Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792.XXXVIII. Betrachtung. thiger, da er bey seiner künftigen Amtsführung diebeschwerlichsten Reisen übernehmen, Frost und Hitze ausstehen, und ganze Nächte unter freyem Himmel wachen mußte. Dieser ganze vierzigtägige Aufent- halt Jesu, war also der nähern Vorbereitung zu sei- ner künftigen Bestimmung gewidmet; und diese sei- ne Bestimmung verlohr er nun nicht wieder aus den Augen; sie war das Ziel, dem er täglich entgegen strebte, und das ihn bis an den letzten Augenblick be- schäftigte. Menschen zu belehren und zu beglücken, als Erlöser und Versöhner für sie zu leiden und zu ster- ben, ihnen Buße und Vergebung der Sünde zu pre- digen, sich überall als Wohlthäter und Menschen- freund zu zeigen: das war sein Beruf und diesem blieb er getreu, dem widmete er sich ganz, bis er sa- gen konnte: Vater! ich habe vollendet das Werk, das du mir gegeben hast.*) Nie war er daher zwei- felhaft in Absicht auf seinen Beruf, nie war er un- schlüßig, was er thun oder nicht thun sollte. Was ihm sein himmlischer Vater aufgetragen hatte, das war sein tägliches Augenmerk, das Ziel aller seiner Wünsche und Bestrebungen. Sehr beschämend, sehr demüthigend ist diese Be- recht *) Joh. 17, 4.
XXXVIII. Betrachtung. thiger, da er bey ſeiner künftigen Amtsführung diebeſchwerlichſten Reiſen übernehmen, Froſt und Hitze ausſtehen, und ganze Nächte unter freyem Himmel wachen mußte. Dieſer ganze vierzigtägige Aufent- halt Jeſu, war alſo der nähern Vorbereitung zu ſei- ner künftigen Beſtimmung gewidmet; und dieſe ſei- ne Beſtimmung verlohr er nun nicht wieder aus den Augen; ſie war das Ziel, dem er täglich entgegen ſtrebte, und das ihn bis an den letzten Augenblick be- ſchäftigte. Menſchen zu belehren und zu beglücken, als Erlöſer und Verſöhner für ſie zu leiden und zu ſter- ben, ihnen Buße und Vergebung der Sünde zu pre- digen, ſich überall als Wohlthäter und Menſchen- freund zu zeigen: das war ſein Beruf und dieſem blieb er getreu, dem widmete er ſich ganz, bis er ſa- gen konnte: Vater! ich habe vollendet das Werk, das du mir gegeben haſt.*) Nie war er daher zwei- felhaft in Abſicht auf ſeinen Beruf, nie war er un- ſchlüßig, was er thun oder nicht thun ſollte. Was ihm ſein himmliſcher Vater aufgetragen hatte, das war ſein tägliches Augenmerk, das Ziel aller ſeiner Wünſche und Beſtrebungen. Sehr beſchämend, ſehr demüthigend iſt dieſe Be- recht *) Joh. 17, 4.
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XXXVIII. Betrachtung.
thiger, da er bey ſeiner künftigen Amtsführung die
beſchwerlichſten Reiſen übernehmen, Froſt und Hitze
ausſtehen, und ganze Nächte unter freyem Himmel
wachen mußte. Dieſer ganze vierzigtägige Aufent-
halt Jeſu, war alſo der nähern Vorbereitung zu ſei-
ner künftigen Beſtimmung gewidmet; und dieſe ſei-
ne Beſtimmung verlohr er nun nicht wieder aus den
Augen; ſie war das Ziel, dem er täglich entgegen
ſtrebte, und das ihn bis an den letzten Augenblick be-
ſchäftigte. Menſchen zu belehren und zu beglücken,
als Erlöſer und Verſöhner für ſie zu leiden und zu ſter-
ben, ihnen Buße und Vergebung der Sünde zu pre-
digen, ſich überall als Wohlthäter und Menſchen-
freund zu zeigen: das war ſein Beruf und dieſem
blieb er getreu, dem widmete er ſich ganz, bis er ſa-
gen konnte: Vater! ich habe vollendet das Werk,
das du mir gegeben haſt. *) Nie war er daher zwei-
felhaft in Abſicht auf ſeinen Beruf, nie war er un-
ſchlüßig, was er thun oder nicht thun ſollte. Was
ihm ſein himmliſcher Vater aufgetragen hatte, das
war ſein tägliches Augenmerk, das Ziel aller ſeiner
Wünſche und Beſtrebungen.
Sehr beſchämend, ſehr demüthigend iſt dieſe Be-
merkung für ſo viele Chriſten, die ohne eine zweck-
mäßige Beſtimmung in der Welt leben, die ſich kei-
nen feſtgeſetzten Beruf wählen, ob ſie gleich Kräfte
und Fähigkeiten genug haben, wodurch ſie der Welt
recht
*) Joh. 17, 4.
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