Achtundvierzigste Betrachtung. Jesu Sanftmuth und Mäßigung des gerech- testen Unwillens.
Matth. 5, 5.
Selig sind die Sanftmüthigen, denn sie werden das Erd- reich besitzen.
Die weise Mäßigung des gerechtesten Unwillens ist ohnstreitig ein sehr sichtbarer und schöner Zug in dem Charakter Jesu, der so ganz Liebe und Sanftmuth war. Mehr als einmal empfand zwar seine, der Wahrheit und Tugend geheiligte Seele die Regungen des Unwillens über die hartnäckigen unbiegsamen Vorurtheile der Pharisäer, und über ihre Bosheit, die sie unter der Maske der Frömmig- keit versteckten. Dieses geschahe besonders, als er in der Synagoge zu Capernaum einen Menschen, der eine lahme völlig unbrauchbare Hand hatte, am Sab- bathe heilen wollte. Er wußte, daß man ihm das als eine Entheiligung dieses Tages auslegen würde, und daß man auf eine Gelegenheit wartete, wo man ihn als einen Sabbathschänder anklagen könnte. Als er nun im Begrif war, dem Unglücklichen zu helfen, so heißt es von ihm:*)er sahe sie umher an mit Zorn, und war betrübt über ihrem verstockten Herzen, das
heißt:
*) Marc. 3, 5.
U 4
Achtundvierzigſte Betrachtung. Jeſu Sanftmuth und Mäßigung des gerech- teſten Unwillens.
Matth. 5, 5.
Selig ſind die Sanftmüthigen, denn ſie werden das Erd- reich beſitzen.
Die weiſe Mäßigung des gerechteſten Unwillens iſt ohnſtreitig ein ſehr ſichtbarer und ſchöner Zug in dem Charakter Jeſu, der ſo ganz Liebe und Sanftmuth war. Mehr als einmal empfand zwar ſeine, der Wahrheit und Tugend geheiligte Seele die Regungen des Unwillens über die hartnäckigen unbiegſamen Vorurtheile der Phariſäer, und über ihre Bosheit, die ſie unter der Maske der Frömmig- keit verſteckten. Dieſes geſchahe beſonders, als er in der Synagoge zu Capernaum einen Menſchen, der eine lahme völlig unbrauchbare Hand hatte, am Sab- bathe heilen wollte. Er wußte, daß man ihm das als eine Entheiligung dieſes Tages auslegen würde, und daß man auf eine Gelegenheit wartete, wo man ihn als einen Sabbathſchänder anklagen könnte. Als er nun im Begrif war, dem Unglücklichen zu helfen, ſo heißt es von ihm:*)er ſahe ſie umher an mit Zorn, und war betrübt über ihrem verſtockten Herzen, das
heißt:
*) Marc. 3, 5.
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Achtundvierzigſte Betrachtung.
Jeſu Sanftmuth und Mäßigung des gerech-
teſten Unwillens.
Matth. 5, 5.
Selig ſind die Sanftmüthigen, denn ſie werden das Erd-
reich beſitzen.
Die weiſe Mäßigung des gerechteſten Unwillens
iſt ohnſtreitig ein ſehr ſichtbarer und ſchöner
Zug in dem Charakter Jeſu, der ſo ganz Liebe und
Sanftmuth war. Mehr als einmal empfand zwar
ſeine, der Wahrheit und Tugend geheiligte Seele
die Regungen des Unwillens über die hartnäckigen
unbiegſamen Vorurtheile der Phariſäer, und über
ihre Bosheit, die ſie unter der Maske der Frömmig-
keit verſteckten. Dieſes geſchahe beſonders, als er in
der Synagoge zu Capernaum einen Menſchen, der
eine lahme völlig unbrauchbare Hand hatte, am Sab-
bathe heilen wollte. Er wußte, daß man ihm das als
eine Entheiligung dieſes Tages auslegen würde, und
daß man auf eine Gelegenheit wartete, wo man ihn
als einen Sabbathſchänder anklagen könnte. Als er
nun im Begrif war, dem Unglücklichen zu helfen, ſo
heißt es von ihm: *) er ſahe ſie umher an mit Zorn,
und war betrübt über ihrem verſtockten Herzen, das
heißt:
*) Marc. 3, 5.
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Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792/337>, abgerufen am 24.11.2024.
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