Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792.XXVI. Betrachtung. entschlossener Bosheit begeht; mache aus einigen Feh-lern, die du an andern bemerkst, nicht gleich einen übereilten Schluß auf ihre ganze verderbte Denkungs- art. Erkläre nicht gleich jeden wegen einiger Ver- gehungen für einen lasterhaften und boshaften Men- schen. Entschuldige vielmehr die Fehler deines Näch- sten, und verkenne nicht das Gute, das du an ihm findest. Habe Nachsicht und Schonung, wenn an- dere dich beleidigen, und denke, daß leicht Fälle kom- men können, wo dir es auch gut deuchten wird, wenn dich deine Mitmenschen nicht zu strenge beurthei- len. Denn wer mit seinem Nächsten alles aufs genaueste nimmt, mit dem wird man wieder alles ge- nau nehmen. Wer sich aus dem Verläumden und Tadeln ein angenehmes Geschäft macht, der darf sich nicht wundern, wenn er wieder von andern getadelt und verspottet wird. Wer aber das Beste zur Sa- che redet, von dem redet man wieder das Beste,*) und wer gegen andre billig ist, dem läßt man auch leicht Gerechtigkeit wiederfahren. Spotte also nicht über die Fehlenden, sondern suche sie vielmehr zu ent- schuldigen; rede lieber von den guten Eigenschaften deines Nächsten, als von seinen Fehlern. Laß mich mit brüderlicher Huld Des Nächsten Fehler decken; Durch Sanftmuth, Mitleid und Geduld Zur Beßrung ihn erwecken. Und *) Sir. 6, 5.
XXVI. Betrachtung. entſchloſſener Bosheit begeht; mache aus einigen Feh-lern, die du an andern bemerkſt, nicht gleich einen übereilten Schluß auf ihre ganze verderbte Denkungs- art. Erkläre nicht gleich jeden wegen einiger Ver- gehungen für einen laſterhaften und boshaften Men- ſchen. Entſchuldige vielmehr die Fehler deines Näch- ſten, und verkenne nicht das Gute, das du an ihm findeſt. Habe Nachſicht und Schonung, wenn an- dere dich beleidigen, und denke, daß leicht Fälle kom- men können, wo dir es auch gut deuchten wird, wenn dich deine Mitmenſchen nicht zu ſtrenge beurthei- len. Denn wer mit ſeinem Nächſten alles aufs genaueſte nimmt, mit dem wird man wieder alles ge- nau nehmen. Wer ſich aus dem Verläumden und Tadeln ein angenehmes Geſchäft macht, der darf ſich nicht wundern, wenn er wieder von andern getadelt und verſpottet wird. Wer aber das Beſte zur Sa- che redet, von dem redet man wieder das Beſte,*) und wer gegen andre billig iſt, dem läßt man auch leicht Gerechtigkeit wiederfahren. Spotte alſo nicht über die Fehlenden, ſondern ſuche ſie vielmehr zu ent- ſchuldigen; rede lieber von den guten Eigenſchaften deines Nächſten, als von ſeinen Fehlern. Laß mich mit brüderlicher Huld Des Nächſten Fehler decken; Durch Sanftmuth, Mitleid und Geduld Zur Beßrung ihn erwecken. Und *) Sir. 6, 5.
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XXVI. Betrachtung.
entſchloſſener Bosheit begeht; mache aus einigen Feh-
lern, die du an andern bemerkſt, nicht gleich einen
übereilten Schluß auf ihre ganze verderbte Denkungs-
art. Erkläre nicht gleich jeden wegen einiger Ver-
gehungen für einen laſterhaften und boshaften Men-
ſchen. Entſchuldige vielmehr die Fehler deines Näch-
ſten, und verkenne nicht das Gute, das du an ihm
findeſt. Habe Nachſicht und Schonung, wenn an-
dere dich beleidigen, und denke, daß leicht Fälle kom-
men können, wo dir es auch gut deuchten wird, wenn
dich deine Mitmenſchen nicht zu ſtrenge beurthei-
len. Denn wer mit ſeinem Nächſten alles aufs
genaueſte nimmt, mit dem wird man wieder alles ge-
nau nehmen. Wer ſich aus dem Verläumden und
Tadeln ein angenehmes Geſchäft macht, der darf ſich
nicht wundern, wenn er wieder von andern getadelt
und verſpottet wird. Wer aber das Beſte zur Sa-
che redet, von dem redet man wieder das Beſte, *)
und wer gegen andre billig iſt, dem läßt man auch
leicht Gerechtigkeit wiederfahren. Spotte alſo nicht
über die Fehlenden, ſondern ſuche ſie vielmehr zu ent-
ſchuldigen; rede lieber von den guten Eigenſchaften
deines Nächſten, als von ſeinen Fehlern.
Laß mich mit brüderlicher Huld
Des Nächſten Fehler decken;
Durch Sanftmuth, Mitleid und Geduld
Zur Beßrung ihn erwecken.
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*) Sir. 6, 5.
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