Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite


Vierundfunfzigste Betrachtung.
Jesu Liebe zur Einsamkeit.

Joh. 6, 15

Jesus entwich auf einen Berg, er selbst allein.

Angenehm war dem Erlöser der Umgang mit
Menschen, doch fast eben so lieb war ihm auch
die Einsamkeit, wo er sich von seinen überhäuften
Geschäften losreissen, und mit höhern Gegenständen
beschäftigen konnte. Sehr oft lesen wir daher von
ihm, daß er die Einsamkeit suchte, und sich sogar
von seinen Jüngern trennte, die noch nicht fähig wa-
ren, an den Erholungen seines Herzens Antheil zu
nehmen. Bisweilen begab er sich in die Einsamkeit,
um den Folgen des Hasses oder des Beyfalls auszu-
weichen, oft aber auch, um in der Stille über sein
großes Werk nachzudenken, oder mit Gott seinem
himmlischen Vater sich zu unterhalten. Als er
zum Beyspiel viel Kranke in Capernaum gesund ge-
macht hatte, so stand er vor Anbruch des Tages auf,
und begab sich an einen einsamen Ort, um da unge-
stört beten, und seinen Betrachtungen nachhängen
zu können.*) Als er den Kranken am Teiche Be-
thesda geheilt hatte, und man ihm nach dem Leben

trach-
*) Marc. 1, 35.
Z 2


Vierundfunfzigſte Betrachtung.
Jeſu Liebe zur Einſamkeit.

Joh. 6, 15

Jeſus entwich auf einen Berg, er ſelbſt allein.

Angenehm war dem Erlöſer der Umgang mit
Menſchen, doch faſt eben ſo lieb war ihm auch
die Einſamkeit, wo er ſich von ſeinen überhäuften
Geſchäften losreiſſen, und mit höhern Gegenſtänden
beſchäftigen konnte. Sehr oft leſen wir daher von
ihm, daß er die Einſamkeit ſuchte, und ſich ſogar
von ſeinen Jüngern trennte, die noch nicht fähig wa-
ren, an den Erholungen ſeines Herzens Antheil zu
nehmen. Bisweilen begab er ſich in die Einſamkeit,
um den Folgen des Haſſes oder des Beyfalls auszu-
weichen, oft aber auch, um in der Stille über ſein
großes Werk nachzudenken, oder mit Gott ſeinem
himmliſchen Vater ſich zu unterhalten. Als er
zum Beyſpiel viel Kranke in Capernaum geſund ge-
macht hatte, ſo ſtand er vor Anbruch des Tages auf,
und begab ſich an einen einſamen Ort, um da unge-
ſtört beten, und ſeinen Betrachtungen nachhängen
zu können.*) Als er den Kranken am Teiche Be-
thesda geheilt hatte, und man ihm nach dem Leben

trach-
*) Marc. 1, 35.
Z 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0381" n="355"/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <head>Vierundfunfzig&#x017F;te Betrachtung.<lb/>
Je&#x017F;u Liebe zur Ein&#x017F;amkeit.</head><lb/>
          <p> <hi rendition="#c">Joh. 6, 15</hi> </p><lb/>
          <p>Je&#x017F;us entwich auf einen Berg, er &#x017F;elb&#x017F;t allein.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#in">A</hi>ngenehm war dem Erlö&#x017F;er der Umgang mit<lb/>
Men&#x017F;chen, doch fa&#x017F;t eben &#x017F;o lieb war ihm auch<lb/>
die Ein&#x017F;amkeit, wo er &#x017F;ich von &#x017F;einen überhäuften<lb/>
Ge&#x017F;chäften losrei&#x017F;&#x017F;en, und mit höhern Gegen&#x017F;tänden<lb/>
be&#x017F;chäftigen konnte. Sehr oft le&#x017F;en wir daher von<lb/>
ihm, daß er die Ein&#x017F;amkeit &#x017F;uchte, und &#x017F;ich &#x017F;ogar<lb/>
von &#x017F;einen Jüngern trennte, die noch nicht fähig wa-<lb/>
ren, an den Erholungen &#x017F;eines Herzens Antheil zu<lb/>
nehmen. Bisweilen begab er &#x017F;ich in die Ein&#x017F;amkeit,<lb/>
um den Folgen des Ha&#x017F;&#x017F;es oder des Beyfalls auszu-<lb/>
weichen, oft aber auch, um in der Stille über &#x017F;ein<lb/>
großes Werk nachzudenken, oder mit Gott &#x017F;einem<lb/>
himmli&#x017F;chen Vater &#x017F;ich zu unterhalten. Als er<lb/>
zum Bey&#x017F;piel viel Kranke in Capernaum ge&#x017F;und ge-<lb/>
macht hatte, &#x017F;o &#x017F;tand er vor Anbruch des Tages auf,<lb/>
und begab &#x017F;ich an einen ein&#x017F;amen Ort, um da unge-<lb/>
&#x017F;tört beten, und &#x017F;einen Betrachtungen nachhängen<lb/>
zu können.<note place="foot" n="*)">Marc. 1, 35.</note> Als er den Kranken am Teiche Be-<lb/>
thesda geheilt hatte, und man ihm nach dem Leben<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Z 2</fw><fw place="bottom" type="catch">trach-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[355/0381] Vierundfunfzigſte Betrachtung. Jeſu Liebe zur Einſamkeit. Joh. 6, 15 Jeſus entwich auf einen Berg, er ſelbſt allein. Angenehm war dem Erlöſer der Umgang mit Menſchen, doch faſt eben ſo lieb war ihm auch die Einſamkeit, wo er ſich von ſeinen überhäuften Geſchäften losreiſſen, und mit höhern Gegenſtänden beſchäftigen konnte. Sehr oft leſen wir daher von ihm, daß er die Einſamkeit ſuchte, und ſich ſogar von ſeinen Jüngern trennte, die noch nicht fähig wa- ren, an den Erholungen ſeines Herzens Antheil zu nehmen. Bisweilen begab er ſich in die Einſamkeit, um den Folgen des Haſſes oder des Beyfalls auszu- weichen, oft aber auch, um in der Stille über ſein großes Werk nachzudenken, oder mit Gott ſeinem himmliſchen Vater ſich zu unterhalten. Als er zum Beyſpiel viel Kranke in Capernaum geſund ge- macht hatte, ſo ſtand er vor Anbruch des Tages auf, und begab ſich an einen einſamen Ort, um da unge- ſtört beten, und ſeinen Betrachtungen nachhängen zu können. *) Als er den Kranken am Teiche Be- thesda geheilt hatte, und man ihm nach dem Leben trach- *) Marc. 1, 35. Z 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792/381
Zitationshilfe: Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792, S. 355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792/381>, abgerufen am 26.11.2024.