man mit weit größerm Rechte und in einem erhabe- nern Sinne von ihm behaupten: siehe einen aufrich- tigen Jsraeliten, in welchem kein Falsch ist.*)
Aber in wiefern bist denn du, lieber Mitchrist, diesem Bilde ähnlich? Verabscheuest denn du auch, so wie Jesus, alle Falschheit, alle Verstellung, alle Heucheley und Lügenhaftigkeit? Redest du immer mit deinem Nächsten die Wahrheit, oder sprichst du oft wider deine Ueberzeugung? Redest du nicht oft anders, als du denkst? Gehörest du etwa zu denen, die zu allen Ungerechtigkeiten und zu allen Unord- nungen stille schweigen, weil sie fürchten, sie möch- ten durch ihre Wahrheitsliebe Mächtigere beleidigen, und sich Feindschaft zuziehen? Gehörest du zu de- nen, die andern Liebe und Freundschaft mit dem Munde und mit glatten Worten vorheucheln, obgleich das Herz davon nichts weiß; die mit dem Munde das loben, was sie im Herzen tadeln; die Dinge ver- sprechen, die sie nicht halten können und wollen? Ge- hörest du zu denen, die in ihren Mitmenschen falsche betrügerische Hofnungen erregen, so sie nicht erfüllen können; die ihrem Nächsten das verschweigen, was er doch wissen muß, wenn er nicht in Verlegenheit, Gefahr und Unglück kommen soll? Gehörest du noch zu solchen, so ist es ein trauriger Beweis, daß der Geist und der Sinn Jesu dich noch gar nicht belebt, so gehörest du zu den Gottlosen und Uebelthätern,
die
*) Joh. 1, 47.
XXIX. Betrachtung.
man mit weit größerm Rechte und in einem erhabe- nern Sinne von ihm behaupten: ſiehe einen aufrich- tigen Jſraeliten, in welchem kein Falſch iſt.*)
Aber in wiefern biſt denn du, lieber Mitchriſt, dieſem Bilde ähnlich? Verabſcheueſt denn du auch, ſo wie Jeſus, alle Falſchheit, alle Verſtellung, alle Heucheley und Lügenhaftigkeit? Redeſt du immer mit deinem Nächſten die Wahrheit, oder ſprichſt du oft wider deine Ueberzeugung? Redeſt du nicht oft anders, als du denkſt? Gehöreſt du etwa zu denen, die zu allen Ungerechtigkeiten und zu allen Unord- nungen ſtille ſchweigen, weil ſie fürchten, ſie möch- ten durch ihre Wahrheitsliebe Mächtigere beleidigen, und ſich Feindſchaft zuziehen? Gehöreſt du zu de- nen, die andern Liebe und Freundſchaft mit dem Munde und mit glatten Worten vorheucheln, obgleich das Herz davon nichts weiß; die mit dem Munde das loben, was ſie im Herzen tadeln; die Dinge ver- ſprechen, die ſie nicht halten können und wollen? Ge- höreſt du zu denen, die in ihren Mitmenſchen falſche betrügeriſche Hofnungen erregen, ſo ſie nicht erfüllen können; die ihrem Nächſten das verſchweigen, was er doch wiſſen muß, wenn er nicht in Verlegenheit, Gefahr und Unglück kommen ſoll? Gehöreſt du noch zu ſolchen, ſo iſt es ein trauriger Beweis, daß der Geiſt und der Sinn Jeſu dich noch gar nicht belebt, ſo gehöreſt du zu den Gottloſen und Uebelthätern,
die
*) Joh. 1, 47.
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XXIX. Betrachtung.
man mit weit größerm Rechte und in einem erhabe-
nern Sinne von ihm behaupten: ſiehe einen aufrich-
tigen Jſraeliten, in welchem kein Falſch iſt. *)
Aber in wiefern biſt denn du, lieber Mitchriſt,
dieſem Bilde ähnlich? Verabſcheueſt denn du auch,
ſo wie Jeſus, alle Falſchheit, alle Verſtellung, alle
Heucheley und Lügenhaftigkeit? Redeſt du immer
mit deinem Nächſten die Wahrheit, oder ſprichſt du
oft wider deine Ueberzeugung? Redeſt du nicht oft
anders, als du denkſt? Gehöreſt du etwa zu denen,
die zu allen Ungerechtigkeiten und zu allen Unord-
nungen ſtille ſchweigen, weil ſie fürchten, ſie möch-
ten durch ihre Wahrheitsliebe Mächtigere beleidigen,
und ſich Feindſchaft zuziehen? Gehöreſt du zu de-
nen, die andern Liebe und Freundſchaft mit dem
Munde und mit glatten Worten vorheucheln, obgleich
das Herz davon nichts weiß; die mit dem Munde
das loben, was ſie im Herzen tadeln; die Dinge ver-
ſprechen, die ſie nicht halten können und wollen? Ge-
höreſt du zu denen, die in ihren Mitmenſchen falſche
betrügeriſche Hofnungen erregen, ſo ſie nicht erfüllen
können; die ihrem Nächſten das verſchweigen, was
er doch wiſſen muß, wenn er nicht in Verlegenheit,
Gefahr und Unglück kommen ſoll? Gehöreſt du noch
zu ſolchen, ſo iſt es ein trauriger Beweis, daß der
Geiſt und der Sinn Jeſu dich noch gar nicht belebt,
ſo gehöreſt du zu den Gottloſen und Uebelthätern,
die
*) Joh. 1, 47.
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Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792/217>, abgerufen am 24.11.2024.
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