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Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792.

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LII. Betrachtung.
den umringt war. Diesen stillen Aufenthalt des
häuslichen Glücks, diesen stillen Umgang mit einer
frommen sich innigst liebenden Familie, zog er allen
Pallästen der Großen, allen Festen der Reichen und
Schwelger vor. So sehr er übrigens alle seine Jün-
ger schätzte, so genossen doch Petrus und der ältere
Jacobus ein besonderes Zutrauen. Allen aber wur-
de der sanfte Johannes vorgezogen, welcher der aus-
gezeichnete Liebling Jesu war, wahrscheinlich, weil
sich zwischen seinem Charakter und dem Charakter Je-
su so viel treffende Aehnlichkeit fand; wahrscheinlich,
weil er sich durch sein zärtliches Herz und durch sei-
ne edle liebenswürdige Einfalt auszeichnete, und weil
der Erlöser wegen seiner schönen unschuldsvollen See-
le an seinem vertrauten Umgange ein inniges Ver-
gnügen fand. Daher heißt er auch der Jünger, den
der Herr lieb, das ist, vorzüglich lieb hatte, dem
er sein ganzes Vertrauen schenkte.*) Jedoch, die
größere Liebe Jesu gegen seine Freunde und Verwand-
te hatte keinen nachtheiligen Einfluß auf die Ver-
waltung seines Amts, und er übersahe deswegen ih-
re Fehler nicht. Bey aller Achtung, die er für die
Seinigen hegte, ließ er es nicht zu, daß seine wich-
tigen Geschäfte durch sie unterbrochen würden. Als
man ihm daher einstmals zu Capernaum meldete, sei-
ne Mutter und Brüder wollten ihn sprechen, und könn-
ten sich ihm wegen der Menge des Volks nicht nähern,

so
*) Joh. 13, 23. Kap. 21, 20.

LII. Betrachtung.
den umringt war. Dieſen ſtillen Aufenthalt des
häuslichen Glücks, dieſen ſtillen Umgang mit einer
frommen ſich innigſt liebenden Familie, zog er allen
Palläſten der Großen, allen Feſten der Reichen und
Schwelger vor. So ſehr er übrigens alle ſeine Jün-
ger ſchätzte, ſo genoſſen doch Petrus und der ältere
Jacobus ein beſonderes Zutrauen. Allen aber wur-
de der ſanfte Johannes vorgezogen, welcher der aus-
gezeichnete Liebling Jeſu war, wahrſcheinlich, weil
ſich zwiſchen ſeinem Charakter und dem Charakter Je-
ſu ſo viel treffende Aehnlichkeit fand; wahrſcheinlich,
weil er ſich durch ſein zärtliches Herz und durch ſei-
ne edle liebenswürdige Einfalt auszeichnete, und weil
der Erlöſer wegen ſeiner ſchönen unſchuldsvollen See-
le an ſeinem vertrauten Umgange ein inniges Ver-
gnügen fand. Daher heißt er auch der Jünger, den
der Herr lieb, das iſt, vorzüglich lieb hatte, dem
er ſein ganzes Vertrauen ſchenkte.*) Jedoch, die
größere Liebe Jeſu gegen ſeine Freunde und Verwand-
te hatte keinen nachtheiligen Einfluß auf die Ver-
waltung ſeines Amts, und er überſahe deswegen ih-
re Fehler nicht. Bey aller Achtung, die er für die
Seinigen hegte, ließ er es nicht zu, daß ſeine wich-
tigen Geſchäfte durch ſie unterbrochen würden. Als
man ihm daher einſtmals zu Capernaum meldete, ſei-
ne Mutter und Brüder wollten ihn ſprechen, und könn-
ten ſich ihm wegen der Menge des Volks nicht nähern,

ſo
*) Joh. 13, 23. Kap. 21, 20.
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[342/0368] LII. Betrachtung. den umringt war. Dieſen ſtillen Aufenthalt des häuslichen Glücks, dieſen ſtillen Umgang mit einer frommen ſich innigſt liebenden Familie, zog er allen Palläſten der Großen, allen Feſten der Reichen und Schwelger vor. So ſehr er übrigens alle ſeine Jün- ger ſchätzte, ſo genoſſen doch Petrus und der ältere Jacobus ein beſonderes Zutrauen. Allen aber wur- de der ſanfte Johannes vorgezogen, welcher der aus- gezeichnete Liebling Jeſu war, wahrſcheinlich, weil ſich zwiſchen ſeinem Charakter und dem Charakter Je- ſu ſo viel treffende Aehnlichkeit fand; wahrſcheinlich, weil er ſich durch ſein zärtliches Herz und durch ſei- ne edle liebenswürdige Einfalt auszeichnete, und weil der Erlöſer wegen ſeiner ſchönen unſchuldsvollen See- le an ſeinem vertrauten Umgange ein inniges Ver- gnügen fand. Daher heißt er auch der Jünger, den der Herr lieb, das iſt, vorzüglich lieb hatte, dem er ſein ganzes Vertrauen ſchenkte. *) Jedoch, die größere Liebe Jeſu gegen ſeine Freunde und Verwand- te hatte keinen nachtheiligen Einfluß auf die Ver- waltung ſeines Amts, und er überſahe deswegen ih- re Fehler nicht. Bey aller Achtung, die er für die Seinigen hegte, ließ er es nicht zu, daß ſeine wich- tigen Geſchäfte durch ſie unterbrochen würden. Als man ihm daher einſtmals zu Capernaum meldete, ſei- ne Mutter und Brüder wollten ihn ſprechen, und könn- ten ſich ihm wegen der Menge des Volks nicht nähern, ſo *) Joh. 13, 23. Kap. 21, 20.

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Zitationshilfe: Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792/368>, abgerufen am 26.11.2024.