sanfte Belehrung zur Erkenntniß zu bringen; suche sie durch Liebe zu rüh- ren und zu beßern, grade so wie sichs für einen Schüler Jesu schickt. Denn, göttlicher Heiland! Wer war wohl eifriger, als du, Zu thun des Vaters Willen? Dir war es Ruhm und Seelenruh, Jhn treulich zu erfüllen. Dir keines Eigenruhms bewußt, War, ihn zu preisen, deine Lust. Wenn je dein Auge Frevler sah, Warst du voll edler Schmerzen. Doch wenn des Vaters Wort geschah, Quoll Freud' aus deinem Herzen; An ihm hieng nur dein ganzer Sinn, Auf ihn sah stets dein Auge hin. Sechs- *) Röm. 10, 2.
XV. Betrachtung. Regierung, und durch ihre Spöttereyen über die Re-ligion, die Ehrfurcht vor Gott und den Eifer in ſei- ner Verehrung bey andern zu ſchwächen ſuchen. Hü- te dich aber auch vor allen blinden Eifer für Gottes Ehre, und denke immer, das jedes gewaltſame Mit- tel, wodurch man Menſchen von der Wahrheit zu überzeugen ſucht, ein ſehr verkehrtes Mittel ſey, und daß Paulus von ſolchen Perſonen mit Recht ſage: Sie eifern um Gott, aber mit Unverſtande.*) Suche vielmehr andre durch ſanfte Belehrung zur Erkenntniß zu bringen; ſuche ſie durch Liebe zu rüh- ren und zu beßern, grade ſo wie ſichs für einen Schüler Jeſu ſchickt. Denn, göttlicher Heiland! Wer war wohl eifriger, als du, Zu thun des Vaters Willen? Dir war es Ruhm und Seelenruh, Jhn treulich zu erfüllen. Dir keines Eigenruhms bewußt, War, ihn zu preiſen, deine Luſt. Wenn je dein Auge Frevler ſah, Warſt du voll edler Schmerzen. Doch wenn des Vaters Wort geſchah, Quoll Freud’ aus deinem Herzen; An ihm hieng nur dein ganzer Sinn, Auf ihn ſah ſtets dein Auge hin. Sechs- *) Röm. 10, 2.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0122" n="96"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">XV.</hi> Betrachtung.</fw><lb/> Regierung, und durch ihre Spöttereyen über die Re-<lb/> ligion, die Ehrfurcht vor Gott und den Eifer in ſei-<lb/> ner Verehrung bey andern zu ſchwächen ſuchen. Hü-<lb/> te dich aber auch vor allen blinden Eifer für Gottes<lb/> Ehre, und denke immer, das jedes gewaltſame Mit-<lb/> tel, wodurch man Menſchen von der Wahrheit zu<lb/> überzeugen ſucht, ein ſehr verkehrtes Mittel ſey, und<lb/> daß Paulus von ſolchen Perſonen mit Recht ſage:<lb/><hi rendition="#fr">Sie eifern um Gott, aber mit Unverſtande.</hi><note place="foot" n="*)">Röm. 10, 2.</note><lb/> Suche vielmehr andre durch ſanfte Belehrung zur<lb/> Erkenntniß zu bringen; ſuche ſie durch Liebe zu rüh-<lb/> ren und zu beßern, grade ſo wie ſichs für einen<lb/> Schüler Jeſu ſchickt. Denn, göttlicher Heiland!</p><lb/> <lg type="poem"> <l>Wer war wohl eifriger, als du,</l><lb/> <l>Zu thun des Vaters Willen?</l><lb/> <l>Dir war es Ruhm und Seelenruh,</l><lb/> <l>Jhn treulich zu erfüllen.</l><lb/> <l>Dir keines Eigenruhms bewußt,</l><lb/> <l>War, ihn zu preiſen, deine Luſt.</l><lb/> <l>Wenn je dein Auge Frevler ſah,</l><lb/> <l>Warſt du voll edler Schmerzen.</l><lb/> <l>Doch wenn des Vaters Wort geſchah,</l><lb/> <l>Quoll Freud’ aus deinem Herzen;</l><lb/> <l>An ihm hieng nur dein ganzer Sinn,</l><lb/> <l>Auf ihn ſah ſtets dein Auge hin.</l> </lg> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Sechs-</fw><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [96/0122]
XV. Betrachtung.
Regierung, und durch ihre Spöttereyen über die Re-
ligion, die Ehrfurcht vor Gott und den Eifer in ſei-
ner Verehrung bey andern zu ſchwächen ſuchen. Hü-
te dich aber auch vor allen blinden Eifer für Gottes
Ehre, und denke immer, das jedes gewaltſame Mit-
tel, wodurch man Menſchen von der Wahrheit zu
überzeugen ſucht, ein ſehr verkehrtes Mittel ſey, und
daß Paulus von ſolchen Perſonen mit Recht ſage:
Sie eifern um Gott, aber mit Unverſtande. *)
Suche vielmehr andre durch ſanfte Belehrung zur
Erkenntniß zu bringen; ſuche ſie durch Liebe zu rüh-
ren und zu beßern, grade ſo wie ſichs für einen
Schüler Jeſu ſchickt. Denn, göttlicher Heiland!
Wer war wohl eifriger, als du,
Zu thun des Vaters Willen?
Dir war es Ruhm und Seelenruh,
Jhn treulich zu erfüllen.
Dir keines Eigenruhms bewußt,
War, ihn zu preiſen, deine Luſt.
Wenn je dein Auge Frevler ſah,
Warſt du voll edler Schmerzen.
Doch wenn des Vaters Wort geſchah,
Quoll Freud’ aus deinem Herzen;
An ihm hieng nur dein ganzer Sinn,
Auf ihn ſah ſtets dein Auge hin.
Sechs-
*) Röm. 10, 2.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern:
Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |