Fünfunddreyßigste Betrachtung. Jesu Traurigkeit über den Tod seiner Freunde.
1. Thess. 4, 13.
Seyd nicht traurig, wie die andern, die keine Hofnung haben.
Unter den wenig edlen Seelen, die Jesus einer nähern Freundschaft würdigte, waren auch Lazarus und dessen Schwestern, Martha und Ma- ria, die insgesamt ungemein viel Freundschaft und Hochachtung für ihn hegten, die er aber auch sehr schätzte und oft mit einem freundschaftlichen Be- suche beehrte. Als nun dieser Lazarus gefährlich krank wurde, so ließen es seine Schwestern Jesu den Augenblick melden, ohne ihm vorzuschreiben, was er zu seiner Rettung thun sollte. Herr, den du lieb hast, der liegt krank,*) ließen sie ihm sa- gen, und waren im voraus von seiner Theilneh- mung an ihrem häuslichen Leiden versichert. Sonst eilte Jesus immer ohne alle Verzögerung, jedem Kranken, für den er um Hülfe angesprochen wur- de, beyzustehen; allein diesesmal schob er, nicht aus Kälte und Mangel an Freundschaft, sondern aus weisen Absichten, seine Reise nach Bethanien auf. Erst einige Tage nachher sagte er seinen
Jüngern,
*) Joh. 11, 3.
Fünfunddreyßigſte Betrachtung. Jeſu Traurigkeit über den Tod ſeiner Freunde.
1. Theſſ. 4, 13.
Seyd nicht traurig, wie die andern, die keine Hofnung haben.
Unter den wenig edlen Seelen, die Jeſus einer nähern Freundſchaft würdigte, waren auch Lazarus und deſſen Schweſtern, Martha und Ma- ria, die insgeſamt ungemein viel Freundſchaft und Hochachtung für ihn hegten, die er aber auch ſehr ſchätzte und oft mit einem freundſchaftlichen Be- ſuche beehrte. Als nun dieſer Lazarus gefährlich krank wurde, ſo ließen es ſeine Schweſtern Jeſu den Augenblick melden, ohne ihm vorzuſchreiben, was er zu ſeiner Rettung thun ſollte. Herr, den du lieb haſt, der liegt krank,*) ließen ſie ihm ſa- gen, und waren im voraus von ſeiner Theilneh- mung an ihrem häuslichen Leiden verſichert. Sonſt eilte Jeſus immer ohne alle Verzögerung, jedem Kranken, für den er um Hülfe angeſprochen wur- de, beyzuſtehen; allein dieſesmal ſchob er, nicht aus Kälte und Mangel an Freundſchaft, ſondern aus weiſen Abſichten, ſeine Reiſe nach Bethanien auf. Erſt einige Tage nachher ſagte er ſeinen
Jüngern,
*) Joh. 11, 3.
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Fünfunddreyßigſte Betrachtung.
Jeſu Traurigkeit über den Tod ſeiner Freunde.
1. Theſſ. 4, 13.
Seyd nicht traurig, wie die andern, die keine Hofnung haben.
Unter den wenig edlen Seelen, die Jeſus einer
nähern Freundſchaft würdigte, waren auch
Lazarus und deſſen Schweſtern, Martha und Ma-
ria, die insgeſamt ungemein viel Freundſchaft und
Hochachtung für ihn hegten, die er aber auch ſehr
ſchätzte und oft mit einem freundſchaftlichen Be-
ſuche beehrte. Als nun dieſer Lazarus gefährlich
krank wurde, ſo ließen es ſeine Schweſtern Jeſu
den Augenblick melden, ohne ihm vorzuſchreiben,
was er zu ſeiner Rettung thun ſollte. Herr, den
du lieb haſt, der liegt krank, *) ließen ſie ihm ſa-
gen, und waren im voraus von ſeiner Theilneh-
mung an ihrem häuslichen Leiden verſichert. Sonſt
eilte Jeſus immer ohne alle Verzögerung, jedem
Kranken, für den er um Hülfe angeſprochen wur-
de, beyzuſtehen; allein dieſesmal ſchob er, nicht
aus Kälte und Mangel an Freundſchaft, ſondern
aus weiſen Abſichten, ſeine Reiſe nach Bethanien
auf. Erſt einige Tage nachher ſagte er ſeinen
Jüngern,
*) Joh. 11, 3.
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Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792/252>, abgerufen am 22.11.2024.
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